18.11.2014

Kirchliche Paradoxien nach dem Ende des Kommunismus

EM, 18.11.2014 - Gemeinhin wird der Fall der Berliner Mauer und das Ende der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa im November vor 25 Jahren als ein Ereignis der Befreiung gefeiert. Papst Johannes Paul II. wird eine zentrale Rolle beim Ende des Kommunismus in Polen zugeschrieben. Der jetzige aus Argentinien stammende Papst Franziskus, der in Südamerika mit linken Befreiungsbewegungen konfrontiert war, sieht den Fall des Kommunismus differenzierter.

So sagte Kardinal Kurt Koch, den der deutsche Papst Benedikt XVI. zum Vorsitzenden des Rates zur Förderung der Einheit der Christen ernannt hatte, am 17. November in einer Stellungnahme gegenüber Radio Vatikan zum 25. Jubiläum der Wende, dass der Zusammenbruch des Kommunismus in Europa nicht nur positive Folgen für die Christenheit hatte, sondern auch die latenten Spannungen zwischen dem Vatikan und der Russisch-Orthodoxen Kirche zutage treten ließ. Die Renaissance der katholischen Kirchen im Osten in der Ukraine und Rumänien nach Jahrzehnten der Unterdrückung hätten verstärkte Spannungen mit der Russisch-Orthodoxen Kirche hervorgerufen, die diese Regionen für sich reklamiert. So warfen die Führer der Russisch-Orthodoxen Kirche der mit dem Vatikan verbundenen Griechisch-Katholischen Kirche in der Ukraine vor, die Kirchengebäude an sich zu reißen und die Gläubigen vom Moskauer Orthodoxen Patriarchat abzuwerben. Die Ukrainische Kirche und der Vatikan bestreiten dies. Die Moskauer Orthodoxe Kirche sieht diese Fragen aber als Haupthindernis für eine ökumenische Zusammenarbeit. Der Vatikan, der die bedrängten Kirchen in Osteuropa unterstützt und für eine Wende in der Sowjetunion gebetet hatte, sieht sich nun mit neuen Anfeindungen seitens der Orthodoxie konfrontiert.

Papst Franziskus wird Ende des Monats den Ökumenischen Patriarchen Bartholomeus in Istanbul treffen. Das geistliche Oberhaupt der Orthodoxen befürwortet schon seit langem eine stärkere Kooperation mit Rom, muss jedoch auch die Widerstände der Russen berücksichtigen, die die Mehrheit der 300 Millionen Orthodoxen in aller Welt bilden. Kardinal Koch, ein Schweizer Theologe, bemerkte noch, dass nach der Wende zwischen 2000 und 2006 wegen erhöhter Spannungen der Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen zum Erliegen kam. Er hoffe bei der Begegnung der beiden Weltkirchenführer auf eine Wiederbelebung der Kooperation.

Paradoxerweise bringe gerade die Verfolgung der Christen im Nahen Osten Katholiken, Orthodoxe und Protestanten wieder enger zusammen, die Krise in der Ukraine hingegen erhöhe die Spannungen zwischen den Kirchen, die doch eigentlich „ein Faktor der Versöhnung“ sein sollten.

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