Freiheitlich-konservative Metapolitik: ReligionANALYSE

Freiheitlich-konservative Metapolitik: Religion

Freiheitlich-konservative Metapolitik: Religion

Europa zwischen freiheitlich-konservativem Widerstand und linksliberal-globalistischem Establishment. Eine (meta-)politische Analyse Teil II: Metapolitische Aspekte

Von Roland Chr. Hoffmann-Plesch und Anna-Maria Hoffmann-Plesch | 07.09.2021

Diese mehrteilige Arbeit war vor der Coronakrise als (meta-)politische Analyse der Ergebnisse und Folgen der Europawahl 2019 gedacht. Aus gegeben Anlass wurde im (ursprünglich nicht geplanten) Teil II.2.1. (https://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Metapolitik-und-Machtkampf-waehrend-des-Corona-Ausnahmezustands/20170251) gezeigt, dass der metapolitische Machtkampf auch während des Corona-Ausnahmezustands unvermindert weiter geht – ein Kampf, der die unüberbrückbaren (meta-)politischen Gegensätze zwischen der freiheitlich-konservativen Opposition und dem linksliberal-globalistischen Establishment in Europa verschärft und die westliche Welt endgültig entzweit hat.

Im Teil II.2.2. wird die freiheitlich-konservative Metapolitik analysiert, wobei aus Platzgründen nur religiös-theologische (II.2.2.1.) und anthropologische, soziologische bzw. ethisch-moralische (II.2.2.2) Aspekte untersucht werden. Diese spielen in der heutigen meta- und machtpolitischen Auseinandersetzung auf europäischer Ebene eine wichtige Rolle. (Die hier dargestellten Gedanken und Erkenntnisse haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dienen nur zur intellektuellen Orientierung in einer ungeistig gewordenen Gesellschaft und in der irrationalen Gedankenwelt mancher ideologieverblendeten Zeitgenossen.)

Freiheit und Ordnung in der freiheitlich-konservativen Metapolitik

Bei der Europawahl 2019, einige Monate vor dem Beginn der Coronakrise, hat das linksliberal-globalistische Lager eine empfindliche Niederlage erlitten (https://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Europa-zwischen-freiheitlich-konservativem-Widerstand-und-linksliberal-globalistischem-Establishment/20170236). Die Sieger waren die in dieser Studie als freiheitlich-konservativ bezeichneten Kräfte Europas, die (für sie immer europafeindlicher gewordene) Politik des linksliberal-globalistisch orientierten EU-Establishments und seiner in den Führungsebenen der EU-Staaten tätigen Gefolgschaft entschieden ablehnen. Es war nicht nur ein politischer, sondern auch ein metapolitischer Sieg, es war die Stunde der in den Kreisen der Etablierten kaum beachteten freiheitlich-konservativen Metapolitik, die ohnehin nicht mehr ins längst überholte Links-Rechts-Schema passte. Heute, zwei Jahre und ein globaler (Corona-)Ausnahmezustand später, hat sich der Konflikt zwischen diesen Lagern nicht nur in der EU, sondern in der ganzen westlichen Welt – auch coronabedingt – verschärft, so dass eine Versöhnung nicht mehr möglich ist.

Anders als ihre Gegner sind die freiheitlich-konservativen Menschen der Auffassung,

Demnach wird es zeit-, raum- und kulturübergreifend immer Menschen geben, die sich um die Verteidigung und die Bewahrung oder je nachdem um die Wiedererlangung und die Wiederherstellung eines existenznotwendigen Freiheits- und Ordnungszustands bemühen, sei es mit friedlichen oder mit gewaltsamen Mitteln (wie die Geschichte Europas reichlich bezeugt). Da die Freiheits- und Ordnungsvorstellung der freiheitlich-konservativen Europäer (neben vorchristlichen Einflüssen) hauptsächlich auf der christlichen Lehre basiert, während die linksliberal-globalistische Ideologie und die auf ihr beruhende Weltordnungsutopie schon in ihren Anfängen im 18. Jh. als Gegenentwurf zum Christentum und zum christlichen Freiheits- und Ordnungsmodell gedacht wurde, werden im Folgenden einige religiös-theologische, metapolitisch relevante Erkenntnisse dargestellt. Diese könnten zwar für den theologisch nichtgeschulten Leser als zu abstrakt erscheinen und für den historisch nichtbewanderten Leser im heutigen säkularen und geistfeindlichen gesellschaftlich-politischen Kontext irrelevant sein. Man darf aber eines nicht vergessen: Das Christentum hat in der Geschichte Europas eine entscheidende Rolle gespielt, denn Europa ist ein Produkt des fruchtbaren Aufeinandertreffens von Indoeuropäertum und Christentum.

Die Geburt des christlichen Europas

Die poströmische Kultur und Einheit Europas und das Frühmittelalter begannen nicht erst um 500 n. Chr., auch nicht später mit der Inthronisation Karls des Großen (800 n. Chr.), sondern entgegen der Meinung mancher Autoren bereits unter der spätrömischen Alleinherrschaft Konstantins I. des Großen (324-337) mit dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 (dem bis 787 sechs weitere Kirchenversammlungen folgten) und vor allem mit dem Beginn der germanischen Völkerwanderung und der Christianisierung der Germanen, Daker und römischen Kolonisten, die in Gotien (im karpatisch-danubisch-pontischen Raum) im 3-4 Jh. lebten. Zu Konzilien kamen Dank der gut funktionierenden Verwaltung bzw. dem fortschrittlichen Kontakt- und Kommunikationssystem geistige Führer aus allen Ecken des Kontinents.

Abgesehen von diesen zivilisatorischen frühmittelalterlichen Umständen spielten in dieser Umbruchszeit weniger die politisch-militärischen Argumente und mehr die religiös-theologischen Ideen die entscheidende Rolle für die Zukunft Europas. Die zunächst auf der philosophischen Ebene wahrgenommenen Auswirkungen dieser Konzile haben die geistig-geistliche und gesellschaftlich-politische Ordnung Europas ab dem Frühmittelalter maßgeblich beeinflusst und gestaltet und nach der Säkularisierung (ab dem 18. Jh.) auch die profanen, polit-, ersatz- und sogar antireligiösen Wert- und Politiksysteme inspiriert (z.B. das sozialistisch-kommunistische System mit seiner pseudomessianisch-eschatologischen Idee eines irdischen Paradieses, eines neuen Menschen und eines diesseitigen Reiches der Gleichheit).

Diese historischen Tatsachen berechtigen uns zu der Behauptung, dass in Nicäa im Jahre 325 n. Chr. eine neue, vereinigende, paneuropäische Kultur geboren war, die zur Entstehung einer paneuropäischen Identität und zur Vervollkommnung der großen europäischen Zivilisation geführt hat. Die christlichen Wurzeln Europas sind also unverkennbar, denn die europäische Identität wurde auf der Grundlage des vom Christentum gebildeten „spirituellen, geistigen und ideologischen Nährboden[s]“ gestaltet, d.h.: „Ohne die Christenheit hätte es kein Europa gegeben.“ (Bruguès, 2008, S. 21).

Christentum und Metapolitik in Europa 2021

Das Christentum spielt in den heutigen weltanschaulich-ideologischen und politischen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle, auch wenn manche westlichen Länder gerade eine große Welle von Kirchenaustritten erleben. Schließlich beruht ein großer Teil des metapolitischen Arsenals auf dem Christentum – sowohl in seiner sakralen, unverfälscht-apostolischen oder säkularen, kulturchristlichen Form (im freiheitlich-konservativen Lager) als auch in einer verfälschten, entsakralisierten, hypermoralisiert-ideologisierten und fast bis zur Unkennbarkeit entstellten Form (im linksliberal-globalistischen Lager). Das gilt aber nicht nur für den metapolitischen, sondern auch für den rein politischen Bereich, denn: „Alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe. Nicht nur ihrer historischen Entwicklung nach, weil sie aus der Theologie auf die Staatslehre übertragen wurden, sondern auch in ihrer systematischen Struktur, deren Erkenntnis notwendig ist für eine soziologische Betrachtung dieser Begriffe.“ (Schmitt, 1996, S. 43)

Zur Überraschung vieler linksliberal-globalistischen Experten ist das Christentum in Westeuropa wieder ein Thema. Christlich bzw. freiheitlich-konservativ orientierte oder gar unpolitische Teile der westlichen Bevölkerung sind während der letzten drei globalen Krisen – Weltfinanzkrise ab 2007, Migrationskrise ab 2015 und Coronakrise ab 2019 – von stillen, (meta-)politisch passiven Beobachtern zu unüberhörbaren (meta-)politisch aktiven Verfechtern einer „(Meta-)Politik für das christliche Abendland“ geworden. Sie sind im heutigen Europa kein neues Phänomen, denn christlich denkt und handelt auch die überwiegende Mehrheit der 300 Millionen Mittel- und Osteuropäer in den EU- und Nicht-EU-Ländern. Diese waren (historisch, religiös und geopolitisch bedingt) schon immer freiheitsliebend, traditionalistisch und natio-ethno-kulturell verbunden. Auch die gleichmacherischen traditions-, christen-, völker- und nationenfeindlichen Diktaturen des 20. Jh. konnten ihre Einstellung nicht ändern. Das erklärt unter volkspsychologischem Aspekt, warum sie sich nach dem Sieg über den kommunistischen Totalitarismus (1989) innen- und außenpolitisch anders verhalten haben als ihre westlichen Brüder: bezüglich natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit selbstbewusster und stolzer, bezüglich jeglicher Form von nivellierendem Inter-, Supra- und Transnationalismus vorausschauender und kritischer. Aus diesen Gründen lehnen sie heute auch die aggressiv propagierten freiheits- und ordnungszersetzenden „Globallösungen“ linksliberal-globalistischer Eliten ab. In diesem Sinne darf die christliche Komponente der Metapolitik aus keiner Analyse der beiden großen (meta-)politischen Lager in der EU fehlen. Es geht hier um das authentische, in seinem Wesen freiheitlich-konservative Christentum der ungeteilten, apostolischen Kirche, das von Mittel- und Osteuropäern schon immer praktiziert wurde und von Westeuropäern krisenbedingt gerade wiederentdeckt wird. Dieses Christentum, das von linksliberal-globalistischen Kreisen als „Rechtschristentum“ bezeichnet und zum Feind erklärt wurde, spielt in der freiheitlich-konservativen Metapolitik eine wichtige Rolle. Die Gründe sind nicht schwer zu erraten:

Da sich der christliche Glaube im Westeuropa in einem Spanungsfeld von Nationalidentität/Tradition, Säkularismus/Humanitätsgedanken und Populismus befindet (Dirsch u.a., 2018 u. 2019), herrscht heute große Verwirrung in Bezug auf das Verhältnis zwischen Christentum, Kirche und Volk/Nation – die Folge einer komplexen, nicht ganz spontanen Entwicklung, die in den letzten zwei Jahrhunderten das Fundament der alten geistig-geistlichen und gesellschaftlich-politischen Ordnung Europas zerstört hat, um Platz für eine „neue, fortschrittliche Ordnung“ zu machen.

Christliche Religion in Europa als Hindernis für die Errichtung einer egalitären Weltordnung

Diese „Neue Weltordnung“ wird gerade heute, inmitten einer Weltkrise, durch einen großen Umbruch oder großen Neustart – „The Great Reset“ (Schwab u.a., 2020) – auf europäischer bzw. globaler Ebene errichtet. In diesem Kontext ist die Religion – in Europa das Christentum – ein Hindernis für die Errichtung dieser egalitären Weltordnung. Metapolitisch relevante Bestandteile des Christentums – Tradition, Dogmen, Theologie, Kirche und (Kirchen-)Volk –, die bis heute zu den stützenden Säulen der europäischen Welt zählen und im Mittel- und Osteuropa immer noch eine wichtige Rolle spielen, werden gleichzeitig von außen und von innen bekämpft.

Tradition als geistige Genealogie und gemeinschaftsstiftende Kontinuität christlich-europäischer Völker

Aus der Sicht der ungeteilten Kirche Christi muss die göttliche Unendlichkeit, die den Menschen innerhalb der Heilgeschichte offenbart wurde, immer wieder gedeutet werden, denn es gibt ein ständiges Fortschreiten zu immer neuen Erfahrungen. Der Inhalt der Hl. Schrift muss einerseits gehütet werden und andererseits bedarf er der geistigen Vertiefung im Sinne seines unverfälschten, apostolischen Verständnisses. Wie die Christen glauben, geschieht dies unter der Leitung des Hl. Geistes, der das rechte Verständnis innerhalb der Kirche von Generation zu Generation schenkt und das geistliche Leben leitet. Da der Hl. Geist nicht neue Dinge, sondern alle Dinge neu macht (Offb 21, 5), bleibt die apostolische Auslegung im Wesen die gleiche, sie trägt aber ein dynamisches Prinzip in sich. Die Tradition, d.h. die Hl. Überlieferung ist eine „geistige Genealogie“ (https://www.deutschlandfunk.de/deutsch-orthodoxes-kloster-das-weltliche-leben-als-geistige.886.de.html?dram:article_id=466653) und somit der ununterbrochene Dialog der Kirche und des Kirchenvolks mit Christus. Sie aktualisiert die innere Dynamik der Bibel, in der die gesamte in Christus verwirklichte Offenbarung bewahrt wird, ohne sie zu entstellen. Sie hat also einen doppelten Sinn: sie ist sowohl das Werk der Heiligung und Verkündigung als auch die Weitergabe dieses Werkes unverfälscht und unverkürzt von Generation zu Generation „bis ans Ende der Zeit“ – eine Aufgabe der kirchlichen Hierarchie, des Mönchtums und des ganzen christlichen Volkes (v. Buchhagen, 2021). Ein Traditionsbruch würde also die Verbindung der aufeinander folgenden christlichen Geschlechter mit Christus durch die heiligen Sakramente und die anderen heiligen Handlungen zerstören und den Prozess der Schöpfungsheiligung/-heilung unterbrechen.

Die Kirche beginnt also mit der Tradition und die Tradition beginnt mit der Kirche (Staniloae, 1985, S. 62-68). Ein staatlich oder bischöflich verordnetes Verbot des Kirchenbesuchs und somit auch ein Messverbot (wie in der Coronakrise) oder gar die Zerstörung der Kirche und die Abschaffung des Christentums (wie in realexistierenden kommunistischen und islamistischen Diktaturen oder in den noch nicht verwirklichten Plänen gegenwärtiger Weltordnungsutopisten) würden für lokale Gemeinschaften wie für ganze Völker, Nationen und Kulturkreise die Zerstörung des gemeinschaftlichen Werkes der Heiligung und Verkündigung und die Unterbrechung der geistigen Genealogie bedeuten. Konkret:

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