„Die Wut der arabischen Welt – Warum der jahrhundertelange Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen weiter eskaliert“ von Bernard LewisGELESEN

„Die Wut der arabischen Welt – Warum der jahrhundertelange Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen weiter eskaliert“ von Bernard Lewis

(Originaltitel: „The Crisis of Islam“) Campus Verlag, Frankfurt/ New York 2003, 192 Seiten, ISBN 3-593-37343-2.

Von Friedrich Mannstein

 
„Die Wut der arabischen Welt – Warum der jahrhundertelange Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen weiter eskaliert“ von Bernard Lewis 

EM – Eine beliebte Szene in Reportagen über den 11. September 2001 ist es, einen US-Bürger auf seiner Ranch irgendwo zwischen Missouri und Mississippi zu befragen, ob er sich vorstellen könne, woher der Haß fundamentalistischer Muslime auf die Vereinigten Staaten von Amerika komme. Meist sucht man sich einen Interviewpartner, der so aussieht, als käme er direkt von den Dreharbeiten einer Marlboro-Reklame nach Hause. Gerade hat er sein spritverschlingendes Straßengefährt in der Scheune untergebracht. Um dann unter dem wehendem Sternenbanner in seinem Vorgarten seinen Cowboyhut zurechtzurücken und völlig verständnislos zu antworten, woher dieser Haß kommt würde ihn auch mal interessieren.

Reconquista, Kreuzzüge und Imperialismus

Bernard Lewis, der an der US-amerikanischen Princeton Universität Nahost-Studien lehrt, hat sein jüngstes Buch eben dieser Frage gewidmet, die dem Rancher solches Kopfzerbrechen bereitet. In sehr gut verständlichem Schreibstil untersucht er deshalb zunächst die religiösen Wurzeln des „jahrhundertelangen Konflikts zwischen dem Islam und dem Westen“ und schildert dann das ausgeprägte Geschichtsbild der arabischen Muslime. Dies setze sich, vereinfacht gesagt, aus zwei Epochen zusammen. Einerseits die Herausbildung des islamischen Weltreiches, an deren Anfang die sogenannte Hidschra steht, die Übersiedlung des Propheten Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahr im Jahr 622. Andererseits die zweite Epoche, mit ihren langen, über Jahrhunderte währenden Kämpfen gegen die „ungläubige“ Welt. Begriffe wie Reconquista, Kreuzzüge und Imperialismus sind kennzeichnend für diese Auseinandersetzung.

Der islamische Fundamentalismus erfreue sich großen Zulaufs, da Kapitalismus und Sozialismus in den Augen vieler Araber gescheitert seien. Fundamentalisten sind nach Lewis Muslime, „die für die gegenwärtigen Probleme der islamischen Welt nicht eine versäumte oder unzureichende Modernisierung verantwortlich machen, sondern die Ursache vielmehr in einer exzessiven Modernisierung sehen, die in ihren Augen einem Verrat an den unverfälschten islamischen Werten gleichkommt.“ Aufbauend auf seinen weithin bewunderten Kenntnissen über den islamischen Glauben weist Lewis nach, daß Terroranschläge, wie sie seit dem 11. September im Namen des Islams verübt wurden, mit dem Koran nicht zu rechtfertigen sind. Selbstmord gelte im islamischen Glauben als Todsünde, Terrorismus oder Mord werde an keiner einzigen Stelle der klassischen islamischen Texte gebilligt. Außerdem führt er die in der Scharia verankerte Pflicht zur religiösen Toleranz an.

Der Kampf für die US-Hegemonie

Auffallend ist, daß der 1916 in London geborene Islamwissenschaftler ausschließlich den islamischen Fundamentalismus für die jüngste Eskalation in dem „Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen“ verantwortlich macht. Sein folgendes Statement zur US-Politik im arabischen Raum ist rein beschreibend. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Militär- und Wirtschaftspolitik insbesondere der USA und Großbritanniens wird völlig ausgelassen.

Nach Lewis besteht das Hauptanliegen der USA im Nahen Osten darin, „dem Entstehen einer regionalen Hegemonie vorzubeugen – einer Regionalmacht, die das Gebiet dominieren und damit das Monopol über die Erdölreserven am Persischen Golf an sich reißen könnte. Das ist das zentrale Motiv der amerikanischen Politik gegenüber dem Irak und dem Iran, und das wird es gegenüber jeder anderen Macht ebenfalls sein, die künftig als Bedrohung der US-Interessen in der Region empfunden werden sollte.“ Kurz: Die Amerikaner kämpfen dagegen, daß ein kleiner Hegemon ihrer eigenen umfassenden Hegemonialstellung gefährlich werden könnte.

Egozentrisch durchkalkulierte machtpolitische Zielvorgaben dieser Art, wie man sie sich derzeit ausschließlich in den USA zu formulieren traut, müssen aber für die Terrorwelle der vergangenen Jahre ebenso verantwortlich gemacht werden wie der islamische Fundamentalismus. Diesen Aspekt spart Lewis in seinem Buch völlig aus. Zur umfassenden Erleuchtung, sollte sich der ratlose Kuhjunge vom Mississippi deshalb noch ein Zweitbuch aus der alten Welt zuschicken lassen.

Arabien Rezension USA

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