Wenn das Schwerkraftmonster die Erde verschlingtEM-INTERVIEW

Wenn das Schwerkraftmonster die Erde verschlingt

Wenn das Schwerkraftmonster die Erde verschlingt

Bestsellerautor Rolf Froböse hat einen Roman geschrieben, der sich mit dem neuesten und geheimsten Wissen der Forschung befasst: den Schwarzen Löchern. Es geht um Versuche am Teilchenbeschleuniger CERN, der Urknallmaschine. Bisher gab es dort ein beängstigendes Szenario an Pannen. In Froböses Roman tritt der „Worst Case“ ein, der schlimmste Fall. Ein gigantischer Rettungsplan soll verhindern, dass die Erde implodiert. Aber die im Roman beschriebene Technologie zur Bewältigung des Problems wird erst in fünf bis zehn Jahren zur Verfügung stehen.

Von Hans Wagner

Zur Person: Rolf Froböse
Dr. Rolf Froböse arbeitete nach dem Studium der Chemie als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Max-Planck-Gesellschaft, war Ressortleiter beim Technologiemagazin ?high Tech? und Chefredakteur der Zeitschriften ?Chemische Industrie? und ?Europa Chemie?. Seit 1995 berichtet er als freiberuflicher Wissenschafts- und Wirtschaftsjournalist über Themen aus Forschung und Technik. Aus seiner Feder stammen bereits mehrere populäre Sachbücher, darunter Bestseller wie ?Die geheime Physik des Zufalls?.
Rolf Froböse  
Rolf Froböse  

E urasisches Magazin: An einem Punkt im südwestlichen Eurasien, einhundert Meter unter der schweizerischen Stadt Genf, geraten ein paar mikroskopisch kleine Teilchen außer Rand und Band, und wenige Monate später verschwindet darin der gesamte Planet Erde. Seine Masse kreist fortan als schwarze, leblose Murmel von knapp einem Zentimeter Durchmesser  im Universum. Das ist das apokalyptische Szenario Ihres Thrillers mit dem Titel „Sekunde Null – das Urknall-Experiment“. Sie sind Wissenschaftler – glauben Sie an diese Gefahr oder ist das einfach nur ein hübsch reißerisch zu erzählender Stoff für einen Bestseller-Roman?

Rolf Froböse: In meinem Roman steht vorab folgender Satz: „Sämtlichen Erdenbürgern in der Hoffnung gewidmet, dass das hier geschilderte Risiko niemals Wirklichkeit werden möge!“ Das ist absolut ernst gemeint. Es gibt ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, auf das ich mit meinem Roman hinweisen und alle Leser wachrütteln möchte. Einen bekannten deutschen Chaosforscher und einen amerikanischen Kernphysiker, die diese Bedenken teilen, habe ich als Personen der Zeitgeschichte zu diesem Zweck in meinem Roman auftreten lassen.

EM: Das Conseil Européen de la Recherche Nucléaire (CERN), der Europäische Rat für Kernforschung, will in dem unter der Stadt liegenden 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel Elementarteilchen auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und damit Bedingungen erzeugen, wie sie bei der Entstehung des Universums bestanden haben. Im Herbst sollen die Versuche nach mehreren Pannen wieder aufgenommen werden. Ein tolles Marketing für Ihren Thriller, der im Juni erschienen ist. War das Ihre Absicht?

Froböse: Nein. Mit dem Thema Teilchenbeschleuniger befasse ich mich bereits seit geraumer Zeit. Die vorausgegangenen Störfälle haben mich allerdings sehr nachdenklich gemacht und letztendlich veranlasst, diesen Roman zu schreiben. Wer mich näher kennt, der weiß, dass ich eher das Gegenteil von einem Technikkritiker bin. Wenn ich mir allerdings das mit einem Milliardenbetrag an Steuergeldern finanzierte Szenario von Pannen betrachte, dann frage ich mich, ob die Verantwortlichen des Experiments die Technologie überhaupt beherrschen.

EM: Warum sind Sie mit diesem Stoff nicht an einen großen Verlag herangetreten sondern produzieren es bei BoD? Wollten Sie die Gelegenheit nutzen dem Autor Dan Brown  und seinem Bestseller „Illuminati“ Paroli zu bieten, in dem es um Antimaterie-Versuche am CERN geht? Haben Sie dafür  die Pannenpause in der Genfer  Riesenanlage genutzt, um genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt zu kommen?

Froböse: Ich habe bereits für große Verlage populärwissenschaftliche Bücher geschrieben. Vor ziemlich genau einem Jahr veröffentlichte ich – quasi als Versuch – ein Buch mit dem Titel „Die geheime Physik des Zufalls“ erstmals bei BoD. Da das Werk ein Bestseller wurde, habe ich mich entschieden, meinen ersten Roman ebenfalls bei BoD zu veröffentlichen. 

Ja – Dan Browns „Illuminati“ spielt auch am CERN. Böse Zungen behaupten sogar, das CERN und Roms Kirchen seien erst durch Dan Brown berühmt geworden. Allerdings schreibt Dan Brown über die Produktion von einem Gramm Antiwasserstoff am CERN, was völlig unrealistisch ist, denn die Herstellung von Antimaterie in dieser Größenordnung würde ein Tausendfaches der jährlichen Weltenergieproduktion verschlingen.

Zum Thema Dan Brown muss man wissen, dass viele Bestseller von den Verlagen im Vorfeld „gemacht“ werden. Und zwar durch zum Teil millionenschwere Werbemaßnahmen die dafür sorgen, dass diese Titel bereits Monate vor dem Erscheinungstermin in die Bestsellerlisten gelangen. In der Regel geht die Rechnung auf, denn die Buchhändler ordern diese Titel flächendeckend als so genannte Stapelware, die dann auf den Tischen direkt im Eingangsbereich liegt. Ich will nicht Dan Brown Paroli bieten sondern betrachte es vielmehr als sportliche Herausforderung, dieser Marketing-Gigantomanie einfach Qualität entgegenzusetzen, die sich dann einfach durch „Mund-zu-Mund-Propaganda“ durchsetzt. Die unfreiwillige Pause am CERN hatte auf das Erschienen meines Buches übrigens keinen Einfluss.

„An den ‚Faktor Mensch’ hat im Zusammenhang mit dem Urknall-Experiment bisher niemand so richtig gedacht“

EM: Einige Ihre Protagonisten sind als reichlich skrupellose und überhebliche Typen dargestellt. Sie forschen mit der Urknallmaschine des CERN nach dem so genannten Gottesteilchen. Geraten Menschen, die nach solchen letzten Dingen suchen in die Gefahr, selbst Gott spielen zu wollen?

Froböse: Diese Versuchung gibt es natürlich, schließlich sind Wissenschaftler auch nur ganz normale Menschen mit ihren guten oder schlechten Eigenschaften. Genau aus diesem Grund habe ich in meinem Roman auch aufgezeigt, dass gerade bei riskanten Versuchen wie am CERN die Gefahren nicht nur in der Technik lauern. An den „Faktor Mensch“ hat im Zusammenhang mit dem Urknall-Experiment bisher niemand so richtig gedacht.

EM: Sie haben selbst in wissenschaftlichen Instituten gearbeitet. Sind der Umgang und die Sprache Ihrer Figuren authentisch? Gibt es diese Ehrgeizlinge, die für den Nobelpreis über Leichen gehen und seien es die der gesamten Menschheit?

Froböse: Die Figuren sind durchaus authentisch, das kann ich aus langjähriger Erfahrung guten Gewissens behaupten. Im Wissenschaftsbereich gibt es, wie anderswo auch, skrupellose Ehrgeizlinge. Sie sind aber glücklicherweise eine Ausnahme. Deshalb gibt es in meinem Roman an einer Stelle auch eine Auflistung von dreisten Fälschungen, die glücklicherweise aufgedeckt worden sind. In einem Fall wurde der Fälscher sogar als heißer Kandidat für den Nobelpreis gehandelt.

Die Piranhas des Teilchenzoos

EM: In Ihrem Thriller macht sich die Hauptfigur Sven Herzog zwei Möglichkeiten für den Ausgang des CERN-Experiments bewusst: Entweder hat der britische Physiker Stephen Hawking recht, und eventuell entstehende winzige Schwarze Löcher zerfallen in Sekundenbruchteilen wieder. Oder ein Schwarzes Loch saugt immer mehr Masse auf, bis es schließlich den gesamten Planeten verschlungen hat. Sie entscheiden sich für die Katastrophe. Warum?

Froböse: Weil sich herausgestellt hat, dass Hawkings Berechnungen über die Strahlung Schwarzer Löcher davon ausgehen, dass die Krümmung des Ereignishorizonts vernachlässigbar ist. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist diese Rahmenbedingung bei kleinen Objekten nicht mehr erfüllt. Deshalb muss ich vom „Worst Case“ ausgehen, dem schlimmsten aller Fälle.

EM: Sie lassen einen amerikanischen Experten auftreten, der klipp und klar erklärt, Hawkings Annahme eines spontanen Zerfalls Schwarzer Löcher träfe offenbar nicht zu. Wird der als Genie angesehene Brite Hawking überschätzt?

Froböse: Nein – Hawkings ist wirklich ein Genie. Aber auch geniale Menschen sind nicht vor Irrtümern gefeit. Das hat auch Albert Einstein erfahren müssen.

EM: Die in Ihrem Thriller auftretenden Fachleute sagen, je kleiner ein Schwarzes Loch ist, desto aggressiver ist es. Demnach sind die als Micro Black Holes bezeichneten Gebilde sogar besonders gefährlich. Ist das wissenschaftlich korrekt?

Froböse: Unter der Voraussetzung, dass kleine Schwarze Löcher stabil sind, wofür es einige Indizien gibt, ist das korrekt. Denn je kleiner ein Schwarzes Loch ist, desto größer ist der Schwerkraftgradient in seiner unmittelbaren Nähe. Bei einem mikroskopisch kleinen Schwarzen Loch hätten wir demnach eine extreme Zunahme der Schwerkraft innerhalb atomarer Dimensionen. Solch ein Gebilde würde sich als winzige Fräse durch alles hindurch bohren und sich die Materie gierig einverleiben. In meinem Buch habe ich die kleinen Schwarzen Löcher daher als die Piranhas des Teilchenzoos bezeichnet.

Tsunamis von mehreren Kilometern Höhe

EM: An einer Stelle schildern Sie ziemlich anschaulich den Supergau, den das entstehende Schwarze Loch auf der Erde verursacht, wenn es sich im Erdkern festsetzt, und alles frisst was einmal unser Planet war. Woher wissen Sie das?

Froböse: Als Schwerkraftmonster würde ein Schwarzes Loch im Erdinnern über kurz oder lang eine Implosion unseres gesamten Planeten auslösen. Stunden vorher würde es durch die immer stärker werdende Schrumpfung der Erde zu verheerenden Erdbeben kommen, wobei die überschwappenden Ozeane gigantische Tsunamis von mehreren Kilometern Höhe produzieren würden.

EM: Ein amerikanischer Experte und eine russische Wissenschaftlerin müssen schließlich ausbügeln, was die größenwahnsinnigen Kollegen im schweizerischen Genf angerichtet haben. Ist das realistisch, was sich sozusagen im Wettlauf mit der Vernichtung abspielt?

Froböse: Im Prinzip ja. Das einzige Problem besteht allerdings darin, dass die im Roman beschriebene Technologie zur Bewältigung des Problems erst in fünf bis zehn Jahren zur Verfügung stehen wird.

So kann es kommen

EM: Im Herbst läuft die Teilchenbeschleunigung im 27 Kilometer langen Tunnel unter der Stadt Genf wieder an. Kann sich tatsächlich alles so, oder so ähnlich ereignen, wie Sie das in Ihrem Thriller darstellen?

Froböse: Ja – durchaus. Deshalb habe ich auch vorab in einer Widmung an die Menschheit die Hoffnung geäußert, dass das geschilderte Szenario nicht eintreten möge.

EM: Was würde im Katastrophenfall aus der Internationalen Raumstation ISS?

Froböse: Die Besatzung würde die Implosion des Erdballs live mitverfolgen und die Katastrophe zunächst überleben. Da sich die Schwerkraft insgesamt nicht ändert, würde die ISS vermutlich auf einer allmählich immer enger werdenden Bahn das Schwarze Loch umrunden. Mangels Nachschub von der nicht mehr existierenden Erde wären die Tage der Besatzung aber gezählt.

EM: Und was werden Sie machen, ab Herbst, außer Bücher zu verkaufen?

Froböse: Um den Verkauf der Bücher kümmert sich BoD wie ein ganz normaler Verlag. Ansonsten habe ich diverse neue Projekte in der Pipeline und werde natürlich auch die weiteren Entwicklungen am CERN kritisch verfolgen.

EM: Würden Sie sich, sobald die CERN-Versuche wieder anlaufen, lieber in ein Raumschiff setzen und die Erde verlassen, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?

Froböse: Nein. Erstens würde meine Familie dabei nicht mitmachen und zweitens frage ich mich, wohin die Reise gehen sollte? Bisher wurde eine zweite Erde im All noch nicht gefunden.

EM: Herr Froböse, haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch.

*

Lesen Sie zum Thema auch die Rezension des Buches „Sekunde Null – das Urknall-Experiment“ von Rolf Froböse in dieser Ausgabe.

Interview Medien Wissenschaft

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