Finanzkrise: Das Paradox des HyperkapitalismusEM-INTERVIEW

Finanzkrise: Das Paradox des Hyperkapitalismus

Finanzkrise: Das Paradox des Hyperkapitalismus

Bankangestellte sind austauschbar, weil sie nur noch in Kombination mit einer bestimmten Software und bestimmten Prozessen funktionieren. Kaufmännische Entscheidungen erfolgen nicht mehr auf nüchterner Kalkulation - Wirtschaft betreibt man nach Stimmungslage. Weltweit werden die Risiken vernachlässigt, und die Wirtschaftsleistung bricht in der Folge simultan ein. So charakterisiert Prof. Dr. Max Otte, Experte für Unternehmen, Wirtschaft und Finanzmärkte, im Gespräch mit dem Eurasischen Magazin, das Verhalten vieler Banker und Manager. In dieser Synchronität sei das ein neues Phänomen.

Von Hans Wagner

  Zur Person: Max Otte
  Prof. Dr. Max Otte ist Experte für Unternehmen, Wirtschaft und Finanzmärkte. Er hat an der Universität Köln und der American University in Washington, D.C. studiert und an der Princeton University promoviert.

Heute lehrt Otte als  Professor mit Schwerpunkt Finanzwesen an der Fachhochschule Worms. Seit 1999 baut er als geschäftsführender Gesellschafter das IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH auf.

In seinem Buch „Der Crash kommt“ prognostizierte er bereits im Sommer 2006 die internationale Finanzkrise und ihre Auswirkungen. Das Buch hielt sich mehr als zwei Jahre auf den oberen Plätzen der Bestsellerlisten.

Insgesamt hat Max Otte mehr als ein Dutzend Bücher geschrieben und war für mehr als 100 Organisationen beratend tätig, darunter die Weltbank, das Bundesministerium für Wirtschaft und die Vereinten Nationen.

Lesen Sie auch: Bücher zum Interview: „Der Crash kommt – die neue Weltwirtschaftskrise und wie Sie sich darauf vorbereiten“ und „Investieren statt sparen – wie man mit Aktien ein Vermögen aufbaut“ von Max Otte.
Max Otte  
Max Otte  

E urasisches Magazin: Wie kommt es, dass vor ein paar Monaten Menschen weltweit wie auf Kommando angefangen haben keine Autos mehr zu kaufen, ihre Hypothekenraten nicht mehr zu bezahlen und überhaupt den Konsum zu verweigern? Hat das etwas mit Telepathie zu tun?

Max Otte: In gewisser Weise ja. Wenn im modernen Kapitalismus Geld die einzige Steuerungsgröße ist, dann darf man auch nicht überrascht sein, wenn sich alle nach den finanziellen Erwartungen richten und wenn Konsum und Investitionen einbrechen, sobald sich der Ausblick massiv verschlechtert.

„Derzeit merken wir, wie in fast allen Ländern und Branchen die Wirtschaftsleistung simultan einbricht. In dieser Synchronität ist das ein neues Phänomen.“

Eurasisches Magazin: Was meinen Sie damit?

Otte: In einem traditionellen Handwerksbetrieb würde ein Tischler vielleicht erst einmal weiterarbeiten und sein Lager aufstocken. Ein Bauer kann auch nicht von heute auf morgen seinen Hof verändern. In einer traditionellen Bank, in welcher der Bankangestellte breit ausgebildet ist, würde man auch nicht sofort Menschen entlassen, weil sie gerade weniger zu tun haben. Das wäre viel zu teuer.

Im modernen Hyperkapitalismus sind aber die Prozessketten „optimiert“ und damit auch steuerbar. Alles hängt direkt von allem ab – und zwar in einem globalen Ausmaß. Viele Bankangestellte und Angestellte anderer Unternehmen sind austauschbar, weil sie nur noch in Kombination mit einer bestimmten Software und bestimmten Prozessen funktionieren, wie zum Beispiel die Hotels und viele Dienstleistungen. Derzeit merken wir, wie in fast allen Ländern und Branchen die Wirtschaftsleistung simultan einbricht. In dieser Synchronität ist das ein neues Phänomen. Dem System fehlen Reserven und Redundanzen sowie Ziele, die über die reinen kurzfristigen Finanzziele hinausgehen.

Im Übrigen ist es schon etwas paradox, wenn immer die „Psychologie“ beschworen wird. Kaufmännische Entscheidungen sollten auf nüchterner Kalkulation beruhen. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung schon in den letzten Jahren von der Psychologie getragen war, dann kann man das auch so interpretieren, dass auf breiter Front dazu eingeladen wurde, die nüchterne Kalkulation zu unterlassen, Wirtschaft nach Stimmungslage zu betreiben und Risiken zu vernachlässigen. Das gilt für Banken, Produzenten und Konsumenten.

„Die gehandelten Vermögenswerte waren oftmals fiktiv und sind jetzt verpufft.“

EM: Diese globalen Verhaltensweisen haben das ausgelöst, was man weltweit als Finanzkrise bezeichnet. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat den Ausdruck zum Wort des Jahres gekürt, weil es die dramatische Entwicklung im Banken-, Immobilien- und Finanzsektor so treffend kennzeichne. Was steckt hinter dieser dramatischen Entwicklung? Wo ist das Geld denn geblieben? Verbrannt ist es ja wohl nicht wirklich?

Otte: Das Geld war schon vorher nicht da. Nach dem September 2001 hat der damalige Vorsitzende der amerikanischen Notenbank FED, Alan Greenspan, eine beispiellose Aufblähung der Geldmenge in Kauf genommen. Da die Wirtschaft aber nicht wirklich dynamisch war, suchte sich das Geld ein Vehikel – und das waren die amerikanischen Hypothekenkredite. Durch leichtsinnige Kreditvergabe entstand eine Häuserpreisblase, ein „Asset Bubble“. Das Haus, in dem ich mit drei anderen Doktoranden in Princeton gelebt hatte, kostete 1991 120.000 Euro, 2002 ging es für 360.000 Dollar weg, 2005 war sein Wert auf 800.000 Dollar geklettert.

Diese Werte waren fiktiv und durch die künstliche Nachfrage aufgrund der leichten Kredite verursacht. Verdient haben Spekulanten - aber nur die wenigen, die 2007 rechtzeitig ausgestiegen sind - Häuserbaufirmen, Investmentbanker, Wirtschaftsprüfer und die Ratingagenturen, und zwar VOR dem Crash. Die gehandelten Vermögenswerte hingegen waren tatsächlich oftmals fiktiv und sind jetzt verpufft.

„Das Spiel wird von den Leichtgläubigen, den Selbsthypnotisierten und den Zynischen gespielt.“

EM: Spekulanten, Banker, geldgierige Manager werden als Schuldige genannt. Ist es wirklich möglich, dass eine Handvoll krimineller, unanständiger, leichtfertiger oder naiver Leute das Finanzsystem auf dem gesamten Globus ins Wanken bringen?

Otte: Diese Gruppen tragen sicherlich einen erheblichen Teil der Schuld. Gleichzeitig ist aber auch das Versagen der Politik auf breitester Front festzustellen. Wenn die Politik keine Leitplanken einzieht und Sicherheitsvorschriften erlässt, sondern den Investmentbankern hörig hinterherläuft, dann kann es eben zu einem solchen Unfall wie jetzt kommen. Auch ganz normale Anleger trifft ein Teil der Schuld. Allerdings will ich diese Aussage stark einschränken: bei vielen, die in den letzten Jahren als Normalanleger von der Marketingmaschinerie der Banken Zertifikate ins Depot gedrückt bekamen, konnte man nicht erwarten, dass sie das intellektuelle Rüstzeug hatten, das zu beurteilen und sich dagegen zu wehren. Hier wären erheblich strengere Vorschriften der Politik notwenig gewesen.

Der konservative U.S-Superinvestor Warren Buffett schrieb 1968 eine Einschätzung angesichts der Blase Ende der sechziger Jahre, die sich eins zu eins auf heute übertragen lässt: „Spektakuläre Geldbeträge werden jetzt von denjenigen im Stile eines Kettenbriefes gemacht, die jetzt im Kapitalmarkt aktiv sind (ob sie Emittenten, Topmanager, professionelle Berater, Investmentbanker, Spekulanten oder sonst was sind…). Das Spiel wird von den Leichtgläubigen, den Selbsthypnotisierten und den Zynischen gespielt. Um die richtigen Illusionen zu erzeugen, sind oftmals Verzerrungen und Verfälschungen bei Buchhaltung und Bilanzierung notwendig (ein sehr „fortschrittlicher“ Unternehmer sagte mir, dass er auf „kühne, phantasievolle Bilanzierungspraktiken“ baue), Tricks bei der Marktkapitalisierung oder die Verschleierung der tatsächlichen operativen Geschäfte. Das daraus entstehende Endprodukt ist populär, wird respektiert und ist sehr profitabel.“

Wer bei den Banken nicht mitgespielt hat, riskierte seine Kündigung

EM: Sie sind einer der wenigen, der den so genannten Crash vorhergesagt hat. Aber warum hat der Anlageberater bei Lehman Brothers in New York, der Angestellte in der bayerischen Hypo Real Estate oder der Finanzfachmann der isländischen Kaupthing Bank davon nichts gewusst oder weshalb wollte er nichts gewusst haben und hat seine Kunden nicht gewarnt sondern ermuntert, sich auf alle möglichen Papiere einzulassen, die Zinsen im zweistelligen Bereich versprachen?

Otte: Weil er oder sie das tun mussten, sonst wären sie ihren Job los gewesen. Ich weiß von einem weiblichen „Loan Officer“ bei einer amerikanischen Hypothekenbank, die nach der Prüfung eines Kredits der Ansicht war, dass das nie und nimmer gut gehen würde und diese Einschätzung ihrer Geschäftsleitung weitergeleitet hat. Sie bekam massiv Druck, den Kredit abzuzeichnen. Als sie sich weiter weigerte, wurde ihr gekündigt. Auch die so genannten Privatkundenberater bei den Banken waren meistens nur noch Verkäufer, oftmals im Stil von Drückerkolonnen. Sie hatten ihre Umsatzvorgaben, und da mussten ohne Rücksicht auf den Kunden Produkte verkauft werden oder das Portfolio wurde umgeschichtet, wonach oftmals riskantere Produkte in den Portfolios lagen. Die Bank hatte aber ihren Schnitt gemacht. Vor einigen Monaten brachte die Wirtschaftswoche einen sehr gut recherchierten Artikel, wie rücksichtslos und nahezu kriminell Bankkunden ausgenommen werden – und zwar quer durch die deutsche Bankenszene.(1) Wenn schon die Wirtschaftswoche – die normalerweise nicht zu den „lauten“ Blättern gehört – so etwas schreibt, dann muss es sehr schlimm sein.

„Solange der Rubel rollte, lief es nach dem Motto der drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“

EM: Kann es wirklich sein, dass viele dieser Bankexperten auch nicht wussten, was diese Produkte sind, die sie weltweit gehandelt und verschoben haben, auch wenn sie noch so viele Nullen aufwiesen? Macht der ständige Umgang mit für Normalbürger unvorstellbaren Ziffern blind für die dahinter stehenden realen oder nur noch fiktiven Werte?

Otte: Viele der Top-Investmentbanker hätten es sicher wissen können und hatten vielleicht ein ungutes Gefühl. Nach dem Motto der drei Affen „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ wurde aber nichts unternommen, solange der sprichwörtliche Rubel noch rollte. Viele Bankmitarbeiter an der Kundenfront konnten es tatsächlich nicht wirklich wissen. Aber selbst da werden viele gespürt haben, wann Kunden abgezockt wurden und wann der gegebene Rat seriös war.

„Die von Michael Douglas als Spekulant Gordon Gekko 1988 im Film ‚Wall Street’ geäußerten Worte ‚Gier ist gut!’ waren stilbildend für eine Epoche.“

EM: Casinomentalität, virtuelle Zockerei, Leerverkäufe, das alles waren auch Worte des Jahres. Haben Geldhäuser ihre Seriosität verloren oder hatten sie schon immer nur den
Schein davon und ist es in Wirklichkeit so, wie Bert Brecht einst formulierte: „Was ist schon ein Bankraub gegen die Gründung einer Bank“?

Otte: Geldhäuser umgeben sich immer mit dem Schein der Seriosität, gerade weil im Finanzbereich eben auch so viele unseriöse Dinge möglich sind. Deswegen müssen sie eng kontrolliert und in ihren jeweiligen Geschäftsbereichen stark reguliert und eingeschränkt werden – auch auf Kosten potentieller Gewinne. Diese Erkenntnis aus dem Crash von 1929 ist leider seit 1980 zunehmend in Vergessenheit geraten.

Hinzu kam ein allgemeiner Verfall der Wirtschaftssitten. Die von Michael Douglas als Spekulant Gordon Gekko 1988 im Film „Wall Street“ geäußerten Worte „Gier ist gut!“ waren stilbildend für eine Epoche. Seit Anfang der 80er Jahre war Investmentbanking einer der meist bewunderten und begehrten Berufe für die jungen Eliten. Solche Perioden besonders großer Gier gab es aber bereits früher immer wieder einmal.

EM: Die Wirtschaft ist weltweit auf Wachstum angelegt, zwei Prozent Rückgang wie jetzt prognostiziert gelten als ein Gau, wie es ihn seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Ist eine solche Schrumpfung von Zeit zu Zeit nötig, um überhaupt wieder Wachstum zu ermöglichen? Sind große Rezessionen eine Art Kriegsersatz mit weitgehend unblutiger Zerstörung von Vermögen, von Investitionen, von Existenzen?

Otte: So kann man es teilweise sehen.

Aber Kriege können sie nur ersetzen, wenn Sie es schaffen, grundlegende Strukturveränderungen hinzubekommen. Nehmen wir das Beispiel Auto- oder Baubranche. Wenn hier nicht irgendwann eine Zerstörungswelle einsetzt, werden sich beide Branchen grundlegend ändern müssen - was begrüßenswert wäre.

Zudem sind zwei Prozent Wirtschaftswachstum eine ziemlich inhaltsleere Größe. Bei den volkswirtschaftlichen Statistiken wird so viel manipuliert, dass die nominale Zahl von zwei Prozent in der Realität ohne weiteres Nullwachstum bedeuten könnte.

Wenn man die Geldmenge sehr streng kontrollieren würde, würden das Inlandsprodukt einiger Branchen nominal wachsen, das anderer Branchen aber schrumpfen.

„Das Bild vom Kartenhaus ist mir zu zynisch“

EM: Macht sich das globale Finanz- und Wirtschaftssystem seine Schrumpfkuren, seine Währungsreformen und die Abwertungen aller seiner Werte jetzt selbst? Wie in der Überschlagschaukel, die bis zur Senkrechten aufsteigt, um dann auf der anderen Seite senkrecht zur Talsohle abzustürzen? Ist ein solcher Auf- und Ab-Zyklus vom System her bedingt?

Otte: Sicherlich gibt es  gewisse Zyklizitäten. Aber es kann ja jetzt global auch ein japanisches Szenario herauskommen, bei dem man die Krise unterdrückt und eine gelähmte Wirtschaft, eine „schleichende Depression“ erhält.

EM: Oder gefällt Ihnen das Bild vom Kartenhaus besser, das einfach immer wieder zusammenstürzt und immer wieder neu aufgebaut werden muss, weil es nur dann überhaupt wieder etwas zum Aufbauen gibt?

Otte: Nein, das wäre mir zu zynisch. Besser wäre es, man würde langsamer und solider bauen, also keine Kartenhäuser auftürmen, sondern Steinbauten erstellen. Das dauert viel länger und ist viel mühsamer. Die Illusion schnellen Fortschritts, auf der fast alle Regierungen dieser Welt ihre Legitimation aufbauen, wäre dann aber dahin.

EM: Gibt es verlässliche Zeichen, an denen man eine herannahende Krise erkennt, wie Fieber bei einer heraufziehenden Krankheit?

Otte: Leider nein. Es gilt, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, was ein Großteil meiner Kollegen nicht macht, weil man sich zu sehr auf die vorfabrizierten Zahlen verlässt. Wenn aber die Schulden in Relation zum Sozialprodukt zu groß werden, die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, wenn Geldverdienen zu einfach scheint, wenn es Exzesse gibt – all das sind Anzeichen dafür, dass sich bald etwas ändern muss. Meistens geschieht das dann durch eine Wirtschaftskrise.

„Die Hoffnungen für grundlegende Reformen in den USA sind gering“

EM: Bei allem, was wir besprochen haben, bleibt natürlich die Frage offen, wie geht es weiter? Wenn der neue US-Präsident Barack Obama nun eine Billion Dollar ausgeben will, um Werte und Arbeit zu schaffen, dann sind das doch offenbar Ausgaben auf Pump. Denn in der US-Kasse ist ja seit Jahren Ebbe. Also geht alles so weiter wie gehabt, nur in noch astronomischeren Höhen, mit einer noch größeren Blase?

Otte: Die Wahl Obamas zeugt zunächst einmal von der Fähigkeit Amerikas, sich nach Innen und Außen gut zu vermarken. Obama ist ein kluger Mann und als solcher voll mit den Spielregeln des Systems vertraut. Hoffen wir, dass es ihm gelingt, zumindest ein paar gesetzgeberische Impulse umzusetzen.

Allerdings sind die Hoffnungen für grundlegende Reformen in den USA gering. Man muss nur einmal daran denken, wie das im Kongress mit stehenden Ovationen gewürdigte Projekt einer nationalen Krankenversicherung seitens der Clintons von eben diesem Kongress und den Interessengruppen nachher komplett zerschossen wurde. Mein Freund Andrew Bacevich, langjähriger Direktor des Zentrums für internationale Studien an der Boston University, schrieb in seinem Buch „American Empire“ (Harvard University Press 2002), dass er befürchte, dass Amerika nur noch zu einem Konsens finden könne, wenn es darum gehe, Krieg zu führen und dass wichtige innenpolitische Dinge liegen bleiben würden. Man muss wissen, dass Prof. Bacevich lange Panzeroffizier, u. a. in Deutschland, war und eigentlich sehr konservativ denkt.

Zurück zum Wirtschaftsprogramm Obamas. Alles läuft darauf hinaus, dass, wenn es „gut“ geht, der Dollar abgewertet wird und das Ausland, welches aus verschiedenen Gründen diese Dollars immer noch hält - China aus strategischen Erwägungen, Japan und Europa aus politischer Abhängigkeit -, die Zeche mit bezahlt. Leider ist das derzeit auch die einzige Möglichkeit, die Krise abzuwenden. Langfristig müsste Amerika – das zwei Drittel des überschüssigen Weltkapitals aufsaugt – wieder sparen und insbesondere China mehr konsumieren. Ob das gelingt, ist sehr fraglich.

„Ich denke, dass wir auf jeden Fall eine scharfe Rezession wie zum Beispiel die von 1981 – 1982 bekommen werden“

EM: Mit welchen Folgen für Wirtschaft und Verbraucher in Europa, in Eurasien und weltweit?

Otte: Paradoxerweise wären die Folgen am geringsten, wenn die Dollarbestände in Europa und Asien entwertet würden und alle zunächst einmal weitermachen würden wie bisher, sehr salopp gesagt: wenn Asien und Europa weiter produzieren und die USA weiter konsumieren würden. In der Praxis wird es nicht so einfach sein. Eine Inflation in den USA würde den Dollar abwerten, was sich negativ auf die U.S.-Importe und damit auf die Weltwirtschaft auswirken würde.

Ich denke daher, dass wir auf jeden Fall eine scharfe Rezession wie zum Beispiel die von 1981 – 1982 bekommen werden, selbst wenn wir – was ich hoffe, jedoch nicht zu prognostizieren wage – um eine Weltwirtschaftskrise herumkommen.

EM. Herr Prof. Dr. Otte, haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch.

(1) Bankberater packen aus: ‚Ich habe sie betrogen’ – mit welchen Drücker-Methoden die Banken ihre Kunden ausnehmen“, in Wirtschaftswoche,  2.2.2008.

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Lesen Sie auch: Bücher zum Interview: „Der Crash kommt – die neue Weltwirtschaftskrise und wie Sie sich darauf vorbereiten“ und „Investieren statt sparen – wie man mit Aktien ein Vermögen aufbaut“ von Max Otte.

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