„Wir werden georgische Aufklärungsflugzeuge über Abchasien abschießen, egal ob sie bemannt oder unbemannt sind.“EM-INTERVIEW

„Wir werden georgische Aufklärungsflugzeuge über Abchasien abschießen, egal ob sie bemannt oder unbemannt sind.“

„Wir werden georgische Aufklärungsflugzeuge über Abchasien abschießen, egal ob sie bemannt oder unbemannt sind.“

Interview mit Sergej Bagapsch, dem Präsidenten der international nicht anerkannten abtrünnigen georgischen Provinz Abchasien.

Von Ulrich Heyden

Sergej Bagapsch, Präsident der abtrünnigen georgischen Provinz Abchasien  
Sergej Bagapsch, Präsident der abtrünnigen georgischen Provinz Abchasien  

E urasisches Magazin: Die UNO-Beobachtermission in Georgien hat einen Bericht vorgelegt, nach dem unbemannte georgische Aufklärungsflugzeuge von russischen Kampfflugzeugen abgeschossen wurden. Was sagen Sie dazu?

Sergej Bagapsch: Ich kenne diesen Bericht. Nichtsdestotrotz erkläre ich: Alle sieben georgischen Drohnen wurden von der abchasischen Luftabwehr abgeschossen.

EM: Wie werden sie in Zukunft auf unbemannte georgische Aufklärungsflugzeuge reagieren?

Bagapsch: Wir werden sie abschießen, egal ob sie bemannt oder unbemannt sind. Wir haben Georgien und die UNO-Mission vorgewarnt. Das sind keine einfachen Apparate.

„Die Russen brauchen gepanzerte Fahrzeuge – in den Bergen sind die Wege schlecht“

EM: Der georgische Präsident Michail Saakaschwili kritisiert, dass zur russischen Friedenstruppe Fallschirmspringer und schwere Technik gehören. Wozu braucht die russische  Friedenstruppe so was?

Bagapsch: Die Russen brauchen gepanzerte Fahrzeuge. In den Bergen sind die Wege schlecht. Schon viele russische Soldaten sind bei der Ausübung ihres Friedensdienstes gestorben.

EM: In den letzten Wochen gab es zwischen Tiflis und Suchumi Gespräche über eine Friedensregelung. Was waren die Resultate?

Bagapsch: In Suchumi war der stellvertretende US-Außenminister Matthew Bryza und der Vertreter Georgiens in der UNO, Irakli Alasania. Wir führten Gespräche über eine Friedensregelung. Unser Vorschlag ist, dass in einer ersten Etappe Georgien seine Streitkräfte aus dem oberen Teil des Kodori-Tals abzieht. Die Stationierung georgischer Truppen dort widerspricht der Moskauer Vereinbarung von 1994. Nach dem Abzug können Georgien und Abchasien eine Friedensvereinbarung unterzeichnen. Unser Vorschlag wurde von der georgischen Seite normal aufgenommen, aber wir wissen nicht, welche Entscheidung Georgien gefällt hat. Wie uns Herr Bryza erklärte, sorgt man sich in den USA um die Situation, die sich zwischen uns und Georgien entwickelt. In den letzten Jahren hat sich die Situation immer mehr verschlechtert. 1993 bis 2003 gab es einen Gesprächsprozess zwischen Tiflis und Suchumi. Doch seit dem Machtantritt von Michail Saakaschwili in Georgien gibt es nur noch eine Sprachregelung, dass Georgien stark ist, von der ganzen Welt unterstützt wird und von überall her Waffen bekommt.

EM: Der georgische Präsident Saakschwili will nur auf die Anwendung von Gewalt verzichten, wenn die georgischen Flüchtlinge nach Georgien zurückkehren können. Die Abchasen lehnen die  Rückkehr der Georgier aber ab. Weshalb?

„Es ist nicht unsere Schuld, dass diese Menschen jetzt in Georgien sind. Georgien ist 1992 mit Truppen in Abchasien einmarschiert.“

Bagapsch: An keinem Krisenherd der Welt, wo es einen Krieg gab, sind so viele Flüchtlinge zurückgekehrt wie in Abchasien. In den Gali-Rayon kehrten 60.000 georgische Flüchtlinge zurück. Die internationale Gemeinschaft müsste den georgischen Flüchtlingen in Georgien finanziell helfen, damit sie sich dort integrieren. Es ist nicht unsere Schuld, dass diese Menschen jetzt in Georgien sind. Georgien ist 1992 mit Truppen in Abchasien einmarschiert. Als wir unser Territorium befreit haben, haben sie Angst gekriegt und sind nach Georgien geflüchtet.

EM: In Europa gibt es den Grundsatz, dass man das friedliche Zusammenleben verschiedener Nationalitäten in einem Staat organisieren muss. Gilt das hier nicht?

Bagapsch: In Abchasien sind sehr viele Menschen gestorben. Sie können heute jeden in Abchasien fragen. Niemand will mit den Georgiern in einem Staat leben.

EM: In Europa haben viele damit gerechnet, dass Russland nach der Anerkennung des Kosovo Abchasien anerkennt. Warum ist das nicht passiert?

Bagapasch: Wir wussten, das Russland uns nicht sofort anerkennt. Putin hat erklärt, Moskau wolle den Westen nicht nachäffen. Wir wollen nicht, dass man uns nur deswegen anerkennt, weil die USA den Kosovo anerkennt. Wir wollen die Unabhängigkeit, weil wir sie uns verdient haben.

EM: Finden sich die abchasischen Unternehmer damit ab, dass die russischen Unternehmer in Abchasien Sanatorien und Hotels aufkaufen?

Bagapsch: Die Russen haben nicht alle Sanatorien gekauft. Außerdem gehörten die gekauften Sanatorien schon früher russischen Behörden. Es war richtig, dass wir Sanatorien verkauft haben. Wir brauchen  Investitionen für den Wiederaufbau der Hotels, die im Bürgerkrieg ausgebrannt sind.

EM: Mehr als die Hälfte der Abchasen hat einen russischen Pass. Jetzt hat Putin angeordnet, die Beziehungen zu Abchasien zu intensivieren. Russische Konsularbeamte sollen sich um Abchasen mit russischem Pass kümmern. Werden die Spannungen zwischen Suchumi und Tiflis dadurch nicht verstärkt?

„Man kann Abchasien nicht verbieten, was im Kosovo möglich ist“

Bagapsch: Die USA haben einen militärischen Beistandspakt mit Taiwan. Man kann nicht Abchasien etwas verbieten, was im Kosovo möglich ist. Ich möchte wissen, warum der Kosovo mehr Unabhängigkeit verdient als Abchasien. Der Westen schwieg, als 1992 georgische Truppen in Abchasien einmarschierten. Dem kleinen Volk der Abchasen drohte die Vernichtung. Niemand protestierte, außer Russland.

EM: Wie kann Deutschland den Friedensprozess zwischen  Tiflis und Suchumi unterstützen?

Bagapsch: Deutschland kann die Unterzeichnung einer Friedensvereinbarung unterstützen und darauf drängen, dass Georgien seine Truppen aus dem Kodori-Tal abzieht. Deutschland könnte ein Garant eines Friedensprozesses sein. Deutschland ist in der ganzen Welt anerkannt. Die deutsche Botschafterin in Tiflis war schon mehrmals in Suchumi.

„106 russische Soldaten haben hier schon ihr Leben gelassen“

EM: Können Sie sich vorstellen, dass die Friedenstruppe in Abchasien von Russen und Europäern gemeinsam gestellt wird?

Bagapsch: Wir werden hier keine europäische Friedenstruppe zulassen, weil die Europäer gegen die Abchasen eingestellt sind. Die russische Friedenstruppe kam nach Abchasien, um die Abchasen zu beschützen. 106 russische Soldaten haben hier während ihres Dienstes ihr Leben gelassen. Wenn hier keine russische Friedenstruppe stationiert ist, tritt Georgien in die Nato ein. Nach einem Nato-Beitritt Georgiens würde eine europäische Friedenstruppe aus Abchasien abziehen und dann würde Georgien einen neuen Krieg gegen Abchasien führen.

EM: In den russischen Medien wird berichtet, dass in Abchasien der Bau von Zementfabriken für die Winterolympiade 2014 in Sotschi geplant ist. Ist das zutreffend?

Bagapsch: Wir werden hier Zement-, Beton- und Asphalt-Fabriken bauen und Baumaterial für die Olympiade verkaufen. Geschäftsleute aus Südkorea, Singapur, Österreich und Tschechien waren bereits hier. Sie interessierten sich für den Bau der Fabriken. Auch Chinesen und Griechen interessieren sich für Investitionen bei uns. Türken bauen ein Hotel und fangen Fische in unseren Gewässern. Viele Leute wollen in Abchasien Geschäfte machen.

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Über Abchasien – Informationen zum Interview

Seit 15 Jahren behauptet die abtrünnige georgische Provinz faktisch ihre Unabhängigkeit. Doch bisher ist das Land am Schwarzen Meer, das so groß ist wie Korsika, von keinem Staat der Welt anerkannt worden, auch nicht von Russland.

Wenn man die Bewohner Abchasiens, das sind Armenier, Russen und Abchasen, auf der Straße fragt, wie lange sie sich noch der Wiedereingliederung in den georgischen Staat widersetzen wollen, erntet man nur erstauntes Kopfschütteln. Man werde sich nie mit Georgien vereinigen, hört man immer wieder. Der Bürgerkrieg habe zu viele Opfer gekostet, und die Georgier seien in Abchasien zwangsweise von Stalin angesiedelt worden. Jetzt werde man den eigenen Staat nicht wieder hergeben. Von den Menschen auf der Straße hört man auch, dass von den 200.000 georgischen Flüchtlingen nur die zurückkommen können, die nicht gekämpft haben. Faktisch heißt das, dass man die Rückkehr der Georgier nicht wünscht, denn sehr viele Männer auf beiden Seiten waren in die militärischen Kämpfe 1992/93 verwickelt. Tausende starben und ein Großteil der Häuser Abchasiens wurden zerstört.

Der Staatshaushalt beträgt nur zwei Milliarden Dollar

Die Abchasen verfügen zwar nur über einen Staatshaushalt von zwei Milliarden Dollar, leisten sich aber eine eigene Armee. Man hat alte T 55-Panzer, L 39-Trainingsflugzeuge und Flugabwehr-Stellungen, welche noch aus sowjetischen Beständen stammen. Der stellvertretende abchasische Verteidigungsminister Garri Kupalba behauptet steif und fest, man habe seit Mitte März sieben georgische Aufklärungsdrohnen mit eigenen Waffen vom Himmel geholt. Georgien spricht von dem Abschuss von zwei Drohnen. Die Trümmer der unbemannten Aufklärungsflugzeuge vom Typ Hermes 450, die Georgien in Israel erwarb, wurden in Suchumi stolz der Presse vorgeführt.

Die Situation im Krisengebiet Abchasien war Anfang Mai höchst gespannt. Experten wollten nicht ausschließen, dass es zwischen Tiflis und Suchumi zum Krieg kommt. Inzwischen hat sich die Situation wieder entspannt.

Die Behauptung der Abchasen, man habe alle Drohnen selbst abgeschossen, ist allerdings höchst umstritten. Die UNO-Mission in Georgien hat den Abschuss einer Drohne am 20. April untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass das unbemannte Aufklärungsflugzeug von einem russischen Kampfflugzeug abgeschossen wurde. Auch der Vorsitzende des russischen Duma-Sicherheits-Ausschusses, Gudkow, erklärte, die Drohne sei wahrscheinlich von einem russischem Flugzeug abgeschossen worden, was das russische Verteidigungsministerium jedoch heftig dementierte.

In Abchasien leben heute 200.000 Menschen, außer Abchasen, Armeniern und Russen auch 50.000 nach dem Bürgerkrieg zurückgekehrte Georgier. Die Provinz am Schwarzen Meer war wegen ihres subtropischen Klimas eines der wichtigsten Urlaubsregionen in der Sowjetunion. Noch heute ist das Geschäft mit russischen Touristen die wichtigste Einnahmequelle. Der Durchschnittslohn in Abchasien liegt bei nur 80 Euro. Die Renten haben eine Höhe von nur drei Euro. Die meisten Bewohner Abchasiens besitzen jedoch einen russischen Pass. Die Pensionäre in Abchasien bekommen russische Renten in Höhe von 80 Euro.

Der 59jährige einstige Sowchosen-Direktor und ehemalige Parteifunktionär Sergej Bagpapsch wurde 2005 zum Präsidenten von Abchasien gewählt.

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Siehe auch:
EM 04-08 „Moskau erhöht den Druck auf Georgien“ und „Die russischen Interessen im Kaukasus“.
EM 03-08 „Nach der Rosenrevolution eine neue Revolution“ und „Der Balkon Europas – ein ewiger Unruheherd“.

Interview Kaukasus Russland

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