13.01.2023 14:10:35
GELESEN
Von Hartmut Wagner
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„Tee im Garten Timurs – Die Krisengebiete nach dem Irak-Krieg“ von Michael Lüders |
EM – Der Titel des Buches ist unglücklich gewählt. Warum eine Teestunde im Garten des einstigen Herrschers über Zentralasien dafür herhalten mußte, Michael Lüders neuestem Buch den Namen zu geben, bleibt ein Rätsel. Auch der Untertitel ist mißverständlich. Der Autor ist nämlich keineswegs der Auffassung, daß infolge des letzten Irak-Kriegs der USA die Zahl der eurasischen Krisengebiete abgenommen hätte. Im Gegenteil, ähnlich wie bereits Zbigniew Brzezinski oder Peter Scholl-Latour befürchtet er, in absehbarer Zukunft könnte ein durchgehender Krisenbogen vom Nahen Osten über Zentralsien bis nach Indien entstehen. In dieser Schlacht würden sich islamistische Kalaschnikow-Kämpfer und amerikanische GIs gegenüber stehen.
Der feuilltonistisch aufpolierte Titel verschweigt, daß es sich bei dem Buch von Lüders um eine Einführung in Politik und Geschichte der Staaten innerhalb des „Krisenbogens“ handelt. Der Autor – Islamwissenschaftler und Politologe – möchte „Zusammenhänge aufzeigen und erklären, neugierig machen auf andere Welten“. Diesem Anspruch wird das Buch auch gerecht. Es ist sprachlich überzeugend formuliert und wechselt geschickt zwischen Reportage und Sachtext.
Die vom Autor ausgewählten Krisengebiete werden der Reihe nach behandelt: die fünf mittelasiatischen GUS-Republiken Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, außerdem der Irak, Afghanistan und der Nahostkonflikt. Das eigentlich Bemerkenswerte an Lüders Veröffentlichung ist nicht die Analyse der eurasischen Problemzone. Hier vertritt er eine weithin verbreitete Sichtweise der Dinge: Der Westen habe die Aufgabe den Völkern des „Krisenbogens“ solidarisch beizustehen und müsse sie zudem gegen ihre demokratisch nicht legitimierten Unterdrücker verteidigen. Die Bewohner der arabischen Welt sehnten sich nach Freiheit und Demokratie und seien ihrer gegenwärtigen Regime überdrüssig.
Von Falken in den USA und Europa unterscheidet sich der Verfasser allerdings dadurch, daß er Präventivkriege und überhaupt den „Anti-Terror-Krieg“ für falsch hält. Beide dienten sie in erster Linie der Durchsetzung materieller und machtpolitischer Interessen des kriegsführenden Staates. Der Nahost-Kenner, der selbst in Damaskus studiert hat, setzt auf kulturellen Dialog und lehnt es ab, westliche Wertvorstellungen gewaltsam zu verbreiten. „Die Freiheit, die wir meinen, wie sie insbesondere die amerikanische Regierung unter Präsident Bush vertritt, ist eine Moral unter Waffen, die nicht den Ausgleich sucht, sondern die Festigung bestehender Vorherrschaft.“
Mit seiner Beurteilung des Dauerkonflikts zwischen Israel und Palästina dürfte sich Lüders in Deutschland unterm Strich mehr Feinde als Freunde gemacht haben. Darüber ist er sich aber im Klaren, er weiß um das Hauptproblem der Palästinenser: Sie haben im Gegenteil zu den Israelis nicht einen einzigen Repräsentanten in Deutschland, der ihre Sichtweisen und Anliegen medientauglich vertritt. Schon allein deswegen hat man es zwischen Rhein und Oder schwer, wenn man auf berechtigte palästinensische Forderungen aufmerksam macht. Der Politikwissenschaftler verurteilt die koloniale Zielsetzung der jüdischen Siedlerbewegung und kritisiert, daß der Position Israels im Friedensprozeß seit dem Abkommen von Oslo (1993) ungleich mehr Gewicht beigemessen wurde als dem Standpunkt der Palästinenser. Lüders resümiert: Den Schlüssel zum Frieden verwahrt der „Goliath Israel“, nicht der „David Palästina“.
Arabien Rezension Zentralasien
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