„Kasachstan – Staat im Zentrum Eurasiens”GELESEN

„Kasachstan – Staat im Zentrum Eurasiens”

Berlin 2001, 64 Seiten, Wostok Verlag, 5,50 Euro, ISBN 3-932916-16-6

Von Friedrich Mannstein

Kasachstan – Staat im Zentrum Eurasiens 
Kasachstan ... 

EM – Kasachstan ist der Nachfolgestaat der untergegangenen Sowjetunion, mit dem man in Westeuropa wohl am wenigsten assoziieren kann. Dabei ist Kasachstan nicht irgendein Zwergstaat, sondern das neuntgrößte Land der Erde und nach Rußland, China und Indien das viertgrößte Land Eurasiens. Als Gründe für das kasachische Schattendasein lassen sich benennen: keine Kriege, kein Diktator, kein potentielles NATO- oder EU-Mitglied, relativ schwach ausgeprägter islamischer Fundamentalismus.

Das Themenheft „Kasachstan – Staat im Zentrum Eurasiens” verschafft einen breit gefächerten Einblick in viele Lebensbereiche der jungen zentralasiatischen Republik. Den Großteil der insgesamt 25 Aufsätze schrieben Wissenschaftler des Zentrums für Außenpolitik und Analyse in Almaty oder des Instituts für strategische Forschung beim Präsidenten der Republik Kasachstan. Somit erhält der Leser Informationen aus erster Hand und lernt den kasachischen Standpunkt zu geschichtlichen und aktuellen Entwicklungen des Landes kennen. Ärgerlich ist indes die völlig unzureichende wissenschaftliche Analysearbeit in den Beiträgen zur kasachischen Außenpolitik. Das Verhältnis Kasachstans zu den vier anderen zentralasiatischen GUS-Republiken etwa wird derart verbrämt wie man es sonst nur aus politischen Absichtserklärungen kennt. Allesamt seien die Nachbarstaaten von „großem Interesse“ oder spielten eine „wichtige Rolle“ in der auswärtigen Strategie Kasachstans. Die Zukunft der bilateralen Beziehungen sei „vielversprechend“, sie hätten gute „Aussichten“ oder „Perspektiven“.

Die übrigen Textbeiträge sind von merklich höherem Niveau. Hier werden die jeweiligen Sachverhalte deutlicher herausgearbeitet, Meinungen vorgebracht und nötigenfalls auch Kritik geübt. Eigene Artikel wenden sich den für die Transformationsforschung zentralen Themen zu: Politische Parteien, Massenmedien, Nichtregierungsorganisationen und nationale Minderheiten. Der letzte Aspekt ist im kasachischen Vielvölkerstaat von ganz besonderer Bedeutung. Um die Jahrtausendwende stellten die Kasachen gerade mal 53 Prozent der Landesbevölkerung. 30 Prozent waren Russen, 4 Prozent Ukrainer, 2,5 Prozent Usbeken und 2 Prozent Deutsche. Beate Eschment vom Seminar für Zentralasienwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin vollzieht die Bevölkerungsentwicklung Kasachstans seit der staatlichen Unabhägigkeit 1991 nach.

Ein reich bebildeter Beitrag widmet sich der 1997 vollzogenen Hauptstadtverlegung von Almaty an der Südgrenze der Republik in das zentraler gelegene Astana (zur Sowjetzeit Zelinograd). Ein Schwerpunkt des Heftes bildet die wirtschaftliche Situation Kasachstans. Die Produktion der nationalen Maschinenbauindustrie geht seit Anfang der 90er Jahre rapide zurück. Erzeugnisse kasachischer Unternehmen seien weder im In- noch im Ausland konkurrenzfähig, dem Land drohe eine „Entindustrialisierung“. Ähnlich verheerend sehe es im Bereich der Landwirtschaft aus. Wie viele andere Nachfolgestaaten der UdSSR auch, lebt der zentralasiatische Staat heute hauptsächlich vom Export seiner Rohstoffe. Kasachisches Erdöl und Erdgas werde „in zahlreiche Länder des ganzen eurasischen Kontinents“ verkauft, wie beispielsweise nach Rußland, Großbritannien, in die Ukraine, die Schweiz oder nach Italien.

Ein Aufsatz erzählt von der „Tragödie des Aralsees“, die in den 60er Jahren ihren Anfang nahm. Damals kappte man dem riesigen Binnensee die Wasserzufuhr, um in den umliegenden Sowjetrepubliken Reisfelder und Baumwollplantagen zu bewässern. Seither hat der Aralsee über drei Viertel ! seiner Wassermenge eingebüßt.

Weitere Themen des Heftes sind der Weinanbau in Kasachstan oder der kulturelle Umschwung („Neue Welle“) Ende der achtziger Jahre. Sei es im Film, der Malerei oder der Juwelierkunst, die Kasachen bemühen sich, alte Traditionen aufzuspüren und mit neuem Leben zu füllen. Der sechsseitige Serviceteil in der Mitte des Heftes ist eine sehr nützliche Starthilfe zur weiteren Informationssuche und gibt gute Hinweise für Touristen. Insgesamt liefert das Heft eine geglückte Annäherung an das heutige Kasachstan.

GUS Rezension

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene Artikel

  1. Die Coronakrise aus der Sicht einer russischen Psychiaterin
  2. Kurden - Geschichte, Kultur und Hintergründe
  3. Die Perser - Geschichte und Kultur
  4. Putin: Russland ist kein Land sondern eine eigenständige Ziviisation
  5. Chinesische Frauen: Erotisch, anschmiegsam und sehr erfolgreich

Eurasien-Ticker