Frankreich und Deutschland: Gemeinsam für den Euro und gegen den Irak-Krieg?IRAK-KRIEG

Frankreich und Deutschland: Gemeinsam für den Euro und gegen den Irak-Krieg?

Was eint die beiden Staaten bei ihrer Ablehnung eines neuerlichen Irak-Krieges? Die gemeinsame europäische Währung ist ein möglicher Erklärungsansatz.

Von Hartmut Wagner

EM – Was macht Frankreich und Deutschland mit einem Mal zu vehementen Kriegsgegnern? Der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder waren maßgeblich am Kosovo-Krieg (1999) beteiligt und unterstützten die amerikanische Invasion nach Afghanistan (2001/2002). Als sich die Bush-Administration anschickte den Irak anzugreifen gaben sich beide, als ob Krieg für sie ein Mittel wäre, das sie von Grund auf ablehnten.

Woher kommt dieser Sinneswandel? Haben sich die beiden über Nacht zu draufgängerischen Anti-Amerikanern oder resoluten Pazifisten gewandelt? Unterschätzen sie schlicht die Gefahren, die Saddam Husseins Regime laut US-Regierung für die Welt darstellt? Liegt es an den unzulänglichen Beweisen der Vereinigten Staaten zur Rechtfertigung eines Angriffskrieges?

Der Fortbestand der NATO und der Vereinten Nationen steht auf dem Spiel.

Wirklich überzeugend ist keine dieser Erklärungsmöglichkeiten. Sicherlich haben die deutsche und französische Regierung die vordergründige Kriegsargumentation der USA durchschaut. Aber gerade in der jüngsten Geschichte waren Paris und Berlin auch dann zu militärischem Vorgehen bereit, wenn die Begründungen dafür alles andere als stichhaltig waren. Der Entschluß von Chirac und Schröder gegen einen Irak-Krieg zu agitieren, kann nicht allein mit moralischen Bedenken erklärt werden. Dazu sind die politischen Kosten dieses Schrittes zu weitreichend.

Der Fortbestand der NATO und der Vereinten Nationen steht auf dem Spiel. Die NATO wird aus rein politischen Gründen von Washington genötigt das Bündnismitglied Türkei zu schützen, zu schützen vor einem möglichen Angriff des Iraks, für den jedoch zuvor die NATO-Führungsmacht USA durch ihre Irak-Invasion überhaupt erst die Voraussetzungen schafft. Die anfängliche Weigerung Frankreichs, Deutschlands und Belgiens den Forderungen zur Sicherung der Türkei nachzukommen, hat das Militärbündnis in eine Krise gestürzt.

Ein Bedeutungsverlust der Vereinten Nationen (VN) infolge eines US-Angriffs auf den Irak ohne Ermächtigung durch den VN-Sicherheitsrat hat insbesondere für Frankreich schwerwiegende Folgen. Anders als Deutschland, dessen politisches Gewicht vor allem auf seiner Wirtschaftskraft basiert, resultiert Frankreichs politische Macht in erster Linie aus seinem ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat und dem damit verbundenen Vetorecht.

Der Konkurrenzkampf von Dollar und Euro als Kriegsursache?

Eine oftmals vernachlässigte, aber nicht zu unterschätzende Ursache des Irak-Konflikts kann der zunehmende Konkurrenzkampf zwischen Dollar und Euro sein. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts war der amerikanische Dollar deshalb das dominierende Zahlungsmittel in der Welt, weil er konkurrenzlos war. Staaten wie der Iran, Irak, Saudi Arabien und Venezuela berechneten das von ihnen exportierte Erdöl selbstverständlich in US-Dollar. Das US-Finanzministerium und die US-Notenbank hatten somit enormen Einfluß auf die weltweite Geldpolitik.

Mit Einführung des Euro am 1. Januar 1999 erwuchs der bis dahin unangefochtenen einzigen Weltwährung ein potentieller Konkurrent. Anfangs verlor der Euro zwar drastisch an Wert.
Vergangenes Jahr stieg der Kurs indes wieder an und zog im Juni 2002 erstmals seit Beginn des Jahres 2000 wieder mit dem Dollar gleich. Seit Dezember 2002 wird der Euro teurer gehandelt als der Dollar.

Sollten sich die OPEC-Staaten ob des hohen Euro-Kurses dazu entscheiden ihren Erdölabsatz künftig in Euro zu bestreiten, würde der Dollar an Wert einbüßen. Außerdem würde der USA in diesem Falle ihr Handelsbilanzdefizit stark zu schaffen machen. Aus Mangel an Devisen wären die Vereinigten Staaten gezwungen umfangreiche Erdölimporte in ausländischer Währung zu bezahlen. Weiterhin gibt der erstarkte Euro den Mitgliedsstaaten der OPEC ein nicht zu unterschätzendes politisches Druckmittel an die Hand. Drohungen, das Erdölgeschäft von nun an in Euro abzuwickeln, dürften effektiver und weitaus praktikabler sein, als ein angedrohtes Ölembargo.

Der Irak wird nach dem amerikanischen Einmarsch zweifelsohne zu einer regionalen Macht am Persischen Golf aufgebaut

Mit der Invasion in den Irak sichert sich die USA nicht nur den ungehinderten Zugriff auf die zweitgrößten Erdöllagerstätten der Welt, sondern kann in Zukunft auch auf die Preis- und Währungspolitik der OPEC Einfluß nehmen: Zum Vorteil des Dollars und zum Nachteil des Euros. Zumindest eines dürfte klar sein: Der Irak wird nach dem zu erwartenden Sieg der amerikanischen Invasionstruppen seinen Auslandshandel wieder in Dollar führen. Das Regime in Bagdad hatte im Oktober 2000 bei den Vereinten Nationen durchgesetzt, bei In- und Export, anstatt dem verhaßten Dollar den Euro als Zahlungsmittel zu verwenden.

Es ist also durchaus möglich, daß die Regierungen in Deutschland und Frankreich einen Irak-Krieg ablehnten, um die Schwächung des Euros als internationales Zahlungsmittel zu verhindern. Denn der Irak wird nach dem amerikanischen Einmarsch zweifelsohne zu einer regionalen Macht am Persischen Golf aufgebaut. Mit Hilfe ihres irakischen Vasallen wird Washington dann einem möglichen Währungswechsel der OPEC entgegenwirken und somit den Dollar gegenüber dem Euro stärken.

Sollte der Euro die konsensbildende Kraft zwischen Frankreich und Deutschland sein, wäre eines der zentralen Ziele der Vordenker der europäischen Integration verwirklicht: über den Weg der wirtschaftlichen Kooperation und Abhängigkeit politische Einheit zu erreichen. Allerdings hieße das auch, nicht moralische Bedenken sind ausschlaggebend für die ablehnende Haltung beider Länder zu einem Irak-Krieg, sondern schlicht wirtschaftliche Interessen. Das ernüchternde Fazit wäre: Die USA führen aus ökonomischen Gründen einen Krieg, Frankreich und Deutschland führen aus eben diesen Gründen keinen Krieg.

Weiterführende Literatur:
- Aspects of India’s Economy, Heft 33/34, Dezember 2002, www.rupe-india.org.
- Elmar Altvater: „Die Währung des schwarzen Goldes - Der Ölkrieg wird auch um die Vorherrschaft von Dollar und Euro geführt“, in: Eurasisches Magazin 02/03.

Deutschland Frankreich Irak

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene Artikel

  1. Die Coronakrise aus der Sicht einer russischen Psychiaterin
  2. Kurden - Geschichte, Kultur und Hintergründe
  3. Die Perser - Geschichte und Kultur
  4. Putin: Russland ist kein Land sondern eine eigenständige Ziviisation
  5. Chinesische Frauen: Erotisch, anschmiegsam und sehr erfolgreich

Eurasien-Ticker