Demokratie und kein ZurückPRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN IN KASACHSTAN

Demokratie und kein Zurück

Demokratie und kein Zurück

Kasachstan wählt einen neuen Staatspräsidenten. Glaubt man den Umfrageforschern, dann wird das riesige Land im Herzen Eurasiens auch in den nächsten sieben Jahren von Nursultan Nasarbajew regiert – er ist bereits seit 1991 an der Macht. Ein Kommentar.

Von Askar Schomanow

Dr. Askar Jumbajewitsch Schomanow  
Dr. Askar Jumbajewitsch Schomanow  

Je näher die Präsidentschaftswahl in Kasachstan rückt, desto lauter werden Rufe nach beschleunigten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen, sowohl im Inneren der ehemaligen Sowjetrepublik als auch im westlichen Ausland. Wenn die Wähler am 4. Dezember ihre Stimme abgeben, kommt es jedoch in erster Linie darauf an, daß die kontinuierliche Demokratisierung des Landes weiterverfolgt wird.

Die Präsidentschaftswahl ist gewiß vor dem Hintergrund der sogenannten „Farbigen Revolutionen“ in anderen postsowjetischen Staaten zu analysieren. Den Symbolen der siegreichen Opposition entsprechend ist von der „Rosen-“ (Georgien), der „orangenen“ (Ukraine) und der „Tulpenrevolution“ (Kirgisien) die Rede. So übersichtlich der außenpolitische Kontext ist, so kompliziert stellt sich die Situation im Inneren der Republik Kasachstan dar. Ein Grund hierfür ist die Zahl politischer Akteure, die seit der letzten Präsidentschaftswahl von 1999 stark angewachsen ist. Zwölf Kandidaten hatten ihre Bewerbung bei der Zentralen Wahlkommission eingereicht: fünf wurden zur Wahl zugelassen, drei von ihnen hegen ernstzunehmende Aspirationen auf die Präsidentschaft.

Ein Favorit – zwei Herausforderer

Der Kandidat mit den besten Aussichten ist der gegenwärtige Staatspräsident Nursultan Nasarbajew. Wenngleich seine Haltung gegenüber der Demokratie mitunter scharf kritisiert wird, vertreten die meisten Experten die Ansicht, daß Nasarbajew die besten Chancen hat, die Wahl zu gewinnen. Damit würde er weitere sieben Jahre an der Spitze des zentralasiatischen Landes stehen.

Präsident Nasarbajew genießt großes Vertrauen in der Mehrheit des kasachischen Volkes, aufgrund der erfolgreichen sozioökonomischen Reformen, die er in den letzten Jahren durchgeführt hat. Politische Beobachter gehen davon aus, daß die kasachischen Wähler dem Vorbild westlicher Wähler folgen und ihre Stimmabgabe davon abhängig machen, was für ihre finanzielle Lage am förderlichsten ist. Im Fall Kasachstan bedeutet das, daß sie sich in der Mehrheit für den Amtsinhaber entscheiden und nicht für einen der Herausforderer, da diese vor allem nicht-wirtschaftliche Interessen der Kasachen ansprechen.

Nasarbajews Hauptkonkurrent ist der ehemalige Sprecher des Majilis (Unterhauses), Jarmachan Tujakbai. Er tritt als Kandidat eines Bündnisses mehrerer Oppositionsparteien an. Jüngste Umfragen weisen Tujakbai als populärsten Vertreter der Opposition aus.

Neben Nasarbajew und Tujakbai der dritte ernstzunehmende Kandidat ist Alichan Baimenow. Er hat große Arbeitserfahrung in hohen Regierungsämtern, u.a. war er Chef der Präsidialadministration. Nach seinem Ausscheiden aus dem Verwaltungsdienst schloß sich Baimenow der Opposition an und hat sich dort während der vergangenen fünf Jahre einen Namen gemacht. Sein Image als „konstruktiver“ Oppositionspolitiker wurde allerdings in diesem Jahr etwas getrübt, als er öffentlich mit der stärksten Oppositionsbewegung brach. Die beiden anderen Kandidaten, Erasyl Abylkasymow und Mels Eleusisow dürften keinen ernstzunehmenden Einfluß auf den Ausgang der Wahlen haben.

  Präsidentschaftswahlen in Kasachstan
  Präsidentschaftskandidaten müssen die kasachische Staatsbürgerschaft besitzen und das 40. Lebensjahr vollendet haben.

Außerdem ist vorgeschrieben, daß sie seit mindestens 15 Jahren ihren ständigen Wohnsitz in Kasachstan haben und über hinreichende Kenntnisse der kasachischen Sprache verfügen.

Die Amtszeit des Präsidenten beträgt sieben Jahre.

Im Einklang mit der Verfassung von 1995 kann ein Präsident maximal zwei Amtsperioden ausüben.

Fast drei Viertel der Kasachen wollen Nasarbajew wiederwählen

Alle Oppositionskandidaten haben indes nur eine geringe Chance, die Präsidentenwahl für sich zu entscheiden. Die Meinungsumfragen seit dem Frühjahr zeigen relativ konstant, daß Nasarbajew mit einer Zustimmungsrate von rund siebzig Prozent ein fulminanter Sieg bevorsteht.

Dennoch ist der Ausgang der Wahl von erheblicher Bedeutung für die langfristige politische Entwicklung Kasachstans. Wichtig ist vor allem, wer hinter Nasarbajew den zweiten Platz einnehmen wird. Denn falls Nasarbajew weitere sieben Jahre Staatspräsident bleibt, wird dies laut der Verfassung seine letzte Amtsperiode sein. Der Zweitplazierte der Wahl hat dann mit Sicherheit eine gute Ausgangsposition für die nächsten Präsidentschaftswahlen.

Die politische Landschaft in Kasachstan ist seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 immer komplexer geworden. Der Grund hierfür sind erhebliche Veränderungen innerhalb der politischen Eliten in Kasachstan. Die liberalen Reformen haben eine starke Mittelschicht entstehen lassen, die sich zunehmend politisiert, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen. So wurde eine vielseitigere Gesellschaftsstruktur geschaffen, deren Einfluß auf die Politik zunehmend stärker wird.

Revolutionen führen nicht zwangsläufig zu mehr Demokratie

Die „Farbigen Revolutionen“ in anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zwingen alle politischen Kräfte in Kasachstan zu einem frischen Blick auf den Demokratisierungsprozeß im Lande. Die jüngsten Ereignisse in Kirgisien zeigen allerdings, daß diese Revolutionen die Demokratie nicht unbedingt befördern und außerdem die Modernisierung der Gesellschaft verzögern.

Die Wahrscheinlichkeit einer  Tulpenrevolution wie in Kirgisien ist für Kasachstan sehr gering. Dennoch hat die kasachische Republik mit denjenigen Ländern, in denen es zu „Farbigen Revolutionen“ gekommen ist, eine wesentliche Gemeinsamkeit: Aufgrund der unzureichend entwickelten Zivilgesellschaft partizipiert der Großteil der Bevölkerung nur sehr begrenzt am politischen Geschehen. Die politischen Entscheidungen werden noch vorwiegend auf der Ebene der politischen Eliten getroffen.

Eine politische Destabilisierung nach kirgisischem Vorbild kann in Kasachstan langfristig nur dann vermieden werden, wenn die politisch Verantwortlichen stärker mit der Zivilgesellschaft interagieren. Die Grundlage für eine solche Interaktion wurde durch die Gründung des „Nationalen Komitees für Demokratisierung und Zivilgesellschaft“ geschaffen, welches dem Staatspräsidenten direkt verantwortlich ist. Das Komitee arbeitet Empfehlungen zur weiteren Demokratisierung des politischen Systems aus. Zudem ist es an der Entwicklung und Implementierung allgemeingültiger Regeln für alle Akteure in der kasachischen Politik beteiligt.

Die Geschwindigkeit, mit der Kasachstan seine Transformation zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild vollzieht, ist nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die Qualität dieser Entwicklung. Sie muß garantieren, daß die Interessen aller politischen Kräfte im politischen Prozeß artikuliert werden können und der Weg hin zur Demokratie nicht wieder verlassen werden kann.

*

Der Autor: Dr. Askar Jumbajewitsch Schomanow (35) ist Politologe und derzeit stellvertretender Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik in Almaty, Kasachstan.
(Übersetzung: Christian Jansen)

GUS Zentralasien

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene Artikel

  1. Die Coronakrise aus der Sicht einer russischen Psychiaterin
  2. Kurden - Geschichte, Kultur und Hintergründe
  3. Die Perser - Geschichte und Kultur
  4. Putin: Russland ist kein Land sondern eine eigenständige Ziviisation
  5. Chinesische Frauen: Erotisch, anschmiegsam und sehr erfolgreich

Eurasien-Ticker