„Die geplante Teheraner Ölbörse kann zum Startschuß für die Ablösung des Dollars als Weltleitwährung werden.“IRAN

„Die geplante Teheraner Ölbörse kann zum Startschuß für die Ablösung des Dollars als Weltleitwährung werden.“

„Die geplante Teheraner Ölbörse kann zum Startschuß für die Ablösung des Dollars als Weltleitwährung werden.“

Der Iran will auf der Insel Kish im Persischen Golf eine Ölbörse eröffnen, an der nicht mehr in Dollar, sondern in Euro abgerechnet wird. Behrooz Abdolvand, gebürtiger Iraner, Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin, analysiert im Gespräch mit dem Eurasischen Magazin Chancen und Auswirkungen dieses Vorhabens.

Von Hans Wagner

  Zur Person: Behrooz Abdolvand
  Behrooz Abdolvand, geboren 1956 im Iran, ist Dr. phil., Politikwissenschaftler, Lehrbeauftragter und  Forscher an der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin.
Behrooz Abdolvand  
Behrooz Abdolvand  

Eurasisches Magazin: Für April hat Teheran die Gründung einer eigenen Ölbörse angekündigt. Das iranische Öl und der Ölhandel weiterer Länder aus dem asiatischen Raum sollen dann weitgehend in Euro abgerechnet werden. Halten Sie das für realistisch?

Behrooz Abdolvand: In vertraulichen Gesprächen mit iranischen Diplomaten wurde mir versichert, dass die Islamische Republik nicht beabsichtigt, den Ölhandel an der geplanten Ölbörse nur in Euro abzurechnen. Vielmehr soll den Marktteilnehmern die Möglichkeit eröffnet werden, neben dem Dollar auch in Euro handeln zu können. Somit ist das keine finanzpolitische Kriegserklärung an die USA, sondern die Besetzung einer handelspolitischen Nische. Langfristig soll sie die Marktteilnehmer durch Abkopplung des Ölhandels vom Dollar vor Wechselkursschwankungen schützen, indem es zur Bildung eines stabileren Währungskorbes für die Fakturierung des Ölgeschäftes kommt. Insoweit erscheint mir das Konzept realisierbar.

EM: Kann der Iran die Informationstechnologie und die Fachleute für eine international tätige Ölbörse aufbieten?

Abdolvand: Meines Wissens nach ist die nötige informationstechnologische Infrastruktur für den elektronischen Börsenhandel, dank der Kooperation mit europäischen Firmen, bereits vorhanden. Außerdem werden seit Jahren Fachleute für das Management dieser Börse nicht nur an der Teheraner, sondern beispielsweise auch an der Oxford Universität ausgebildet. Nachdem der Iran jedoch bereits mehrfach die Eröffnung der Börse verschoben hat, bleibt es fraglich, wie ernst es Teheran mit der Realisierung dieser Börse tatsächlich ist.

EM: Welche Bedeutung hat die Tatsache, dass der Ölhandel bislang so gut wie ausschließlich in Dollar abgewickelt wird, für Wirtschaft und Währung der USA?

Abdolvand: Täglich wird weltweit mit Öl im Wert von mehr als 5,5 Milliarden US-Dollar gehandelt. Jährlich summiert sich das auf 1.500 Milliarden US-Dollar. Durch die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis verdoppelt sich die Summe. Marktteilnehmer müssen über ausreichend Dollarreserven verfügen, um sich am Geschäft beteiligen zu können. Somit tragen der Öl- und der Gashandel zu einer erhöhten Nachfrage nach US-Dollar bei. Außerdem stimulieren die von den Erdöl- und Erdgas exportierenden Ländern erzielten Überschüsse über Investitionen in den US-Markt oder durch Ankauf von US-Staatsanleihen die amerikanische Wirtschaft. Das weltweite Öl- und Gasgeschäft übt einen stark stützenden Effekt auf den US-Dollar aus.

Neben dem Iran wollen auch Norwegen, Frankreich und Russland in Euro abrechnen

EM: Welche Länder – außer dem Iran – werden künftig möglicherweise ihren Ölhandel in Euro abrechnen?

Abdolvand: Neben dem Iran, hat sich der norwegische Börsendirektor Sven Arild Andersen mit einem ähnlichen Plan zur Eröffnung einer auf dem Euro basierten skandinavischen  Öl- und Gasbörse zu Wort gemeldet. Ihm zufolge haben Russland und Staaten des Nahen Ostens ihrerseits ein Interesse an solch einem Projekt bekundet. Venezuela macht momentan seine Ölgeschäfte mit Drittweltländern entweder in Form von Bartergeschäften (Ware gegen Ware) oder auf Eurobasis. Nach Angaben des Handelsblattes hat der französische Industrieminister Francois Loos kürzlich eine größere Rolle des Euros im Ölgeschäft gefordert. Diese Forderung wird auch von der russischen Gasprom unterstützt.

EM: Wird mit dem Plan Teherans der US-Dollar als Weltleitwährung zur Disposition gestellt?

Abdolvand: Mit Sicherheit nicht mit einem isolierten Akt der Teheraner Regierung. Kurzfristig ist auch schon aufgrund des begrenzten Handelsvolumens der geplanten Börse nicht mit einer ernsthaften Herausforderung des US-Dollars als Weltleitwährung zu rechnen. Mittel- bis langfristig kann sich dieser Akt aber, zum Beispiel auch durch den Druck aus dem französischen Finanzministerium zur parallelen Euro Fakturierung des Öl- und Gasgeschäfts,  zum Startschuss für die Ablösung des Dollars als Weltleitwährung werden.

EM: Was würde das für die Weltwirtschaft bedeuten?

Abdolvand: In Anbetracht der Tatsache, dass weltweit viele Zentralbanken große Mengen an Dollarreserven angehäuft haben, würde ein kurzfristig stattfindender Umsturz des US-Dollars als Weltleitwährung alle teuer zu stehen kommen. Es lässt sich aber durchaus ein stetiger Trend zur Diversifizierung der nationalen Geldreserven hin zu höheren Anteilen des Euros ausmachen. Das Zustandekommen einer Ölbörse, die den Handel in Euro anbietet, kann diesen Trend verstärken. Mittel- bis langfristig führen das immense amerikanische Handelsdefizit, das Etatdefizit und die jährlich anfallenden Zinsen der Schulden zur Abwertung des Dollars. Eine Reform des dollarbasierten Weltwirtschaftssystems, weg von der Monopolstellung des Dollars hin zu einem Weltwährungskorb bestehend aus verschiedenen Währungen, wird dadurch fällig. Politisch wird sich die Welt damit endgültig von einer unipolaren Weltordnung zu einem multipolaren System entwickeln.

EM: Was könnte das an Folgen für den Euro nach sich ziehen?

Abdolvand: Parallel zum Dollar würde der Euro sich als Weltwährung durchsetzen mit all seinen positiven, wie auch negativen Folgen.

Eurasien wird künftig immer stärker gemeinsame Interessen formulieren

EM: Und wie muss man sich die geostrategischen Folgen vorstellen, wenn der Dollar seine  Rolle als einzige Weltwährung verliert?

Abdolvand: Die geostrategischen Folgen lassen sich jetzt bereits skizzenhaft erkennen. Der eurasisch-kontinentale  Block ist im Entstehen begriffen. Die gegenseitige Annäherung der EU, Russlands und Chinas, basierend auf energiepolitischer Zusammenarbeit, weist in diese Richtung. Dabei nähern sich die Staaten Eurasiens nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet an, sondern sie sind sich auch in der Ablehnung einer von den USA dominierten Weltordnung einig. So sind bereits erste institutionelle Rahmenbedingungen dafür in der so genannten Schanghaigruppe gesetzt worden, in der Russland, China und  die zentralasiatischen Staaten vereinigt sind und Länder wie der Iran und Indien Beobachterstatus einnehmen. Die Tatsache, dass sowohl die größten Erdöl- und Erdgasproduzenten  wie Russland, die zentralasiatischen Staaten und die Golfstaaten wie auch die großen Energieimporteure Indien, China und Europa auf derselben Landmasse vereinigt sind, wird zwangsläufig zu einem Zusammengehen der Interessen der Länder des eurasischen Raumes führen. Dabei wird Europa eine größere  Bedeutung gewinnen und eine verstärkte Kooperation mit den eurasischen Ländern als Handelspartner auf Kosten der transatlantischen Beziehungen eingehen.

EM: Wie äußert sich diese neue Qualität eurasischer Gemeinsamkeiten?

Abdolvand: Die Auseinandersetzungen um den Irakkrieg, in dem sich Europa zusammen mit China und Russland  gegen eine Intervention gestemmt hat, haben den Trend schon deutlich werden lassen. Auch in der iranischen Atomproblematik machen sich Differenzen zwischen China, Russland und den USA bemerkbar. Obwohl Washington mit Sanktionen und Interventionen droht, ist im Iran eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen französischen, britisch-niederländischen und russischen Energiekonzernen zu beobachten, wie beispielsweise. bei der Gaslagerstätte „Südpars“ zwischen Total, Shell, Gas de France und Gasprom. Deutlich ist der Widerwille der eurasischen Großmächte zu spüren, sich einer unipolaren Weltordnung zu unterwerfen. Dabei spielt natürlich die Abdankung des US-Dollars als Weltleitwährung und die stattdessen erfolgende Bildung eines gemischten Währungskorbes eine besondere Rolle.

EM: Herr Abdolvand, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

*

Zum gleichen Thema ist erschienen: Behrooz Abdolvand, Matthias Adolf „Verteidigung des Dollars mit anderen Mitten – der ‚Ölkrieg’ im Kontext der kommenden Währungsbipolarität“, Blätter für deutsche und internationale Politik, 2/2003, S. 175-186 (im Netz).

Interview Iran Orient Wirtschaft

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