Wer schützt die russischen Waisen?

20.000 Moskauer protestieren gestern gegen ein Gesetz, welches die Adoption russischer Kinder durch US-Bürger verbietet.

Ulrich Heyden, Moskau

EM- Bei zehn Grad Minus und eisigem Wind zogen am Sonntag 20.000 Demonstranten – nach Polizeiangaben waren es 9.000 - entlang des Moskauer Boulevard-Rings zum Sacharow-Prospekt. Sie riefen „Schande!“ und „Putin isst Kinder!“ Die Demonstranten hielten hunderte von großen Porträts in die Höhe, auf denen die Abgeordneten der Duma abgebildet waren, die im Dezember für ein neues Gesetz gestimmt hatten, dass die Adoption russischer Kinder durch US-Bürger verbietet. Über den Gesichtern der Abgeordneten stand in dicken roten Lettern das Wort „Schurke“.

Das sogenannte Dima-Jakowlew-Gesetz, welches die Adoption russischer Kinder durch US-Familien verbietet, hatte Wladimir Putin als russische Antwort auf das vom US-Kongress beschlossene Magnitski-Gesetz bezeichnet. Dieses Gesetz verbietet denjenigen russischen Richtern und Staatsanwälten, die angeblich Schuld an dem Tod des Anwaltes Sergej Magnitski in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis sind, die Einreise in die USA.

Der Ton zwischen Opposition und Kreml ist seit den jüngsten Gesetzverschärfungen beim Demonstrations- und NGO-Recht so scharf wie noch nie. Der Duma-Abgeordnete Andrej Isajew hatte die Opposition wegen ihres Eintretens für die „amerikanische Adoption“ gar als „Kinderhändler“ und „Feinde der russischen Souveränität“ bezeichnet.

Dass die Demonstration wegen ihrer Themen-Setzung Adoptionsrecht einen Amerika-freundlichen Charakter trug, führte dazu, dass sich weniger Linke und Nationalisten an der Aktion beteiligten als üblich.

Noch vor der Demonstration hatten prominente Künstler, wie der Filmregisseur Eldar Rjasanow, Putin aufgefordert, die Adoption durch amerikanische Familien weiter zuzulassen. Die russische Opposition kritisiert, dass es in Russland insbesondere für Waisen, die wegen Zerebralparese (kindliche Gehirnerkrankung) unter Bewegungsstörungen leiden, keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Putins Pressesprecher, Dmitri Peskow, forderte die Demonstranten auf, anzuerkennen, dass der russischen Präsident jüngst Anordnungen zur Verbesserung der Situation russischer Waisen erlassen habe. Der Duma-Abgeordnete Isajew, welcher der Kreml-nahen Partei Einiges Russland angehört, hatte in seinem Zeitungsartikel vorgerechnet, dass 2011 angeblich nur 44 US-Familien, dagegen aber 188 russische Familien „real-schwerbehinderte Kinder“ adoptiert haben.

Viele junge Demonstrantinnen erinnerten daran, dass auf dem Rücken von Kindern ein politischer Konflikt ausgetragen wird. „Kinder brauchen kein Gesetz sondern ein Haus“, stand auf dem Plakat einer junge Dame mit pinkfarbener Perücke. Auf dem Plakat einer anderen Frau stand schlicht, „die Kinder wissen nichts von Putin“.

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