„Mein Studienabschluss ist mein Schutzschild“ARABISCHE EMIRATE

„Mein Studienabschluss ist mein Schutzschild“

„Mein Studienabschluss ist mein Schutzschild“

Selbstbewusst und bestens ausgebildet wächst eine neue Generation von Frauen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (V.A.R.) heran. Jung, ehrgeizig, zielstrebig. Anders als ihre Mütter und Großmütter absolvieren sie ein Studium, starten eine berufliche Karriere und werden unabhängiger von ihren Männern. Vom 12.-14. März 2006 trafen sich im exklusiven Ambiente des Emirates Palace Hotel in Abu Dhabi 1.200 Studentinnen und Dozentinnen aus 87 Nationen zur „Women as Global Leaders Conference“. Die Konferenz, die dieses Jahr zum zweiten Mal in der Golfregion abgehalten wurde, stand unter dem Motto „Communities in Transition“.

Von Magda Luthay

  Informationen zum Konferenzort
  Abu Dhabi (arab. „Vater der Gazelle“) ist die Hauptstadt der sieben Vereinigten Arabischen Emirate (V.A.E.). Die Einwohnerzahl beträgt ca. 1,7 Millionen. Konferenzort war das Emirates Palace Hotel Abu Dhabi. Als Gastgeber fungierte die Zayed-University, gegründet 1998 von Sheikh Zayed bin Sultan al-Nahyan (2004 verstorben). An dieser Universität in Abu Dhabi und im benachbarten Dubai sind 2.500 Studentinnen der V.A.E. eingeschrieben. Derzeit entsteht ein neuer Campus in Abu Dhabi für weitere 5.000 Studentinnen. Die Universität gehört zu den führenden akademischen Einrichtungen der Region mit fünf Fakultäten unterschiedlicher Fachrichtungen. Der Unterricht, der internationalem Standard entspricht, erfolgt in Arabisch und Englisch.
Magda Luthay vor dem Portrait des im Jahre 2004 verstorbenen Emir von Abu Dhabi, H.H. Sheikh Zayed bin Sultan al-Nahyan in der Lobby des Emirates Palace. Er war der Gründer der Zayed-Universität und unermüdlicher Förderer in Sachen Frauenrechte und Bildung.  
Magda Luthay vor dem Portrait des im Jahre 2004 verstorbenen Emir von Abu Dhabi, H.H. Sheikh Zayed bin Sultan al-Nahyan in der Lobby des Emirates Palace. Er war der Gründer der Zayed-Universität und unermüdlicher Förderer in Sachen Frauenrechte und Bildung.  

I hre schwarzen Designer-Abayas mit den aufwändigen Stickereien glitzern in der Abendsonne. Sie tragen Accessoires bekannter französischer Modeschöpfer und der Blick in das Alumni-Magazin verrät es auf den ersten Blick: Nein, wir sind hier  nicht im von Sparzwängen und Etatkürzungen gebeutelten Europa, wo Studentenzeitschriften günstige Mittagsmenüs und billige Zimmer in der Wohngemeinschaft anpreisen, wo Dozenten um den Erhalt jeder einzelnen Stelle kämpfen. Hier, im Alumni-Magazin, wetteifern die Wohlfühl- und Schönheitseinrichtungen führender Hotels mit ihren „Beauty-Spas“, erlesene Juweliere und chice Einkaufspassagen werben in Hochglanzanzeigen um die Gunst der jungen Studentinnen. Professoren bekannter, überwiegend US-amerikanischer Universitäten forschen und lehren an dieser erst 1998 eröffneten Universität, um die künftige weibliche Elite des Landes mit internationalen Studieninhalten für Führungspositionen auszubilden.

Wir sind auf dem Campus der Zayed-Universität in Abu Dhabi, einem hochmodernen, großzügigen Gebäudekomplex mit allen Annehmlichkeiten und neuester technischer Ausstattung. Dazu gehört ein schön angelegter Garten und eine elegante Cafeteria.
„Welcome at Zayed University - please enjoy our program“ - begrüßt mich Dunja in nahezu akzentfreiem, amerikanisch angehauchtem Englisch. Dunja ist 22 Jahre alt, erfahre ich später und in Kürze Absolventin des Studiengangs Innenarchitektur. Sie stammt aus Abu Dhabi, ihre Eltern kamen aus Kairo in die Emirate, als sie noch klein war. Sie führt mich an einen Stand mit traditionellen arabischen Parfums, folkloristischer Handwerkskunst und Informationsbrochüren über die Geschichte der Vereinigten Arabischen Emirate. Süßer, duftender Pfefferminztee wird gereicht, wir erhalten edel verpackte, kleine Präsente und die anfängliche Unsicherheit auf beiden Seiten legt sich schnell. Die Studentinnen der Zayed-Universität bereiten uns, knapp 400 Studentinnen und Dozenten aus Europa, Afrika, Amerika und Australien am Vorabend der Konferenz einen herzlichen Empfang und lassen uns eintauchen in den Glanz von 1001 Nacht.

Die neue Generation der arabischen Frauen hat Auslandserfahrung

„Wir möchten, dass Ihr einen Einblick in unsere Traditionen und unsere Kultur erhaltet, das ist sehr wichtig, um einander besser kennenzulernen und zu verstehen“, erklärt mir Dunja. In Italien nahm sie vergangenes Jahr an einem zweiwöchigen Kunst- und Kulturprojekt teil, zusammen mit einer Gruppe kreativer Studentinnen aus der Universität. Sie war sehr beeindruckt von der Architektur Italiens, den freundlichen Menschen und natürlich der Mode. Sie habe viele ungewöhnliche Ideen für eine moderne Inneneinrichtung mitgebracht, ihr schwebe da eine wunderbare Mischung aus orientalischer Opulenz und europäischem Stil vor.

Nach Deutschland würde sie auch mal gerne reisen, allerdings müsste der Aufenthalt von der Universität organisiert werden oder ihr Vater würde sie begleiten. Alleine oder mit einer Freundin verreisen? - ungläubiges Kopfschütteln, auch von ihren Kommilitoninnen, die uns inzwischen umringen. Nein das ginge auf keinen Fall.

Traditionen spielen in der arabischen Gesellschaft eben eine große Rolle und gerade Mädchen wachsen behütet und nicht selten unter sehr strengen, wachsamen Blicken ihrer Familie auf. Eine Hochzeit mit einem würdigen, gutsituierten Partner hat in den Emiraten, wie eigentlich generell in der arabischen Gesellschaft, weiterhin einen wichtigen Stellenwert. Schon ab Mitte 20 wird es kritisch, einen geeigneten Mann zu finden, erfahre ich im Rahmen der Diskussionsrunde zum Thema: „Frauen in Qatar und den arabischen Emiraten.“ Wenn sich keiner für die Tochter interessiert, bekommt man als Mädchen schnell das unterschwellige Gefühl, man wird den Eltern eine Last, merkt eine arabische Teilnehmerin an. Auch wenn natürlich die Eltern einem dieses Gefühl gar nicht geben. Allerhöchste Priorität habe inzwischen für junge Frauen in den Emiraten eine Hochschulausbildung. Erst der Uniabschluss, dann sehen wir weiter. Diese Worte stimmen Ruba al-Hassan, eine junge, engagierte Mitarbeiterin des „United Nations Developement Programs“ in Abu Dhabi wieder milde.

„Mein Universitätsdiplom ist wie eine Waffe“

  Blick ins Auditorium der „Women as Global Leaders Conference“
  Blick ins Auditorium der „Women as Global Leaders Conference“

Ruba erklärt in fließendem Englisch, warum es so wichtig ist, dass die einheimischen Frauen am Arbeitsprozess aktiv teilnehmen und ihr Können und Wissen konstruktiv einbringen. Sie wird richtig fuchsig, wenn sie sieht, wie hochqualifizierte junge Frauen ihre Talente ungenutzt lassen und es vorziehen zuhause zu sitzen. Denn eines Tages sollen doch mehrheitlich die Emiratis wichtige Schlüsselpositionen besetzen und nicht nur die sogenannten Expatriates, die Arbeitskräfte, die aus aller Welt geholt werden.

Ruba macht unter Zustimmung aller anwesenden, bunt gemischten Teilnehmerinnen aus aller Welt, unmissverständlich deutlich: Hausfrau und Mutter müsse endlich als Beruf anerkannt werden. Diese Tätigkeit sei eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Richtig ärgerlich wird sie, wenn Absolventinnen nur vorgeben, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter zu erfüllen, in Wirklichkeit aber die Haushaltsführung und Kindererziehung den sogenannten Nannies überlassen, während sie selbst fast ausschließlich ihren Hobbies frönen.

„Mein Universitätsdiplom ist wie eine Waffe“ - ruft eine Studentin aus Quatar selbstbewusst in die Runde. Die wenigen anwesenden Männer zucken erschrocken zusammen. „Wenn mein Mann mich eines Tages ärgert und mir komisch kommt, dann halte ich ihm mein Zeugnis ins Gesicht und erkläre ihm, dass ich auch sehr wohl für mich selbst sorgen kann“, führt sie energisch aus. Einige Teilnehmerinnen schmunzeln und Ruba al-Hassan kann sich ein wohlwollendes Grinsen nicht verkneifen. Und auch die Männer ringen sich schicksalsergeben ein Lächeln ab.

Sie treten an, um Schlüsselpositionen zu besetzen

Genau das ist es, was die neue Generation von Frauen in den Emiraten möchte: eine solide Ausbildung, Fremdsprachenkenntnisse, Unabhängigkeit und die meisten von ihnen auch einen guten Job, um zum wirtschaftlichen Erfolg ihres Landes beizutragen. Erst investiert das Land in ihre Ausbildung, dann geben sie dem Staat Unterstützung in Form ihrer unternehmerischen Leistung zurück. Neben dem finanziellen gibt es damit auch einen ideologischen Aspekt als eine Art Antriebsmotor, der sie alle verbindet. Sie lieben ihr Land und verehren Scheich Zayed al- Nahyan, den 2004 verstorbenen Emir des Landes. Er war unermüdlich bestrebt, die Rolle der Frau in den Emiraten zu stärken. Zayed al- Nahyan ist nicht nur Gründervater der Zayed-Universität in Abu Dhabi und Dubai mit heute rund 2500 Studentinnen. Er gilt auch als
Pionier und Förderer zahlreicher Initiativen, zur Aufwertung der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Unter anderem setzte der Scheich sich für flächendeckende Schulausbildung der Frauen ein. Inzwischen erhalten 85 Prozent der Mädchen in den Emiraten eine Schulausbildung, 15.000 sind derzeit an den Universitäten immatrikuliert – Tendenz steigend.

Die Witwe von Scheich  Zayed al- Nahyan, Hoheit Scheikha Fatima bint Mubarak, ist u.a. Vorsitzende der Frauenunion und des „Scheikha Fatima bint Mubarak Program for Leadership“, einer Stiftung zur Ausbildungsförderung junger Frauen für künftige Führungspositionen. Seit über drei Jahrzehnten ist auch sie eine engagierte Kämpferin in Sachen Rechte der Frauen - mit großem Erfolg. Die Emirate haben auf diesem Gebiet eine Vorbildfunktion in der arabischen Welt.

Männerfeindlich sind sie nicht – sie wollen die Gesellschaft gemeinsam verändern

Königin Rania von Jordanien während ihrer Rede  
Königin Rania von Jordanien während ihrer Rede  

„Nein, wir sind nicht gegen Männer“, erklärt Hanan, „wir wollen uns gleichberechtigt in der Gesellschaft positionieren, dies geht sowieso nur gemeinsam“. Und dann fügt sie hinzu: „Wir dürfen vor allem nicht vergessen, dass schließlich ein Mann Wegbereiter dieser Entwicklung war, nämlich Scheich  Zayed.

Besonders hoch steht der Studiengang „Business and Administration“ bei den Studentinnen  im Kurs. Das liegt auch daran, dass nicht wenige von ihnen eventuell auch einmal ihre eigene Firma eröffnen möchten. So zum Beispiel Samah, Marketing-Studentin, die in einem Jahr ihren Abschluss in der Tasche haben wird. Nach ihrem Masters würde sie gerne in einer internationalen Firma arbeiten oder gleich eine eigene gründen. „Es ist toll, welche Möglichkeiten wir Frauen in den Emiraten nun haben, wir erfahren sehr viel Unterstützung von unseren Familien, und auch die Regierung hilft uns mit interessanten Förderprogrammen, wenn wir eine gute unternehmerische Idee haben“, erzählt sie mir begeistert. „Ganz genau“, bekräftigt ihre Freundin Sheikha und nickt. „Uns eröffnen sich völlig neue Perspektiven.“

Sheika ist 20 Jahre jung und erhält in einem Jahr ihren Bachelor in „Business and Finance“. Sie möchte eines Tages unbedingt eine Führungsposition bekleiden, genau wie ihr Vater, der ihr großes Vorbild ist. Regelmäßig begleitet sie ihn auf seinen Geschäftsreisen, auch nach Europa, und guckt sich wissbegierig schon mal einige Verhandlungsstrategien ab. „Er ist ganz stolz auf mich und freut sich darauf, mich bald als seine Geschäftspartnerin vorzustellen“, witzelt sie vergnügt. Aber rein um davor noch mehr Erfahrungen zu sammeln, würde sie gerne ein paar Jahre in einer grossen Consulting-Firma arbeiten. Sie zählt eine Reihe namhafter Unternehmen auf, die wohl auch bei deutschen Absolventen die Wunscharbeitgeber wären.

Die Gespräche im luxuriösen Ambiente des Emirates Palace zeigten immer wieder, dass die Träume, Wünsche und Ziele der arabischen Studentinnen sich kaum von den erhofften Zukunftsperspektiven europäischer oder amerikanischer Absolventinnen unterscheiden. Den Wunsch nach einem guten Job, finanzieller Unabhängigkeit, gesellschaftlicher Anerkennung und einem glücklichen Privatleben könnte man als international einigendes Band bezeichnen. Allerdings ernte ich ungläubiges Kopfschütteln, als ich den interessierten Studentinnen unser deutsches Hochschulsystem erkläre. Das ist ja total umständlich finden sie und die Abschlüsse Magister und Diplom erscheinen ihnen fremd. Verwundert sind sie vor allem über das vergleichsweise hohe Alter unserer Uni-Absolventen. Es belustigt sie geradezu - und ich wechsle lieber das Thema.

Traditionelle Araber haben ihre liebe Not damit, die jungen Frauen zu verstehen

Die Studentinnen der Zayed-Universität studieren engagiert und mit viel Ehrgeiz, vielfach auch mit Auszeichnung. Vielleicht um es auch den Skeptikern in ihrer Gesellschaft zu zeigen, die noch immer an den althergebrachten Wertvorstellungen festhalten. Denn die gibt es natürlich, allen innovativen Entwicklungen zum Trotz.

Mir fiel zum Beispiel eine amüsante Situation an einer roten Ampel in Abu Dhabi auf, als alle 1.200 Teilnehmerinnen der Konferenz im Buskonvoi mit Polizeieskorte auf dem Weg zu einer Galaveranstaltung in der Wüste waren. Nebenbei bemerkt, eine logistische Meisterleistung unserer arabischen Gastgeber. Alle Busse trugen die prägnante Aufschrift: „Women as Global Leaders Conference 2006“. Zwei ältere, traditionell gekleidete Herren, mit hennarot eingefärbtem Bart, wurden Zeuge dieser Situation. Sie studierten eindringlich die Aufschrift unserer Busse, deuteten auf uns und quittierten das, was sie sahen, mit Kopfschütteln. Schließlich richteten sie die Hände nahezu flehentlich in Richtung Himmel. So, als wollten sie sagen: Oh, was sind nur für Zeiten angebrochen.

„Meine Eltern verstehen auch nicht, warum ich unbedingt arbeiten möchte, sie sagen immer, ich hätte doch alles“, flüstert mir eine komplett verschleierte Studentin zu. Sie möchte ihren Namen aber lieber nicht in einem Artikel wieder finden, denn ihre Eltern seien da etwas streng. Trotzdem unterstützen sie ihre Tochter sehr. Und als sie kürzlich eine von ihr gestaltete Webseite angesehen hätten, wären sie richtig stolz auf sie gewesen, sagt sie. Sogar ihr Bruder habe sie bewundert. Mir ist klar: das gleicht einem Ritterschlag.

Später treffe ich Zein, 25, die kurz vor ihrem  Masterabschluss steht, den sie u. a. . in Pädagogik anstrebt. Zein lebt in Kanada und hat palästinensische Wurzeln, sie spricht fließend englisch und arabisch und hat schon zwei Jahre an der internationalen Schule in Abu Dhabi Englisch unterrichtet. Ihre Schüler waren sechs Jahre alte Buben aus Abu Dhabi. Ja, sie würden schon sehr verwöhnt, die Jungen, wie kleine Prinzen eben, aber die Mädchen seien deshalb nicht unterdrückt. Zein war öfter Gast bei einheimischen Familien, und die Mädchen seien alle sehr selbstbewusst und aufgeschlossen gewesen.

Die positive Stimmung hat eine ganze Generation erfasst

  Dr. Rola Dashti, u.a. Vorsitzende der Wirtschaftskammer Kuwait und eine der bekanntesten Frauenrechtsaktivistinnen der arabischen Halbinsel während einer Podiumsdiskussion.
  Dr. Rola Dashti, u.a. Vorsitzende der Wirtschaftskammer Kuwait und eine der bekanntesten Frauenrechtsaktivistinnen der arabischen Halbinsel während einer Podiumsdiskussion.

Eine Studentin, die unser Gespräch mitbekommen hat, bestätigt dies. „Erzähl ruhig, was wir alles können und wie wir unsere Freizeit verbringen“ sagt sie. Und zählt gleich auf: „Wasserskifahren, reiten, ins Kino gehen, schwimmen“- sie hört gar nicht mehr auf mit ihrer stolzen Auflistung.

Die vielen Workshops auf dem Kongress spiegelten diese positive Stimmung wieder. Die  Aufbruchstimmung bei den jungen Frauen der arabischen Halbinsel war überall greifbar. Sie blicken enthusiastisch in die Zukunft, sie sind voller Ideen und Tatendrang. Jedoch heißt es bei ihnen nicht Kind oder Karriere, sondern aufgrund der traditionellen Strukturen, der immer noch üblichen Großfamilie und der meist auch priviligierten wirtschaftlichen Sitaution, gibt es hier keinen Konflikt. Natürlich könnte der Ehemann einen Strich durch die Rechnung machen und zur Aufgabe des Jobs drängen. Aber das müsste man eben zusammen vorher abklären, sagen sie.

Szenenwechsel: Ich folge interessiert einer Podiumsdiskussion im vollbesetzten Auditorium des Emirates Palace. Jetzt ist das Publikum gefordert - auf Karteikarten kann man seine Fragen an die Teilnehmerinnen auf der Bühne stellen. Die amerikanische, mehrfach ausgezeichnete Starjournalistin Linda Ellerbee, Moderatorin der Runde, ist in ihrem Element und zückt das erste Kärtchen. Die Frage geht an eine Vertreterin des Königreichs Saudi-Arabien, Lama al-Sulaiman, u. a. Mitglied der Geschäftsleitung der Industrie - und Handelskammer in Jeddah und weiterer namhafter Firmen. Wie sie denn allen Ernstes von der verbesserten Situation der Frauen in ihrem Land sprechen könne, möchte eine Zuhörerin wissen, wenn Frauen in Saudi-Arabien noch nicht einmal Autofahren dürften. Da könne man doch nicht von Reformen sprechen.

Aber Autofahren ist noch immer Männersache – das gilt als Tradition

Stille im Saal, alle scheinen die Adressatin regelrecht zu hypnotisieren. Nun ja, startet Lama al-Sulaiman einen Erklärungsversuch, das hätte sie schon geahnt, dass diese Frage kommen würde. Aber Autofahren habe doch nichts mit Frauenrechten zu tun, das sei eher eine Frage der Tradition in ihrem Land. Sie könne die Aufregung darüber gar nicht verstehen. Saudische Frauenorganisationen würden diesem Thema jedenfalls keine Priorität einräumen.

Die anderen Teilnehmerinnen der Fragerunde sehen etwas irritiert drein, das Publikum regt sich nicht und Lama al-Sulaiman zieht ihren Schleier etwas tiefer ins Gesicht, so als würde sie sich am liebsten darunter verstecken. Richtig zufrieden sieht sie dabei nicht aus, und vielleicht wäre sie wirklich ganz gerne einen kurzen Moment lang unsichtbar.

„Die Dinge verändern sich auch in Saudi-Arabien, und wir sind auf einem guten Weg, die Zeit ist reif für Reformen, wir wissen, es gibt viel zu tun“, fügt sie schnell hinzu. „Wir haben gut ausgebildete junge Frauen, die jetzt auf der Straße des Fortschritts als Pioniere vorangehen und eine Vorbildfunktion einnehmen können, sie erhalten alle Unterstützung.“ Deutliche Erleichterung im Saal mit viel Applaus. Die Moderatorin hat ein Einsehen und zieht das nächste Kärtchen.

Ich muss spontan an den Vortrag von Hanaa al-Moaibed denken, sie ist Tochter einer amerikanischen Mutter und eines saudischen Vaters. Nach Studienaufenthalten in England und den USA kehrte sie nun frisch promoviert nach Saudi-Arabien zurück, um ihr Land im Reformprozess zu unterstützen. „Unser Land braucht Leute wie uns“, appellierte sie an die anwesenden Studentinnen, „wir kennen unsere Gesellschaft und können doch nach einer exzellenten Ausbildung nicht einfach im Ausland bleiben. Wir müssen dazu  beitragen, die Veränderungen im Land auf den Weg zu bringen, Saudi-Arabien braucht uns. Veränderungen können nur aus der Gesellschaft selbst entstehen und nicht von außen aufgedrückt werden.“
Ja, genau das ist es, was sich die arabischen Studentinnen wünschen. Die Reform von innen, aus eigener Kraft. Andere Nationen, „der Westen“, können und sollen nur Impulse geben, unterstützend wirken, Denkanstöße vermitteln. Handeln wollen und müssen die Frauen in der Region letztlich selbst.

Junge Araberinnen haben heute ein eigenes Konto und verfügen allein über ihr Geld

Von links nach rechts: Dunja, Magda, Nadja und eine weitere Studentin der Zayed-Universität während des Empfangs, den die Studentinnen am Vorabend der Konferenz organisierten.  
Von links nach rechts: Dunja, Magda, Nadja und eine weitere Studentin der Zayed-Universität während des Empfangs, den die Studentinnen am Vorabend der Konferenz organisierten.  

In einer anderen Veranstaltung äußern arabische Studentinnen aber auch erste Zweifel an möglichen, ungewollten Auswirkungen der neuen Emanzipation. Toni Briegel und Jaye Zivkovic, Dozentinnen an der Zayed-University stellten ihre Studie zum Thema „Die finanzielle Situation  der Frauen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (V.A.E.) und ihr Umgang mit Geld“ vor. Entgegen stereotyper Vorstellungen des Westens, arabische Frauen könnten nicht über ihr Geld frei verfügen, ergab die Studie, dass einheimische Frauen nicht nur eigene Konten hätten, sie bestimmen, auch wofür sie ihr Geld ausgeben.

„Gepriesen sei der Islam und unser Prophet Mohammad“, ruft eine Studentin und ihre Kommilitoninnen stimmen ihr zu. „Der Islam schützt uns Frauen.“ Eine Teilnehmerin aus Qatar erklärt, dass in ihrer Gesellschaftsordnung der Mann komplett für alle Haushaltsausgaben, sowie die Ausgaben für Frau und Kinder aufkommen müsse. Das wäre völlig selbstverständlich. Auch dürfe der Mann das Vermögen der Frau nicht antasten, egal ob sie es in die Ehe eingebracht oder während der Ehe verdient habe. Natürlich könne die Frau etwas zum Lebensunterhalt freiwillig beisteuern, dies würde jedoch niemand wirklich erwarten. So sei das im Islam. Eine Dame mittleren Alters aus den USA nickt bewundernd, ja das sei schon wunderbar.

„Aber das Problem ist“, merkt eine resolute junge Frau an, „dass sich die Männer durch die wachsende Emanzipation der Frau eines Tages aus der Verantwortung ziehen könnten und nicht mehr für alles aufkommen würden. „Wenn wir eigenes Geld verdienen möchten und unabhängig sein wollen – gut, aber dann mit allen Konsequenzen. Damit bürden wir uns eine enorme Verantwortung auf – daran müssen wir auch denken.

Werden die Männer mit der neuen Rolle ihrer Frauen zurechtkommen?

Eine hitzige Diskussion entsteht, aber eine rechte Lösung ist nicht in Sicht. - Von derartigen Argumenten hält Rola Dashti, eine der bekanntesten Frauenrechtsaktivistinnen aus Kuwait und promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin überhaupt nichts. Rola weiß, was sie will und ist stolz auf das, was in Kuwait erreicht wurde. Sie präsentiert sich selbstsicher im weißen Hosenanzug und bietet allen Skeptikern Paroli. Rola Dashti ist Geschäftsführerin einer internationalen Wirtschaftsberatungsfirma in Kuwait und hält zahlreiche Positionen inne, u. a. wurde sie zur ersten Vorsitzenden der Wirtschaftskammer Kuwait gewählt. Seit deren Gründung im Jahre 1970 ist Frau Dashti die erste Frau, die dort überhaupt einen Posten erhielt.

Besonders stolz ist sie darauf, dass nach über 30 Jahren unermüdlichen Kampfes der Frauenrechtsbewegung, das arabische Kuwait endlich im Jahre 2005 dem Frauenwahlrecht zugestimmt hat. Natürlich kandidiert Rola für ein Amt bei den nächsten nationalen Wahlen im Jahre 2007. Unverblümt äußert sie auf der Bühne des vollbesetzten Auditoriums Kritik an der Reformbedürftigkeit der starren politischen Systeme, sowie der gesellschaftlichen Strukturen. Sie bekommt Standing Ovations, minutenlanger Applaus füllt den Saal.

Der Vorschlag, nun müsse eben auch der Mann sich um die Erziehung der Kinder kümmern und eine Stütze im Haushalt sein, geht dann vermutlich aber doch zu weit. Diese Zukunftsvision löst bei den anwesenden Herren aus den Emiraten jedenfalls nur ein gequältes Lächeln aus. Ob Scheich Zayed das wohl so gemeint hat?

*

Magda Luthay studiert im 7. Semester Islamwissenschaften, Semitische Philologie und Neuere und Neueste Geschichte. Sie steht kurz vor der Magisterarbeit. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit der Situation der Frau in der islamisch geprägten Gesellschaft, der Medienentwicklung in arabischen Ländern, sowie den politischen Systemen in Libyen und auf der arabischen Halbinsel. Außerdem ist ihr der interreligiöse Dialog ein Anliegen. Magda Luthay spricht fließend Englisch, Französisch und Arabisch und verfügt über gute Kenntnisse in Ivrit, sowie Grundkenntnisse in Persisch.

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