Kaspisches Meer interessant wegen Öl- und GasvorkommenKASPISCHES MEER

Wem gehört das Kaspische Meer?

Kaspisches Meer interessant wegen Öl- und Gasvorkommen

Seit dem Untergang der UdSSR konnten die Besitzverhältnisse und der Status des Kaspischen Meeres nicht geklärt werden. Die fünf Anrainerstaaten kämpfen um das Recht, die umfangreichen Öl- und Gasvorkommen auf dem Weltmarkt zu verkaufen.

Von Rizvan Nabiev

An das Kaspische Meer grenzten mit der Bildung der neuen unabhängigen Staaten Aserbaidschan, Kasachstan, Russland und Turkmenistan im Jahr 1991 mit einem Mal nicht mehr zwei, sondern fünf Staaten. Während der vorangehenden knapp zwei Jahrhunderte, lagen an den Gestaden des Meeres einzig der Iran und das Russische Reich, später die Sowjetunion. Seit dem politischen Umbruch und der staatlichen Neugliederung des Ufergebietes ist der völkerrechtliche Status des Kaspischen Meeres ungeklärt.

Fünf Staaten streiten sich um das Kaspische Meer

Aus dem Rechtsstreit wurde bald eine handfeste politische Auseinandersetzung der fünf Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres. Bislang konnte man sich nicht darauf einigen, wie der Meeresboden und die Wasseroberfläche aufgeteilt werden sollen. Unter dem Wasserspiegel des Kaspischen Meeres liegen mehr als sieben Prozent der erkundeten und 15 Prozent der prognostizierten Erdölvorräte, sechs Prozent der erkundeten und 10 bis 15 Prozent der prognostizierten Erdgasreserven der Welt. Nach dem Mittleren Osten und Lateinamerika ist das Kaspische Becken damit die Region mit den drittgrößten Energieressourcen der Erde.

Kaspisches MeerKarte: Mögliche Aufteilung des kaspischen Meeres (Quelle: International Center for Caspian Studies)

Die Frage, zu welchen Anteilen der Grund des Kaspischen Meeres auf die fünf Anrainerstaaten verteilt wird, ist nicht nur wegen den dort lagernden Energierohstoffen von Bedeutung, sondern auch wegen der Verlegung von Pipelines aus Zentralasien über den Kaukasus ans Mittelmeer. Moskau versuchte bis 1997 immer wieder den Umstand für sich zu nutzen, daß die einzige Wasserverbindung zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer, der Wolga-Don-Kanal, über sein Territorium verläuft. Da dieser Transportweg für ausländische Ölfirmen sehr bedeutsam ist, verfügte Rußland in Verhandlungen über ein effektives Druckmittel. Insbesondere Aserbaidschan und Kasachstan machte das zu schaffen, da beide westliche Energiekonzerne in die Erschließung ihrer Öl- und Gasreserven einbezogen haben. Mit der Unterzeichung zahlreicher Förderabkommen in den aserbaidschanischen und kasachischen Meereszonen mit Unternehmen aus fast allen Kontinenten wurden bis zum Ende der 1990er Jahre immer mehr Staaten indirekt in die kaspische Frage verwickelt.

Kaspisches Meer - Einst Binnengewässer zwischen dem Iran und der UdSSR

Zu sowjetischer Zeit galt das Kaspische Meer als gemeinsames Binnengewässer zwischen dem Iran und der UdSSR. Faktisch wurde es jedoch in zwei ungleiche Hoheitsgebiete geteilt. Die Kooperation zwischen beiden Staaten wurde in bilateralen Verträgen geregelt (1921, 1931, 1935, 1940 und 1954). Vor allem befaßten sich die Abkommen mit Schiffsverkehr und Fischerei, über die Nutzung von Rohstoffen wurden keine Vereinbarungen getroffen.

Das Abkommen über den Schiffsverkehr zwischen dem Iran und der UdSSR sah eine Fischereizone in einer Länge von zehn Seemeilen für beide Anrainerstaaten vor. In der Praxis aber wurde die 432 Kilometer lange Linie zwischen dem aserbaidschanischen Astra und dem turkmenischen Hassan-Guli als Staatsgrenze zwischen der UdSSR und dem Iran behandelt. Ein Grenzverlauf, den Teheran heute nicht mehr anerkennen will. Für Staaten, die keinen natürlichen Zugang zum Kaspischen Meer hatten, galt dieses als unpassierbare Sperrzone. Im Jahr 1970 teilte das sowjetische Erdölministerium den eigenen Teil des Kaspischen Meeres unter den vier Teilrepubliken Aserbaidschan, Kasachstan, Rußland und Turkmenistan auf. Die Zuteiling hatte rein administrativen und technischen Charakter und verfolgte hauptsächlich das Ziel, den Schiffsverkehr besser zu organisieren. Dennoch galt der sowjetische Abschnitt des Kaspischen Meeres nach wie vor als All-Unions-Gewässer und stand mithin, wie alle anderen Gewässer auf dem Gebiet der UdSSR, unter alleiniger Jurisdiktion der Zentralmacht in Moskau.

Im April 2002 trafen sich erstmals alle Staatsoberhäupter der fünf kaspischen Anrainerstaaten zu einem Gipfeltreffen in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat. Doch eine Übereinkunft konnte nicht erzielt werden. So auch bei den bislang zwölf Verhandlungen auf Ministerebene. Lediglich Aserbaidschan, Kasachstan und Rußland konnten sich in bilateralen Vereinbarungen auf die Verteilung des kaspischen Meeresbodens und der dortigen Energieressourcen einigen. Infolgedessen würde Kasachstan 26,7 Prozent, Aserbaidschan 19,5 Prozent, Rußland 18,7 Prozent, Turkmenistan 18,4 Prozent und der Iran 13,8 Prozent erhalten. Ausschlaggebend für die jeweiligen Anteile ist die Größe des Küstenabschnitts der Länder. Vor allem der Iran, der Anrainerstaat mit dem kleinsten Küstenabschnitt, lehnt diese Aufteilung ab und beansprucht einen Anteil von 20 Prozent.

Aserbaidschan

besteht auf einer sektoralen Teilung sowohl des Grundes, als auch der Oberfläche des Kaspischen Meeres gemäß einer ‚modifizierten Mittellinie‘. Gemeint ist damit die gedachte Mittellinie zwischen der Ost- und der Westküste des Meeres. Trotz der teilweise ähnlichen Positionen Kasachstans und Turkmenistans fand diese Variante zunächst keine große Unterstützung. Die Gegensätze mit Rußland in dieser Frage erreichten 1994 ihren Höhepunkt, nach der Unterzeichnung des „Jahrhundert-Ölvertrages“ zwischen Aserbaidschan und elf Ölkonsortien, u.a. aus den USA, Großbritannien und der Türkei. Am 5. Oktober 1994 überreichte das russische Außenministerium dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Butros Ghali, eine Protestnote, welche die einseitige Förderung der kaspischen Energievorkommen als nicht legitim bezeichnete. Gleichzeitig drohte man Aserbaidschan, Rußland behielte sich das Recht vor, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die es für die Beseitigung der Folgen des einseitigen Handelns für notwendig halte.

Erst nach dem Abschluß des Abkommens zwischen dem russischen Erd ölunternehmen LUKoil und der staatlichen aserbaidschanischen Erdölgesellschaft SOCAR über die gemeinsame Ausbeutung des Jalama-Erdölvorkommen im Juli 1997 zeichnete sich eine Wende in der Position Rußlands gegenüber Aserbaidschan ab. In dem Abkommen wurde das an der aserbaidschanisch-dagestanischen bzw. russischen Grenze liegende Vorkommen als „aserbaidschanisch“ klassifiziert, was als Akzeptanz der sektoralen Teilung des Kaspischen Meeres seitens Rußlands zu interpretieren ist. Im September 2002 einigten sich die Präsidenten Alijew und Putin in einem bilateralen Vertrag über die Verteilung des gesamten Bodens des Kaspischen Meeres und die Bildung nationaler Zonen, sowie die gemeinsame Nutzung der Wasseroberfläche. Russischen Medienberichten zufolge vereinbarte man auf Betreiben Bakus ein ‚geheimes Zusatzabkommen‘, nach dem Rußland die militärische Sicherheit der aserbaidschanischen Hochsee-Fördergebiete für Erdöl und Erdgas garantieren wird. Aserbaidschan baut darauf, daß sich der militärische Schutz Moskaus auch auf die Ölfelder erstreckt, die zwischen ihm und seinen Nachbarstaaten Turkmenistan und Iran umstritten sind. Eben dieser Punkt führte zu erheblichen Spannungen in den russisch-iranischen Beziehungen, wobei das iranische Parlament sogar mit der Abberufung seines Botschafters aus Moskau drohte.

Das aserbaidschanische Aufteilungskonzept der ‚modifizierten Mittellinie‘ stieß auch in Teheran auf Protest. Als bekannt wurde, daß der Iran auf Druck amerikanischer Ölfirmen nicht in den „Jahrhundert-Ölvertrag“ miteinbezogen würde, erklärte Teheran im April 1995, daß es das Vertragswerk nicht anerkenne. Im Sommer 2001 erreichten die Gegensätze in den aserbaidschanisch-iranischen Positionen ihren Höhepunkt: iranische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe zwangen die von British Petroleum (BP) gemieteten aserbaidschanischen Erkundungsschiffe, ihre geologischen Untersuchungen abzubrechen und das Erdölfeld Araz-Alov-Sharg zu verlassen. Das Krisengebiet, welches der Iran als sein Staatsterritorium betrachtet, liegt 100 Kilometer nördlich der früheren sowjetisch-iranischen Seegrenze, entlang der Linie Astra-Hassan Guli zwischen Aserbaidschan und Turkmenistan.

Der Iran nutzte diesen „schwersten Zwischenfall im Kaspischen Meer im letzten Jahrzehnt“ ( Martin Malek, in: ÖMZ, Nr. 6/2001) dazu, die Kräftebalance der ausländischen Akteure in der Region und ihre möglichen Reaktionen auf sein entschlossenes Vorgehen auszuloten. Aserbaidschan sicherte sich die militärische Solidarität Ankaras, was eindrucksvoll demonstriert wurde, als der Generalstabchef der Türkei Ende August 2001 bei seinem Besuch in Baku türkische Kampfflugzeuge Demonstrationsflüge vorführen ließ.

Angesichts der Zwistigkeiten mit dem Iran schlug Aserbaidschan der Moskauer Regierung vor, die Verhandlungen über die Sektionenbildung im Kaspischen Meer in der Formation „Vier GUS-Anrainerstaaten plus dem Iran“ zu führen. Obwohl dies von russischen offiziellen Stellen abgelehnt wurde, belegen die bereits angesprochenen russisch-kasachischen und russisch-aserbaidschanischen Verträge im Jahr 2002 über die Aufteilung des Kaspischen Meeres auf Grundlage der ‚modifizierten Mittellinie‘ die Annahme der Initiative des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew. Der Iran reagierte Anfang März 2002 auf die Übereinkunft zwischen Astana, Baku und Moskau mit einer Protestnote an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, in der er das trilaterale Vertragswerk als provokatorisch, einseitig und rechtlich ungültig bezeichnete.

Auch der Besuch des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew im Iran im Mai 2002, der über zwei Jahre hin immer wieder aufs Neue verschoben wurde, brachte keinen Durchbruch im Interessenskonflikt der beiden Staaten. Der aserbaidschanische Vorschlag über die gemeinsame Erschließung des Hochsee-Erdölfeldes Araz-Alov-Sharg wurde in Teheran nicht akzeptiert.

Einige Tage nach dem Scheitern des Aschgabater Gipfeltreffens im April 2002 ordnete Präsident Putin ein russisches Militärmanöver im Kaspischen Meer an. Im August 2002 wurden dann in der Region das größte maritime Manöver seit den 1980er Jahren abgehalten.

Trotz verhaltener Proteste aus den USA nahmen auch aserbaidschanische Schiffe und Marinesoldaten an den Militärübungen teil. Zur Demonstration der aserbaidschanisch-russischen Zusammenarbeit startete Anfang September 2003 das größte russische Kriegsschiff im Kaspischen Meer „Tatarstan“ eine Fahrt in die aserbaidschanische Meereszone.

Rußland

vertrat nach dem Zerfall der Sowjetunion bis zum Jahr 1998 wechselnde, oft einander widersprechende Positionen. 1992 erklärte das russische Außenministerium das Kaspische Meer zum „geschlossenen Meer“ mit Territorialgewässern von 12 Seemeilen Länge für jeden Anrainerstaat. Zwei Jahre später stimmte Rußland dennoch der Einbeziehung von Drittparteien, vor allem privater Unternehmen, in die Ausbeutung der Bodenschätze im Kaspischen Meer zu. Wenn auch unter der Voraussetzung der Zustimmung aller Anrainerstaaten. 1995 initiierte Rußland die Ausweitung der Territorialgewässer auf 20 Seemeilen und eine gemeinsame Ausbeutung der Energieressourcen im Zentralteil des Meeres. Ein Jahr später unterstützte Rußland die iranische Variante zur Festlegung von Territorialgewässern für jeden Anrainerstaat und die ausschließliche ökonomische Zone mit einer Länge von je 20 Seemeilen. Ende 1996 schlug der Kreml vor, die Rechtssprechung eines einzelnen Staates bezüglich der Ausbeutung der Mineralressourcen auf 45 Meilen auszuweiten.

Mit dem Abschluß eines Abkommens über das Jalama–Ölvorkommen im aserbaidschanischen Teil des Schelfs (Juni 1997) erkannte Moskau faktisch die Souveränität Aserbaidschans über seinen „nationalen Sektor“ an und beendete seinen Widerstand gegen eine sektorale Aufteilung des Kaspischen Meeres. Der Abschluß des russisch-kasachischen „Abkommens über die Abgrenzung des Meeresgrundes im Nordteil des Kaspischen Meeres“ (Juli 1998) war ein weiterer Schritt in Richtung der Akzeptanz nationaler Meeressektoren.

Rußland war nur bereit , den Meeresgrund auf die fünf Staaten zu verteilen, bestand aber auf der gemeinsamen Nutzung der Oberfläche des Meeres. Der russische Sondergesandte für den kaspischen Raum, Wiktor Kalyuzhnyj, formulierte dies wie folgt: „Teilen wir den Meeresgrund, präziser die Ressourcen des Meeresgrundes. Aber das Wasser gehört allen, ohne Grenzen.“ ( Nezavisimaya Gazeta, 2.10.2001). Am 13. Mai 2002 schlossen Rußland und Kasachstan ein Abkommen über die Abgrenzung des Meeresbodens im Nordteil des Kaspischen Meeres. Demnach werden die umstrittenen Erdölvorkommen Kurmangazy, Centralnoe und Xvalinskoe, wo jährlich bis zu 50 Millionen Tonnen Erdöl gefördert werden können, von Kasachstan und Rußland gleichberechtigt und gemeinsam erschlossen.

Kasachstan

trat Anfang der 1990er Jahre für die Anwendung der Internationalen Seerechtskonvention auf das Kaspische Meer ein. Danach sollte das Kaspische Meer in Territorialgewässer, Schelf und internationale Gewässer aufgeteilt werden. Da das Kaspische Meer, der größte Binnensee der Welt, jedoch keine Verbindung zu einem Weltmeer hat, war es von Beginn an umstritten, ob die Seerechtskonvention hier überhaupt Geltung haben kann. Die Frage, ob das Kaspische Meer ein internationales Gewässer ist, auf dem die Internationale Seerechtskonvention gilt, ist hochbrisant und von immenser geopolitischer Bedeutung. Denn in internationalen Gewässern muß auch Drittstaaten freier Schiffsverkehr gewährt werden. Uneingeschränkter Zugang von Handels- und Kriegsschiffen der Türkei oder den USA zum Kaspischen Meer kommt aber gerade für Rußland und den Iran überhaupt nicht in Frage.

Nach 1995 nahm Kasachstan einen neuen Standpunkt ein und vereinbarte zwischen 1998 und 2002 mit Rußland und Aserbaidschan die Abgrenzung des Meersgrundes auf Basis der ‚modifizierten Mittellinie‘. Mit Turkmenistan einigte sich Astana 1997 darauf , die administrativen Meeresgrenzen aus der Sowjetzeit bis zu einer endgültigen Regelung weitergelten zu lassen.

Iran

trat zunächst für die Idee eines sogenannten Kondominiums auf, d.h. die gleichberechtigte Nutzung des Meeres von allen Anrainerstaaten. I m Februar 1992 schlug die Teheraner Regierung vor, eine Organisation zur Zusammenarbeit der kaspischen Staaten zu gründen. Ein Vorschlag, der nur bei Rußland und auch dort nur kurzfristig Zustimmung fand. Als neben Aserbaidschan auch Kasachstan und später Rußland zur sektoralen Aufteilung des Kaspischen Meeres tendierten, schlug der Iran die gleichmäßige Aufteilung des Meeresbodens zu je 20 Prozent vor. Begründet wurde diese Position mit den sowjetisch-iranischen Abkommen, welche das Kaspische Meer zur gemeinsamen Nutzung offen erklärte. Auch mit dieser Initiative konnte sich Teheran nicht durchsetzten, weil sie den Anteil des Iran von derzeit 12,5 Prozent (gemäß der Verträge mit der UdSSR) auf Kosten der anderen Anrainerstaaten um 7,5 Prozent erhöhen würde. Der russische Sondergesandte Wiktor Kalyuzhnyj, faßte die Auffasung seines Landes in folgende Worte: „Das Kaspische Meer wurde schon von der Natur aufgeteilt. Und die Staaten müssen sich damit abfinden, weil es ein gerechtes Prinzip ist.“ Rußland gehe bei der Aufteilung des Kaspischen Meeres nicht von irgendeinem abstrakten Prinzip der arithmetischen Gleichheit, sondern vom einem natürlichen Prinzip aus (Interview mit Kalyuzhnyj, in: Nezavisimaya Gazeta, 16.09.2002).

Anfang 2002 stellte Teheran neue Forderungen. Der iranische Sektor müße auf 50 Prozent erhöht werden, da das Land zu sowjetischer Zeit angeblich eben diesen Anteil besessen hätte. Die weiteren 50 Prozent sollten unter den vier GUS-Staaten aufgeteilt werden. Diese, vor allem vom konservativen Flügel des iranischen Parlaments vertretene Position gibt nicht unbedingt die offizielle Position der Regierung wieder, wird aber in den Verhandlungen gelegentlich als Druckmittel eingesetzt.

Der Iran besitzt riesige Erdöl- und Erdgasreserven am Persischen Golf und ist derzeit weniger als Aserbaidschan oder Kasachstan an der Erschließung seiner Energieressourcen im Kaspischen Meer interessiert. Doch der reibungslose Schiffsverkehr im Kaspischen Meer ist für Teheran von wichtiger strategischer Bedeutung, vor allem mit Rußland. Bei einer sektoralen Aufteilung des Meeres würden die Wasserwege zwischen Rußland und dem Iran unter die territoriale Jurisdiktion von Aserbaidschan und Turkmenistan fallen. Daß den Regierungen in Baku und Aschgabat dann das Recht auf die Kontrolle des Güterverkehrs zustünde, ist nicht nur für den Iran, sondern auch für Rußland nicht wünschenswert. Eine Lösung des kaspischen Problems ist augenblicklich weiter erschwert, da die iranische Regierung wegen der für sie ungünstigen internen und internationalen Machtkonstellationen zur Zeit nicht zu Kompromissen bereit ist.

Turkmenistan

Von 1993 bis 1996 vertrat Präsident Nijasow die Position von einem „gemeinsamen Meer“ und nationalen Zonen mit einer Länge von 45 bis 50 Seemeilen. Seit dem Abschluß des Jalama-Ölabkommens zwischen LUKoil und SOCAR im Jahr 1997 setzt sich auch die turkmenische Regierung für eine sektorale Aufteilung des gesamten Meeres ein. Zunächst unterstützte der turkmenische Präsident bei einer möglichen sektoralen Aufteilung den Anspruch des Iran auf einen 20-prozentigen Anteil je Anrainerstaat. Seit seinem Kurzbesuch in Moskau im Januar 2001 aber schwankt der ‚Führer aller Turkmenen‘ zwischen den Ansichten des Iran und Rußlands hin und her.

Die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Turkmenistan sind seit 2000 wohl die angespanntesten unter den kaspischen Anrainerstaaten. Turkmenistan beansprucht die Erdölfelder Azeri (turkmenisch: Xazar), Chirag (Osman), Sharg (Altyn Asyr) für sich, deren gemeinsame Erkundung und Erschließung SOCAR bereits 1994 und 1998 mit ausländischen Firmen vereinbart hat. Die Verschärfung der turkmenisch-aserbaidschanischen Beziehungen führte in der Geschichte der postsowjetischen Staaten zu einem einzigartigen Vorfall: Turkmenistan rief seinen Botschafter aus Baku ab und ließ seine diplomatische Vertretung „aus Mangel an Finanzmitteln“ schließen.

Die Hintergründe der Gegensätze in den aserbaidschanisch-turkmenischen Positionen sind vor allem mit den wirtschaftlichen Interessen beider Länder zu erklären. Die kasachisch-turkmenische Vereinbarung, die administrativen Meeresgrenzen aus der Sowjetzeit beizubehalten, belegt, daß Turkmenistan durchaus bereit ist , eine sektorale Aufteilung des Kaspischen Meeres zu billigen.

Quo vadis Kaspisches Meer?

Der Hauptgrund für die Schwierigkeiten bei der Aufteilung des Kaspischen Meeres in Nutzungszonen besteht sicherlich in dem ungewöhnlichen Reichtum an Erdöl- und Erdgasreserven der Region. Die Wurzeln der nationalen Gegensätze lassen sich damit allerdings nur teilweise erklären. Es geht auch um politischen Einfluß, um den in erster Linie Rußland und der Iran streiten. Beide Regionalmächte sehen das kaspische Becken als ihre alleinige Einflußsphäre und sind außerdem nicht bereit, die politische und militärische Präsenz eines Drittstaates, z. B. der Türkei und der USA, zu akzeptieren. Im Gegensatz dazu betrachtet Aserbaidschan eine enge Kooperation mit Ankara und Washington als entscheidenden Faktor zur Festigung seiner staatlichen Unabhängigkeit und Sicherheit.

Die fehlende rechtliche Basis zur Lösung aktueller Probleme im kaspischen Becken ist ausschlaggebend für das stockende Voranschreiten der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit unter den fünf kaspischen Staaten. Auch die Kooperation mit Drittstaaten wird dadurch behindert. Das wiederum entspricht nicht den Interessen der über Energiefirmen in der Region involvierten Drittstaaten. Der amerikanische Experte Michael Klare schreibt, daß der ungeregelte Status des Kaspischen Meeres das „Schlüsselelement des US-Plans zur Energieentwicklung in dieser Region“ gefährde, nämlich den Bau einer Unterwasser-Rohrleitung für Erdöl und Gas von Turkmenistan nach Aserbaidschan (Michael Klare, Resource Wars. The New Landscape of global Conflict, New York 2002, S. 99).

Wenn die Frage, wem und zu welchen Anteilen das Kaspische Meer gehört, nicht gelöst werden kann, droht ein Rüstungswettlauf unter den fünf kaspischen Staaten. Dies würde die Sicherheit der gesamten Region gefährden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion teilten Rußland und Aserbaidschan die Militärtechnik der ehemaligen kaspischen Sowjet-Flotte im Verhältnis vier zu eins. Kasachstan und Turkmenistan verzichteten zugunsten Rußlands auf ihren Anteil. Trotzdem beschloß Kasachstan 1995, eigene Seestreitkräfte mit Stützpunkt in Aktau zu bilden. Im Februar 2003 erklärte der kasachische Vize-Außenminister, seine Regierung werde im Jahr 2015 über eigene Seestreitkräfte zum Schutz seiner Staatsgrenzen und Ölförderanlagen verfügen. Auch Turkmenistan schaffte sich seit 2000 zwanzig Kriegsschiffe aus der Ukraine und moderne Hochpräzisionswaffen aus Weißrußland an. Ferner bestellte Aschgabat moderne Flugzeuge und Hubschrauber aus Rußland und ließ in Georgien seine alten Militärflugzeuge in Schuß bringen. Aserbaidschan modernisiert im Rahmen des „Krieges gegen den Terror“ seine Seestreitkräfte und wird dabei vor allem von den USA unterstützt. Der Iran legte sich eine neue Marineinfrastruktur und Kriegsschiffe aus Rußland zu. Und Rußland selbst stationierte moderne Schiffe mit Raketenabschußbasen in seinen Sektor des Kaspischen Meeres.

Eine derart militärisch dominierte Atmosphäre erschwert und verzögert eine Vereinbarung zum rechtlichen Status des Kaspischen Meeres. Eine Konsenslösung könnte die Akzeptanz des von Aserbaidschan, Kasachstan und Rußland erzielten Kompromisses durch alle kaspischen Staaten sein. Danach würde der Meeresgrund in nationale Sektoren aufgeteilt, die Wasseroberfläche, sowie der Luftraum aber gemeinsam genutzt werden. Dies würde insbesondere den freien Schiffsverkehr zwischen allen Anrainerstaaten ermöglichen. Umstrittene Energievorkommen könnten unter den betroffenen Staaten mit bi- bzw. multilateralen Vereinbarungen gelöst werden. Sonst droht der kaspischen Region Desaster und Chaos.

Kaspisches Meer Kaukasus Aserbaidschan Russland

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