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GELESEN
Von Friedrich Georg Wick | 15.12.2013
Das Buch lasse „zum Fest der Liebe keine Frage offen“, verspricht der Klappentext des Verlags - das klingt noch ein bisschen vollmundiger als der Titel selbst. Also ist es unumgänglich, die Irrtümer über Weihnachten einmal aufzuzählen, die „entlarvt“ und von denen wir als Leser quasi geheilt werden sollen:
24 Irrtümer über Weihnachten? Weshalb nicht 12 oder 36? Warum es genau 24 sind, mag man sich tatsächlich fragen. Aber das wird klar, wenn man die Verlagsstrategie kennt: hier soll eine Art Adventskalender der Weihnachtsirrtümer präsentiert werden – und da bedarf es eben dieser 24 Irrtümer-Türchen.
Sie tragen folgende Namen:
24 schwerwiegende Irrtümer auf 224 Seiten, da kann man sich leicht ausrechnen, wie viel Zeilen etwa für die einzelne Entlarvung bleiben. Es sind äußerst schwerwiegende historische und philosophische Probleme, um die es geht. Da könnte locker jedes einzelne mehrere Bücher füllen. Und in der Tat gibt es diese Bücher auch.
Die „Entlarvungen“ in Claudia Weingartners Werk sind dagegen äußerst dürftig abgehandelt. Die Autorin ist Kommunikationswissenschaftlerin, hat also u. a. Marketing, Kommunikationstheorie und Werbung studiert. Flott bis flapsig geschrieben, kommunikativ zugespitzt, mit einer knalligen Schlagzeile versehen. „Das Christkind ist ein blonder weiblicher Engel“. Und jetzt erfahren wir wie es wirklich ist, mit dem Christkind? - Nein, alles bleibt oberflächlich, boulevardesk, verkürzt, subjektiv, populistisch.
Auch die zweifelsohne hochinteressante Frage, wie alt das Weihnachtsfest ist, ob es mit dem Christentum begonnen oder ob es Vorläufer gegeben hat, wird derart abgehandelt. Hierzu schreibt die Autorin: „Inwieweit das Christentum mit dem Weihnachtsfest auf bereits vorhandene Bräuche aufsattelte, ist unter Historikern umstritten“. Das hätten die meisten Leser vielleicht auch ohne das Büchlein gewusst.
Und weiter: „Zum Beispiel nicht eindeutig geklärt ist, wie verbreitet der Sonnenkult war und ob dieser überhaupt eine Konkurrenz zum gänzlich anders ausgerichteten Christentum darstellte. Zudem ist diese These umso heikler, als sich auch die Nazis ihrer bedienten.“ Die Nazis haben den Sonnenkult sicher nicht erfunden. Und wenn unklar ist, ob es sich überhaupt um eine Konkurrenz zum Christentum handelt – dann sind die Nazis vielleicht auch reingefallen oder was?
Als ein „Argument“, das einen Irrtum widerlegen soll, erscheint das ein wenig dürftig. Man bezeichnet so etwas nicht von ungefähr auch als „Totschlagargument“ - und davon gibt es leider einige in diesem Buch.
Ein ums andere Mal taucht beim Lesen zudem die Frage auf, was nun eigentlich wirklich Irrtümer über Weihnachten sind, denen man aufgesessen sein soll und welche erst die Autorin ganz einfach zu Irrtümern erklärt hat, weil damit das Konzept der 24 Entlarvungen aufgehen soll. Amüsant ist jedenfalls, was so alles als Irrtum herhalten muss, von dem man möglicherweise noch nie gehört hatte. Einiges ist auch längst bekannt, wie etwa die Sache mit dem Termin für Weihnachten, die Jesusgeburt oder die Legende von den Heiligen Drei Königen. Hier läuft die „Entlarvung“ dem Allgemeinwissen hinterher.
Dass es an Weihnachten, am „Fest der Liebe“ auch Familienkräche und Dramen aller Art gibt, darf natürlich nicht fehlen. Aber die gibt es auch an Hochzeitstagen, bei Karibik-Turns und auf Betriebsfeiern zum Beispiel.
Letztlich werden im vorliegenden Buch nicht einmal Weihnachtshasser wirklich auf ihre Kosten kommen – denn dazu ist es einfach zu wenig „entlarvend“. Weihnachten, so wird man am Ende als Erkenntnis mitnehmen, ist tatsächlich ein Mythos. Warum das so ist, was sich ereignet hat in der Seele so vieler Generationen von Menschen VOR Claudia Weingartner – zu erfahren, was Weihnachten zu diesem Mythos macht, das wäre es gewesen.
Was bleibt am Ende? Man kann einen Mythos nicht einfach entlarven oder gar widerlegen, man kann allenfalls versuchen, ihn zu zerstören. Die Autorin hat mit diesem Buch beides nicht geschafft. Und das ist gut so.
*
Rezension zu „Alles Mythos! 24 populäre Irrtümer über Weihnachten“ von Claudia Weingartner, Theiss Verlag 2013, 224 Seiten, 16,95 Euro, ISBN-13: 978-3806226867.
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