09.08.2023 13:11:56
GELESEN
Von Eberhart Wagenknecht
„Das Niemandsland ist unseres: West-östliche Betrachtungen“ von SAID |
s sind Erkenntnisse wie diese, die in des Dichters Herz sehen lassen: „wer ein engel ist, bestimmt oft die geschichte. am vorabend der islamischen revolution erschien vielen ayatollah chomeini als engel. als dann die mullas ihre macht mit einem beispiellosen terror befestigt hatten, zeigten sie ihr wahres gesicht.“
Der Glaube an den oder jenen Engel hat schon viele enttäuscht. Doch nicht alle vermögen den Verlust eines Gottes und der Geborgenheit so präzise zu verorten wie SAID: „gottes ist der orient! gottes ist der okzident!“ Diesem Satz Goethes fügt der ostwestliche Flüchtling seinen eigenen profanen hinzu: „das niemandsland dazwischen ist unseres. wir können es nur mit liebe befruchten.“
Grenzgänger zwischen den Kulturen
Überall wird SAID mit diesen Zeilen zitiert. Der Dichter und Essayist wird vorgestellt als eine Brückenschlag-Existenz. Morgenland und Abendland verstrickt er in ein Gespräch über gemeinsame Wurzeln, über berühmte Grenzgänger zwischen den Kulturen und über Möglichkeiten einer respektvollen Annäherung. Um diese drei Motive kreisen die Texte dieses sehr persönlichen und zugleich politisch hochaktuellen Buches. Sie spiegeln die Facetten und Lebenswerte der Persönlichkeit: Freiheit und Demut, Engagement und Besinnung, Verehrung und Spott.
Er schreibt auf Deutsch. Aber nicht wie ein deutscher Dichter. Er sagt von sich: das Persische ergreift mich, zum Deutschen greife ich. Darin drückt er sich aus, für seine vielen Leser, die er nun einmal in Deutschland hat.
Den Hauptteil in seinem großen Essay bildet das Schicksal des persischen Dichter Hafis. SAID selbst ist seit 37 Jahren auf der Flucht. Er wurde 1947 in Teheran geboren und ging 1965 als Student nach München. Sein politisch-demokratisches Engagement in diesen wilden 60ern der Anti-Schah-Demonstrationen und der Apo machte eine Rückkehr in den Iran unmöglich. Erst nach dem Sturz des Schahs, 1979, betrat er zum ersten Mal wieder iranischen Boden. Zu dieser Zeit lebte der aus dem französischen Exil zurückgekehrte Ayatollah Khomeini, der vermeintliche Engel der Revolution, bereits wieder im Iran und bereitete die Revolution von 1978/79 vor. SAID sah jedoch wie beschrieben auch unter dem Regime der Mullahs keine Möglichkeit zu einem Neuanfang seiner Existenz in der Heimat. Es gab ihn nicht, den Engel der Revolution. SAID lebt seither wieder im deutschen Exil. Der Freie Deutsche Autorenverband verlieh ihm im März dieses Jahres seinen Literaturpreis.
Das Kind – seit 37 Jahren auf der Flucht
Über sich und sein Leben in der Fremde hat SAID in dem Essayband geschrieben:
„das kind, nun seit 37 jahren auf der flucht – auch mit seinen lügen. …“
„hier bist du gealtert, auf der flucht…“
„doch was du suchst, was du noch immer europa nennst, ist es nicht die summe jener substanziellen schönheiten, die du von deinem europa gelernt hast?
Dass gleicheit die brüderlichkeit nicht ausschließt;
Dass brüderlihkeit die freiheit bedingt;
Dass freiheit immer die freiheit der andersdenkenden ist;
Dass die wahrheit keine uniform verträgt und immer neue masken benötigt;
Dass ethik weder nationale noch andere grenzen kennt.
Und genügt dir nicht, mein freund, was du mit dem herzen gelernt hast? Genügt dir nicht der weg, der dich beflügelt, der dich begleitet – bis an die außenhaut der liebe?“
*
Rezension zu: „Das Niemandsland ist unseres: West-östliche Betrachtungen“ von SAID, Diederichs Verlag 2010, 112 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-3424350333.
Siehe auch: EM 07-2009 „Goldapfelsins Tochter – Märchen aus Persien“ mit einem Vorwort von SAID.
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