Selbstbewußte Töne an Rußlands Süd-West-FlankeOSTEUROPA

Selbstbewußte Töne an Rußlands Süd-West-Flanke

Der Staatenbund GUUAM will die russische Militärpräsenz in den Mitgliedsstaaten beenden. Der ukrainische Präsident Juschtschenko fordert die Regierung „Pridnjestrowiens“ auf, freie Wahlen abzuhalten und internationale Rüstungskontrolleure einreisen zu lassen.

Von Ulrich Heyden

Für Rußland wird es an seiner Süd-West-Flanke zunehmend ungemütlich. Nach den bunten Revolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisien will die Regionalorganisation GUUAM – ein Bündnis von Georgien, der Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan und Moldawien – nun ohne Moskau für Stabilität und Sicherheit im Gebiet der Mitgliedsländer sorgen. Das Gebiet der Organisation, welche 1997 mit der Absicht auf eine gemeinsame Integration in europäische und euroatlantische Strukturen gegründet wurde, deckt sich zufällig mit den strategischen und Energieinteressen der USA. So war es kein Wunder, daß Washington in den vergangenen Jahren viel lobende Worte für das Bündnis fand. Moskau versuchte im Gegenzug mit der Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion – bestehend aus Rußland, Weißrußland, Kasachstan und der Ukraine – den eigenen Einfluß zu sichern. Doch mit dem Führungswechsel in der Ukraine ist das Moskauer Projekt ernsthaft in Frage gestellt.

Dem Kreml die Stirn bieten

Auf dem GUUAM-Gipfel Mitte April in der moldawischen Hauptstadt Chisinau schlug der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko einen selbstbewußten Ton an. Kiew will kein kleiner Bruder von Moskau mehr sein. Zusammen mit Tiflis, Baku und Chisinau will Kiew Moskau die Stirn bieten. Man steckt eigene Interessenssphären ab. Juschtschenko hat von seinen Amtskollegen in Moskau und Washington gelernt. „Die wachsenden Gefahren, ausgehend von Terrorismus, Separatismus, Extremismus und transnationalen Verbrechen – das sind direkte Bedrohungen für die Demokratie und die wirtschaftliche Entwicklung,“ erklärte der ukrainische Präsident in Chisinau. Dies gelte in gleichem Maße für die „eingefrorenen Konflikte“ in den GUUAM-Mitgliedsländern.

Gemeint sind die vier selbsternannten „Republiken“, die in blutigen Bürgerkriegen nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden. Diese separatistischen Gebilde behinderten die wirtschaftliche Entwicklung und die Integration in europäische Strukturen, so Juschtschenko. Zu den vier selbsternannten „Republiken“ gehören das auf aserbaidschanischem Territorium liegende Nagorni-Karabach, die in Georgien gelegenen „Republiken“ Abchasien und Süd-Ossetien, sowie Pridnjestrowien (Transnistrien) in Moldawien. Bis auf Nagorni-Karabach werden die Gebiete direkt von Rußland unterstützt.

GUUAM: „Bollwerk demokratischer Umgestaltung“

Juschtschenko bezeichnete die GUUAM als „Bollwerk und Garant demokratischer Umgestaltung und Stabilität in der Region zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer.“ Der ukrainische Präsident schlug vor, daß sich die fünf GUUAM-Staaten mit gemeinsamen Militäreinheiten an Operationen der OSZE und der Vereinten Nationen beteiligen sollten. Seit langem träumt Kiew auch davon, die russischen Friedenstruppen in den georgischen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien durch eigene Kräfte abzulösen.

Der Gipfel in Chisinau forderte den Abzug der russischen Truppen aus Moldawien und Georgien, wie es auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul 1999 beschlossen wurde. Zum Konflikt um Pridnjestrowien, welches sich 1991 von Moldawien abgespalten hat, konnten sich die Gipfelteilnehmer auf keine gemeinsame Position einigen. Kiew spricht der Führung von Pridnjestrowien die Legitimität ab. Juschtschenko forderte, „in nächster Zeit“ müßten in der zwischen der Ukraine und Moldawien gelegenen Provinz freie Wahlen unter internationaler Aufsicht stattfinden. Die USA und die EU müßten in die Konfliktlösung mit einbezogen werden. Der ukrainische Präsident forderte die Macht in Pridnjestrowien auf, internationale Beobachter in die Provinz einreisen zu lassen, damit diese die Rüstungsbetriebe kontrollieren könnten. Seit längerem versucht die Ukraine den Schmuggel mit den in der Provinz hergestellten Waffen zu stoppen.

Blumen für Lenin

Moskau versuchte die Ergebnisse des Gipfels in Chisinau kleinzureden. Michail Margelow, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrates, erklärte, die GUUAM sei eine ideologische Plattform zur „möglichst weiten Verbreitung“ des Geistes der „orangefarbenen Revolution“. Derartige Bestrebungen würden aber letztlich nur dazu führen, daß in den ehemaligen Sowjetrepubliken die Zahl der Anhänger einer Annäherung an Moskau wieder wachse.

Mit Befriedigung stellte man in Moskau fest, daß der usbekische Präsident dem Treffen in Chisinau ferngeblieben war. Islam Karimow, der sein Land seit 1989 ununterbrochen regiert, fühlt sich im Kreis der bunten Revolutionäre aus Tiflis und Kiew offensichtlich nicht wohl. Genüßlich zeigte der russische Fernsehkanal NTW wie der moldawische Präsident, Wladimir Woronin, der jetzt den GUUAM-Vorsitz vom georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili übernommen hat, vor einigen Tag am Lenin-Denkmal in Chisinau Blumen niederlegte. Woronin ist auch Vorsitzender der „Partei der Kommunisten Moldawiens“, welche mit ihrem Programm für einen schnellen Anschluß an die EU die Parlamentswahlen gewonnen hatte. Wegen der russischen Truppen in Pridnjestrowien hat sich der Kommunist Woronin mit Putin zerstritten. Juschtschenko und Saakaschwili waren davon angetan und unterstützten Woronin im Wahlkampf.

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