Indische Volksmusik in den Diskos des WestensEURASISCHE KLÄNGE

Indische Volksmusik in den Diskos des Westens

Was im nordindischen Punjab bei Ernte- und Familienfesten fur Stimmung sorgt, hat nun weltweit Diskos erobert: die Musik der als „Bhangra“ bezeichneten traditionellen Volkstänze. Ihre Klänge werden im Westen mit Schlagzeug und Verstärker zu Disko-Schlagern gemacht

Von Barbara Gutmann

 
Kostümierte Tänzer beim indischen Volkstanz Bhangra 

EM – Globalisierung also einmal andersherum? Jedenfalls scheint es nicht länger Naturgesetz zu sein, daß jedweder Trend von Amerika ausgeht und sich binnen acht oder zehn Jahren auf dem gesamten Erdball verbreitet. Jetzt wird indische oder indisch inspirierte Musik auf den Tanzflächen westlicher Länder tonangebend. Ein Vorgang, den bis vor einigen Jahren wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Ausgangspunkt ist die indische Filmindustrie. Produktionen aus „Bollywood“, wie die indische Filmindustrie in Anlehnung an das kalifornische Hollywood genannt wird (siehe EM 01-02, und unsere Filmbesprechung in 04-03), werden zwar nur selten zu echten Kassenschlagern in den Metropolen des Westens. Bollywood-Musik ist aber die Grundlage jener Diskoklänge, nach denen inzwischen rund um den Erdball getanzt wird. Die Musikrichtung nennt sich „Bhangra“, nach dem traditionellen Tanz aus dem teils im Norden Indiens, teils in Pakistan gelegenen Punjab. Bhangra ist dort der populärste Volkstanz. Früher wurde er vor allem nach erfolgreicher Beendigung der Ernte aufgeführt. Noch heute gehört er zu jedem Familienfest.

Seit den neunziger Jahren steht Bhangra in der Jugendszene für eben jene Musik, die aus Bollywood-Klängen und elektronischen Schlagzeugrhythmen komponiert wird. Sie enthält eine sehr eigene Mischung aus indischen Volksklängen, westlichen, arabischen und lateinamerikanischen Elementen. Angeblich wurde die Bhangra-Musik in London erfunden.

Talvin Singh ist ein Meister des Bhangra. Für seine Auftritte mit den typischen nordindischen Tablas (zwei unterschiedlich große Trommeln) gewann er 1999 den renommierten britischen Mercury Music Prize. Doch nach diesem ersten Höhenflug verschwand Bhangra erst einmal sang- und klanglos in der Versenkung.

Plattenfirmen haben ihr Indien-Repertoire neu entdeckt

Im Herbst 2002 war Bhangra plötzlich wieder da. In dem recht erfolgreichen Sammelalbum „Asia Lounge 2“ gab sogar Robbie Williams ein asiatisch gefärbtes Stück zum Besten. Er kam in den Kritiken allerdings nicht besonders gut weg. Anders Nitin Sawney, ein in England geborener Sohn indischer Eltern, mit seinem Titel „Sunset“. Talvin Singh war mit „It’s not over“ auf der CD vertreten. Sawney und Singh wurden von den Medien rasch zu Bhangra-Protagonisten hochstilisiert und sind von Produzenten heftig umworben.

Nachdem der Musikmarkt weltweit rückläufig ist, haben einige Plattenfirmen ihr Indien-Repertoire neu entdeckt. Der Wiener Musikverlag Universal präsentierte Anfang Mai 2003 eine CD mit dem Titel „The Best Of Bollywood“. Sie enthält indische Filmhits wie etwa den Hindi-Schlager „Mehbooba Mehbooba“ aus dem Kultfilm „Sholay“. Bislang waren hierzulande solche Aufnahmen nur in indischen Supermärkten erhältlich.

Um den neuen Trend zu testen, empfehlen sich außerdem das Album „Deli – Bollywood To Bhangra & Beyond“, die Maxi-Single „The Power Of Bhangra 2003“ oder auch „The Album“ von dem indisch-stämmigen Engländer Panjabi MC, der eigentlich Rajinder Rai heißt. Er hatte mit „Mundian To Bach Ke“ im vergangenen Winter bereits einen internationalen Kracher gelandet und war damit der erste Bhangra-Musiker, der aus dem indisch-britischen Immigrantenumfeld heraus weltweit die Charts stürmen konnte.

Weitere Informationen z.B. unter http://people.freenet.de/happyindia/ oder http://www.sikh-religion.com/bhangra.htm

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