25.06.2014

Wladimir Putin - Retter Russlands und des christlichen Europas?

EM, 25.06.2014 - Unter den sogenannten Russland-Verstehern gibt es vornehmlich in der rechten Szene Leute, die in Putin den Herrscher sehen, der als einziger in der Lage sei, das verrottete Europa von Sittenverfall und der schleichenden Invasion des Islams zu befreien. Ja sie gehen sogar so weit, dass sie Putin auffordern, nach der erfolgreichen Heimholung der Krim nun gegen das marode Europa vorzugehen, und fragen, wie lange denn Russland dem Brüsseler Treiben tatenlos zusehen und ein islamisiertes Europa an seinen Westgrenzen dulden wolle. Aus unterschiedlichen Motiven hat sich sogar im Europaparlament eine informelle Allianz von der Front Nationale Le Pens bis zu holländischen und österreichischen Rechten ergeben, die mit Russland liebäugelt.

Putin genießt es sicher, von Sanktionen geplagt in Europa Bündnispartner und Sympathisanten zu haben, die die westliche Phalanx gegen das erwachende Russland durchbrechen. In Russland einen Partner gegen den Islam zu sehen, ist indessen ein großes Missverständnis. Nicht über den wachsenden Einfluss des Islam in Europa empören sich Russlands Konservative, voran die Russisch-Orthodoxe Kirche, sondern über den Libertinismus und die Aggressivität des „vom wahren Glauben abtrünnigen Westens“, der im Zeichen der Osterweiterung immer mehr an Russlands Grenzen heranrücken will. Gegen Europas Anspruch versucht sich Russland durch Rückbesinnung auf Vaterland, Glauben, moralische Werte und Macht abzuschotten. Sowohl im (orthodoxen) Christentum wie auch im moderaten Islam sieht der Kreml ein stabilisierendes Element und ein Bollwerk gegen westliche Exzentrik. Den Islam auszugrenzen, das wäre für Russland ein fundamentaler Fehler, den Putin nie begehen würde.

Putin weiß, dass Russland kein russisch-orthodoxer Einheitsstaat ist, sondern nahezu ein eigener Kontinent, der zwar auf den Russen als dominierendes Volk basiert, aber im Grunde ein Vielvölkerstaat ist mit einer ebensolchen Vielfalt der Religionen. Daneben gibt es in Russland die einflussreiche jüdische Gemeinschaft, die ebenso wie die Buddhisten am Baikal-See eine eigene Region besitzen, und darüberhinaus eine Vielfalt an Religionen und Sekten, die man auch in anderen Ländern vorfindet. Bei 142 Millionen Einwohnern gehören etwa 20 Prozent der Bevölkerung dem Islam an. Mehrere Teilrepubliken sind islamisch geprägt: Tatarstan, Bashkortostan im Norden östlich von Moskau und die vielen kleinen Regionen im nördlichen Kaukasus voran Tschetschenien und Dagestan, wo der radikal Islam für eher negative Schlagzeilen sorgt.

In der Innen- und Außenpolitik spielt Putin beide Karten aus: Der Kreml pflegt enge Beziehungen zur Russisch-Orthodoxen Kirche wie auch zum Islamischen Muftiat zur Stärkung des russischen Imperiums. Außenpolitisch appelliert er an die slawische Gemeinsamkeit mit Belarus, der Ukraine, Serbien und Bulgarien und den orthodoxen Glauben im Umfeld Russlands von den Nachbarländern bis zum Balkan. Den Islamfaktor nutzt er in seiner Strategie gegenüber den Ländern des Nahen Ostens. Dabei spielen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle, wenn Russland über das Erdöl- und Gaskartell Einfluss auf die Exporte und die Preisgestaltung nehmen will. In Syrien hat Russland immer noch einen wichtigen Stützpunkt an der konfliktreichen östlichen Mittelmeerküste.

Im Rahmen des russischen Großraum-Projekts einer Eurasischen Wirtschaftsunion geht es entsprechend nicht nur um die Ankoppelung slawischer Länder wie Belarus und der widerspenstigen Ukraine, sondern vor allem um den Beitritt islamischer Länder. Kern des Bündnisses sind momentan Russland, Belarus und Kasachstan. Langfristig aber zielt das Projekt auf alle fünf Staaten des zentralasiatischen Raums, die allesamt dem Islam verbunden sind.

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