09.08.2023 13:11:56
GESEHEN
Von Hartmut Wagner
Marion und Gilles, erste Schritte in eine bekannte Zukunft. |
EM – Am Anfang steht das Ja- Wort. Marion und Gilles willigen in ihre Scheidung ein. Mechanisch verließt der Richter den Urteilsspruch. Das Familienvermögen ist verteilt, die Verfügungsrechte über den gemeinsamen Sohn ausgehandelt, der gemeinsame Ehename abgelegt. Nach der Scheidung ist vor der Hochzeit. Von Freude und Erleichterung aber fehlt den frisch Entmählten jede Spur, eher überkommt sie Trauer und Fassungslosigkeit. Wohl um endgültige Klarheit über ihre Gefühle zu erlangen, steigen sie in einem Hotelzimmer ab. Das anschließende Liebeserlebnis offenbart das ganze Zerwürfnis der beiden. Und doch werden sie einfach nicht damit fertig. Gilles: „Und wenn wir es noch mal miteinander versuchen?“
Der französische Filmemacher François Ozon erzählt eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte. Marion und Gilles, zwei flüchtig miteinander bekannte Arbeitskollegen, lernen sich zufällig im Sommerurlaub kennen, verlieben sich, heiraten, bekommen einen Sohn und lassen sich schließlich wieder scheiden. Nichts Außergewöhnliches. Der Reiz des Films liegt in der Erzählperspektive. Ozon schildert das langsame Ableben der Liebesbeziehung rückwärts, von der dramatischen Trennungsszene zurück zu den ersten Schmetterlingen im italienischen Badeort. Durch diesen Kniff leben sich die geschiedenen Eheleute, Marion und Gilles, im Laufe des Films zusammen.
„Fünf mal Zwei“ ist ein Drama in fünf Akten: Scheidung, Ehealltag, Geburt des Sohnes, Hochzeit, Kennenlernen. Mit Ausnahme der Kindesgeburt steht in allen Teilen die Sexualität des Paares im Mittelpunkt. (Seltsamerweise hat der Film keine Altersbeschränkung.) Die Bettszenen dienen als Indikator für die sich verschärfende Krise der Liebesbeziehung. Marion betrügt ihren sternhagelvollen Gatten in der Hochzeitsnacht, er prahlt später, er hätte sie mit beiden Geschlechtern, Männern und Frauen, in einer Orgie betrogen
Im Mittelpunkt steht die Liebe, nicht der Charakter der Verliebten. Marion und Gilles verkörpern die jedermann bekannte Suche nach der großen Liebe. Sie ist nichts, das einem während des sommerlichen Pauschalurlaubs zufällig über die Strandmatte läuft, vielmehr muß sie sich täglich aufs Neue behaupten – so ließe sich Ozons Botschaft interpretieren. Neben Gefühlen brauche Liebe die richtige Mischung aus Kompromißbereitschaft und Einfühlungsvermögen. Marion hat ersteres im Übermaß, Gilles Fähigkeit zur Empathie ist gelinde gesagt mäßig. Und so scheitern die beiden vor allem an sich selbst. Sie ist von ihrem Liebesideal derart trunken, daß sie gleich einem Stehaufmännchen jede Abweichung davon ignoriert, er ist zum Alleinsein zu lüstern, für die Partnerschaft zu egozentrisch.
Die Schlußszene trieft geradezu von Bilderbuchromantik. Feuerroter Sonnenuntergang. Marion und Gilles schlendern langsam durchs flache Wasser einer einsamen Meeresbucht. Der Zuschauer weiß inzwischen, wohin ihr Weg führt, daß die Liebe der beiden in die Brüche gehen wird. Für den Regisseur ist das jedoch unwesentlich, Liebe müsse man auskosten. „Das Wichtige dabei ist, die Geschichte gelebt zu haben. Ich wollte sogar, daß die letzte Aufnahme des Paares den Wunsch im Publikum weckt, es selbst noch einmal zu erleben, aufs Neue daran zu glauben.“
Frankreich 2004
90 Minuten
Regie: François Ozon
Darsteller: Valeria Bruni-Tedeschi, Stéphane Freiss, Géraldine Pailhas, Françoise Fabian
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