24.10.2013

Sowjet-Nostalgie – es geht nicht nur um Denkmäler

EM - Über die erstaunliche Stalin-Nostalgie in dessen Geburtsland Georgien haben wir schon berichtet. In Russland ist die geradezu schwärmerische Erinnerung an das Sowjetimperium noch viel verbreiteter. Dabei geht es nicht nur um Statuen, Museen und Straßennamen, die an die einstigen Sowjetführer erinnern, sondern um eine Besinnung auf die einstige Größe, die neuerdings von Präsident Vladimir Putin im Hinblick auf eine große Zukunft gefördert wird.

Als die Moskauer Stadtadministration umgerechnet 1,5 Millionen Dollar (50 Millionen Rubel) zur Restaurierung von 7 Monumenten vor kurzem freigab, wurden Stimmen laut, ausgerechnet das Denkmal des berüchtigten Tscheka-Gründers Feliks Dserschinsky am angestammten Ljubjanka-Platz, dem Standort des heutigen KGB-Nachfolgedienstes FSB (Föderaler Sicherheitsdienst), wieder aufzustellen. Ein Abgeordneter der Kremlpartei „Einiges Russland“ meinte, das Monument sei ein historischer Meilenstein, der wieder zum Leben gebracht werden müsse. Seine Erklärung fand in den Medien derartigen Widerspruch, dass er erschreckt von einer Missinterpretation seiner Worte sprach. Der Sprecher des Moskauer Stadtrats ließ schnell verlauten, die Duma habe keinen Einfluss auf die Auswahl von Denkmälern, mit denen die Hauptstadt sich „schmücke“.

Felix Dserschinsky, im Volksmund „Eiserner Felix“ genannt, ist verantwortlich für eine blutige Säuberungskampagne nach der Oktoberrevolution von 1917, die den Tod der Zarenfamilie sowie von hunderttausenden Vertretern des alten Regimes zur Folge hatte. Sein brutales Vorgehen wurde Vorbild für den Stalinschen-Terror, dem nicht nur Tausende, sondern zig-Millionen Menschen (man schätzt 10-20 Millionen) zum Opfer fielen. Das Dserschinsky-Denkmal am Ljubjanka-Platz war nach der Wende ein ständiges Objekt historisch-politischer Kontroversen. Nach dem Putschversuch gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, dem sogenannten Augustputsch von 1991, wurde das Denkmal unter dem Jubel von Demonstranten mit einem Kran gestürzt. Im Nachhinein wurde sein Abriss als Symbol für den darauf folgenden Zusammenbruch des Sowjetimperiums gewertet.

Rufe nach einer Wiederaufstellung des Denkmals zeugen, so sagen Menschenrechtler, von der ambivalenten Haltung der Russen zu ihrer Vergangenheit. Den Auftakt zu einer neuen Sowjetnostalgie legte Präsident Putin selbst, als er nicht den Kommunismus in Russland und anderen Ländern, sondern das Ende der Sowjetunion als die größte Katastrophe der jüngsten Vergangenheit bezeichnete. Dabei folgte er den Bemühungen patriotischer Kreise, die sowjetische Vergangenheit in die imperialen Traditionen der russischen Geschichte einzuordnen. Der rote Stern wurden im Militär als Symbol auf den Mützen wieder eingeführt. Die Melodie der sowjetischen Hymne wurde nur mit einem anderen Text versehen. 2005 wurde die Dserschinsky-Büste auf dem Innenhof des russischen Innenministeriums platziert. Der Großteil der Zeugnisse kommunistischer Vergangenheit wird in einem kuriosen „Park gefallener Monumente“ in Moskau aufbewahrt.

Kritiker weisen daraufhin, dass hier versucht werde, Unvereinbares in der Geschichte Russlands zu vereinen, Kommunismus und die Zeit danach, Täter und Opfer gleichzustellen. Nicht nur Liberale und Oppositionelle, sondern auch die Russische Orthodoxe Kirche, deren Priester unter Dserschinsky und später unter Stalin brutal verfolgt wurden, wenden sich gegen diese Art von Sowjetnostalgie. Sie meinen, das die Vergangenheitsbewältigung in Russland sei auf halbem Wege stecken geblieben sei, ja dass die kommunistische Vergangenheit unter Putin sogar wieder aufgewertet werde. Hinzu kommt, dass die meisten Mitglieder der gegenwärtigen Elite einschließlich vieler Oligarchen ihre Karriere als Geheimdienstler, Funktionäre der KPdSU und des Komsomol, des kommunistischen Jugendverbandes begannen, sie stiegen in höchste Ämter auf - im Kreml, in den Regionen, in den Medien und Industriekorporationen.

Die mangelnde Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglichte dem ehemaligen KGB-Offizier Putin, in Russland ein (halb-) autoritäres Regime mit einer neuen Allmacht der Geheimdienste, innenpolitischer Repression und einer neuen imperialen Ideologie zu errichten – Erscheinungen, mit denen Russland unvermeidlich mit dem Westen in Konflikt gerät. Das Ganze wird übertüncht mit Modernität, demokratischen Elementen und westlicher Lebensart.

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