Die Wirtschaft Indiens wächst weltweit am zweitschnellstenSUDASIEN

Die Wirtschaft Indiens wächst weltweit am zweitschnellsten

Die Gewinne der größten Unternehmen des Landes sind im vergangenen Jahr um 58 Prozent gestiegen – durch ergiebige Monsunregenfälle wächst auch die Agrarproduktion – nur in China geht es noch rascher aufwärts.

Von Johann von Arnsberg

EM – Mehrere weltweit agierende Börsendienste meldeten in letzter Zeit, daß ausländische Fonds im bisherigen Verlauf des Jahres 2003 bereits mehr als zwei Milliarden US-Dollar in Indien investiert haben. Im gesamten vergangenen Jahr betrugen diese Investitionen gerade mal ein Viertel, nämlich 555 Millionen US-Dollar.

Der Vorstand des indischen Risikokapitalgebers IndAsia, Pradip Shah, erklärte in einer Pressemitteilung seiner Investitionsgesellschaft: „Im vergangenen Jahr hatten wir eine sehr schwere Dürre, jeder erwartete nun fälschlicherweise, daß unsere gesamte Wirtschaft kollabieren würde. Jetzt hat es eine kräftige Zinssenkung gegeben, das brachte neuen Schwung in unsere Wirtschaft. Deshalb sind auch indische Investoren und ausländische Kapitalgeber wieder bereit, sich im Land zu engagieren.“

Indien erwartet erstmals seit Jahren wieder über sechs Prozent Wirtschaftswachstum

Der Optimismus am Ganges ist groß. Zum ersten Mal seit Ende der neunziger Jahre erwartet die indische Wirtschaft ein Wachstum von mindestens sechs Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP). Damit wächst die indische Wirtschaft nach der chinesischen weltweit am schnellsten. Als einen Grund für die positive Entwicklung nennen Fachleute in Neu-Delhi die starken Monsunregenfälle, die im ganzen Land niedergegangen sind. Die Landwirtschaft steuert immerhin ein Fünftel des BIP bei. Gut zwei Drittel der indischen Bevölkerung hängen noch von der Landwirtschaft ab. Wenn der Agrarsektor schrumpft wie im vergangenen Dürrejahr, schlägt sich das empfindlich auf die Wachstumsraten der Wirtschaft nieder. 2002 lag sie nur bei 4,3 Prozent.

Die indische Zeitung „Business Standard“ berichtete Mitte Juli, daß die Gewinne der 1.500 größten Unternehmen des Landes um insgesamt 58 Prozent gestiegen seien. Indiens größter Lkw-Hersteller Telco habe einen Umsatzanstieg von 30 Prozent im ersten Halbjahr 2003 gemeldet. Auch der Pkw-Absatz in Indien sei deutlich gestiegen. Er habe im Frühjahr 2003 um satte 35 Prozent über den Zahlen des Vorjahres gelegen.

Der Warenexport Indiens wuchs im vergangenen Jahr um fast 20 Prozent. In diesem Jahr wird ein ähnliches Wachstum erwartet. Der Chefvolkswirt bei der Asiatischen Entwicklungsbank, Sudipto Mundle, erklärte kürzlich in einem Vortrag vor Industriellen: „Große Teile der indischen Unternehmenslandschaft werden langsam aber sicher weltweit wettbewerbsfähig. Wie sonst ließe sich das starke Exportwachstum erklären, obwohl die indische Rupie an Wert gewinnt und die globale Nachfrage so gut wie tot ist.“

Der wahre Boom der indischen Softwareindustrie steht erst noch bevor

Der international agierende Konzern „Systeme, Applikationen, Produkte in der Datenverarbeitung“, kurz SAP, geht offenbar davon aus, daß der indischen Softwarebranche der wahre Boom erst noch bevorsteht. Der Konzern will 20 Millionen Dollar in der südindischen Industriestadt Bangalore investieren. Geplant ist ein großes Zentrum zur Entwicklung von Computerprogrammen. Außerdem sollen im großen Stil neue Mitarbeiter eingestellt werden.

Am Firmensitz der SAP AG im badischen Walldorf bei Heidelberg war zu erfahren, daß SAP seine Belegschaft in Indien in den nächsten beiden Jahren auf 2000 erhöhen und damit glatt verdoppeln wird. Mit dieser Absicht zitiert die „Hindustan Times“ in ihrer Netzausgabe den SAP-Vorstandschef Henning Kagermann, der Ende Juni eine Pressekonferenz in Bangalore gegeben hatte, wo SAP ein großes Software-Zentrum errichten will. Bereits heute sei Indien für SAP im Bereich Forschung und Entwicklung wichtiger als jeder andere Standort außerhalb Deutschlands, ließ Kagermann wissen. Der Kundenservice für alle asiatischen Kunden werde in Indien gebündelt. SAP verfüge in Indien über 400 Großkunden und einen Marktanteil von 60 Prozent. Das Land werde künftig eine der wichtigsten Wachstumsregionen für SAP sein. Der Konzern betreibt neben dem Standort Bangalore bereits Büros in Neu Delhi, Kalkutta und Bombay.

Investoren wie SAP schätzen die indische Entwicklung positiver ein als viele Wirtschaftswissenschaftler in Europa, den USA und auch in Indien selbst. Diese Experten kritisieren, daß der indische Finanzminister Jaswant Singh bisher nur wenig getan habe, um das wachsende Haushaltsdefizit des Landes in den Griff zu bekommen. Auch tiefgreifende Reformen auf dem starren indischen Arbeitsmarkt seien nicht in Sicht. Suman Bery vom „Nationalen Rat für angewandte Wirtschaftsforschung“ in Delhi geht allerdings davon aus, daß sich noch rechtzeitig vor den Wahlen im nächsten Jahr etwas bewegen werde. „Der Geschäftszyklus“, meint Bery, „ist perfekt auf den Wahlfahrplan der Regierung abgestimmt.“

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