„Geschichte Indiens – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart” von Dietmar RothermundGELESEN

„Geschichte Indiens – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart” von Dietmar Rothermund

Im August dieses Jahres hat Dietmar Rothermund, emeritierter Professor für die Geschichte Südasiens an der Universität Heidelberg, ein 128 Seiten starkes Einführungsbüchlein zur Geschichte Indiens vorgelegt.

Von Hartmut Wagner

Im August dieses Jahres hat Dietmar Rothermund, emeritierter Professor für die Geschichte Südasiens an der Universität Heidelberg, ein 128 Seiten starkes Einführungsbüchlein zur Geschichte Indiens vorgelegt. Es setzt ein im 6. Jahrhundert n.Chr., als die Hunnen von Nord-Westen auf die indische Halbinsel vordringen und das Großreich der Gupta-Dynastie zerschlagen. Das sunnitische Delhi-Sultanat, das islamische Reiterkrieger seit Ende des 12. Jahrhunderts auf dem Gebiet des heutigen Indiens errichtet hatten, bildet den ersten größeren Teilabschnitt des Buches. Konkurrierende Mächte des Sultanats waren Perser, Usbeken und Marathen. Wichtigstes Kriegsgerät der Inder war zu dieser Zeit der Kriegselefant, auf dessen Rücken die Bogenschützen ihren Feinden entgegenstampften. Im Bunde mit ihren bulligen Kampfgefährten vermochte es die Armee der Herrscher Dehlis sogar, sich gegen die Mongolen zu behaupten, die 1258 Bagdad überrannt hatten. Noch heute zeugt das Taj Mahal in Agra bei Neu-Dehli oder auch das Rote Fort in Jahanabad vom islamisch geprägten Mittelalter Indiens.

Für den unkundigen Leser, an den sich ein solcher Geschichtsüberblick ja richtet, ist der erste Abschnitt zu verworren. Reichsgründungen, Palastrevolten und Entscheidungsschlachten reihen sich aneinander, ohne daß ihre Bedeutung für den Gang der Geschichte hinreichend klar wird. Den Kapiteln zum Buddhismus und zum Hinduismus mangelt es an notwendigen Basisinformationen. So legt der Autor zwar den „Niedergang des Buddhismus“ bzw. die „Entwicklung des Hinduismus“ dar, geht aber nur unzureichend auf die Entstehumg und Grundlagen beider Religionen ein. Ein Kapitel zur Sprachenvielfalt Indiens – heute sind dort 24 verschiedene Sprachen weiter verbreitet – fehlt leider.

Im Mittelteil schildert Rothermund ausführlich die blutige Unterwerfung Indiens durch die britische Ostindiengesellschaft und später die Ausrufung des indischen Kaiserreiches durch Großbritanniens Königin Victoria. Der Reichsgründung voraus ging ein zähes Ringen zwischen den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien um die Vorherrschaft auf dem indischen Subkontinent. Rothermund: „Es war ein europäischer Konflikt auf indischem Boden, freilich ausgetragen von indischen Söldnern, die auf beiden Seiten zum Einsatz kamen.“

Hier liest sich das Buch erheblich flüssiger als im ersten Abschnitt. Der Kampf für die nationale Unabhängigkeit Indiens unter Mahatma Gandhi und dem späteren ersten Premierminister der indischen Republik Jawaharlal Nehru wird prägnant zusammengefaßt und mit großem Weitblick in weltpolitische Entwicklungen außerhalb Indiens eingeordnet.

Der dritte und letzte Abschnitt ist dem indischen Staat gewidmet, wie er seit dem Tag der Unabhängigkeit am 15. August 1947 besteht. Rothermund vermittelt dem Leser das zum Verständnis der aktuellen außenpolitischen Konflikte Indiens erforderliche geschichtliche Hintergrundwissen. Die Gründung der drei Nachfolgestaaten des indischen Kaiserreiches Indien, Pakistan und Bangladesch wird ebenso nachgezeichnet wie die Entstehung des Kashmir-Konflikts. Berücksichtung findet auch der prekäre Rüstungswettlauf in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der dazu führte, daß sich heute in Südasien mit Indien, Pakistan und China drei hochgerüstete Atommächte gegenüberstehen. Wenn man von den erwähnten Mängeln absieht, liefert das Bändchen einen gelungenen Einblick in die Geschichte Indiens.

Indien Rezension

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