„Wir können die Herausforderungen der Zukunft nur zusammen mit Russland meistern“EM-INTERVIEW

„Wir können die Herausforderungen der Zukunft nur zusammen mit Russland meistern“

Alexander Rahr, Leiter des Berthold-Beitz-Zentrums in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, über die Rolle Russlands in Europa, die Modernisierung des Landes und die „westliche Arroganz“.

Von Hans Wagner

Eurasisches Magazin: Sie haben ein neues Buch über Russland geschrieben. Eine „Insider-Analyse“, heißt es auf dem Umschlag, die untersucht, „warum wir Russland brauchen“.  Wer ist mit „wir“ gemeint?

Alexander Rahr: Gemeint sind wir Europäer, vor allem Deutsche. Die Hauptthese des Buches lautet: Westeuropa scheint tatsächlich zu glauben, dass es seine Zukunft alleine auf die Schicksalsgemeinschaft mit den USA ausrichten und Länder wie Russland und Ukraine ignorieren kann. EU-Europa hat heute keinen Osten. Europa ist nicht fertiggebaut nach dem Kalten Krieg. Zwischen uns und Russland liegt eine neue „Mauer“ – die Visumsbarriere. Manche im Westen sehen Russland nicht als Partner, sondern als potenziellen Feind. Dabei können wir die Herausforderungen der Zukunft nur zusammen mit Russland meistern. Das Buch liefert dafür die notwendigen Argumente. 
  
EM: Inwiefern sind Sie Insider – Sie leben in Deutschland, arbeiten in der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ und beraten deutsche Politiker und Wirtschaftsbosse?

„Meine Aufgabe ist es nicht nur den Deutschen Russland zu erklären, sondern auch den Russen den europäischen Gedanken zu vermitteln“

Rahr: Ich leite seit Jahren das Berthold-Beitz-Zentrum im Think Tank Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Wer die Biographie des Industriellen Berthold Beitz liest, erkennt in ihm einen weit vorausschauenden Ostpolitiker. Er war ständig im Osten. Ich fühlte mich seinem Erbe verbunden und verheimliche dies auch nicht in meinem Buch. Ich berate gleichzeitig deutsche, russische und ukrainische Politiker und Unternehmer. Ich wandere und lebe zwischen zwei Welten. Meine Aufgabe ist es, nicht nur den Deutschen Russland zu erklären, sondern auch den Russen den europäischen Gedanken zu vermitteln. Ich bin eine wichtige europäische Stimme in der osteuropäischen Medienlandschaft, ein wichtiger Meinungsmacher in den Ländern des postsowjetischen Raums. Wer das nicht glaubt, kann mich entsprechend googeln. Ich hoffe, ich trage mit meinem Engagement zum besseren Dialog zwischen Russland und der EU bei. Wichtig ist, dass ich sowohl hier als auch dort akzeptiert bin. 

EM: Der Titel Ihres Buches lautet: „Der kalte Freund“. Inwiefern Freund?

Rahr: Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte vor ihrem Amtsantritt 2005: Deutschland verbindet eine Freundschaft mit den USA, ob Russland irgendwann einmal unser Freund wird, muss sich zeigen. Der Kalte Krieg ist vorbei, aber wir sind noch keine echten Partner und Verbündeten geworden. Wir leben in der Zeit des kalten Friedens, oder – in einer (noch) kalten Freundschaft. Ich glaube, das ist eine passende Beschreibung des Zustands unserer Beziehungen zu Russland. 

„Die Deutschen sind das Lieblingsvolk der Russen“

EM: Sie gehen darauf ein, dass Deutsche zu Russland eine „besondere Beziehung“ hätten. Trifft das auch umgekehrt zu? Und wie kann man diese Beziehung von Deutschen und Russen zueinander charakterisieren?

Rahr: Die Russen mögen die Deutschen mehr als umgekehrt. Die Deutschen sind das Lieblingsvolk der Russen. Russland will eine Modernisierungs-Partnerschaft mit Deutschland. Sie wollen deutsches Know-how. Die Ware Made in Germany ist in Russland höchst attraktiv.  Im 20. Jahrhundert haben sich Deutsche und Russen auseinandergelebt und den schrecklichsten Krieg aller Zeiten geführt. Doch die Russen haben die deutsche Wiedervereinigung stärker unterstützt, als viele NATO-Verbündete Westdeutschlands. Deutschland hat 2008 die dritte NATO-Osterweiterung vor Russlands Toren aufgehalten, das vergisst Moskau Deutschland nicht.

EM: Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg sind Millionen Russen gefallen. Zivilisten sind verhungert, wurden verschleppt und umgebracht. Dennoch gibt es kaum Hass von Russen gegenüber Deutschen. In anderen Ländern, die unter der Wehrmacht zu leiden hatten, ist solcher Hass durchaus lebendig. Können Sie das erklären?

Rahr: Die Russen haben das Gefühl, dass sie Deutschland vernichtend geschlagen und für den Hitler-Angriff bestraft haben. Ostdeutschland wurde von der UdSSR für 45 Jahre besetzt. Die tiefe Feindschaft und der Hass sind übergegangen in eine echte Versöhnung. Heute erinnert man sich in Russland wieder an die positiven Seiten der deutsch-russischen Beziehungen, an den Eisernen Kanzler Bismarck, an Willy Brandt. Gerhard Schröder wird als engster Freund Russlands gesehen. Bundespräsident Christian Wulff und Bundesaußenminister Guido Westerwelle haben im vergangenen Jahr Russland eine neue Zusammenarbeit in Rechtsfragen vorgeschlagen. Die Initiative ist in Russland, vor allem bei Präsident Dmitri Medwedew, auf großes Interesse gestoßen.

Deutschland als wichtigster Rechtspartner

EM: Worum geht es beim deutsch-russischen Rechtsdialog? 

Rahr: Ziel ist die Unterfütterung der anvisierten Modernisierungspartnerschaft mit konkreten Inhalten. Russland hat Interesse an einer Integration in den gesamteuropäischen Rechtsraum gezeigt, Deutschland kann mit seiner Erfahrung des Aufbaus eines Rechtsstaates in Ostdeutschland nach der Wende Moskau wertvolle Ideen vermitteln. Der Rechtsdialog ist keine Sackgasse, Deutschland spielt sich hier nicht als „Lehrmeister“ gegenüber dem vermeintlichen „Schüler“ Russland auf. Die zu diskutierenden Themen werden von beiden Ländern entsprechend ihren nationalen Bedürfnissen ausgesucht. Die Rechtsinitiative zielt keineswegs nur auf die Juristen beider Länder, sondern auf Wirtschaftskreise und die Zivilgesellschaft allgemein. Russland begrüßt den Rechtsdialog, denn er hilft bestehende Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und zusätzliches Vertrauen zu gewinnen. In Deutschland benötigt vor allem der Mittelstand den Dialog, um in Russland besser Fuß zu fassen. Nach Meinung der offiziellen russischen Seite hätte der Rechtsdialog schon viel früher beginnen müssen, Russland sei in der Zarenzeit immer von der deutschen Rechtskultur beeinflusst gewesen. In den neunziger Jahren hätte Russland zunächst Rechtsnachhilfe von den USA bekommen, heute wünsche es sich Deutschland als wichtigsten Rechtspartner.

„Wenn die Türkei in die EU hinein geholt werden muss, dann Russland erst recht“

EM: Ist das heutige Russland wichtig für die Welt, für den Westen, für Europa, für Deutschland, oder könnte man es auch locker links liegen lassen?

Rahr: Mein Buch „Der kalte Freund“ ist als Appell an den Westen zu verstehen, das Bauwerk Europa mit der Integration Russlands – dem größten europäischen Land – abzurunden. Wir werden die sibirischen Rohstoffe brauchen wie noch nie. Auch sind die Russen vom Geist her Europäer. Wenn die Türkei in die EU hinein geholt werden muss, dann Russland erst recht. Russland wird bei fast allen künftigen Konfliktlösungen auf globaler Ebene benötigt. Wenn wir die letzten Wikileaks-Veröffentlichungen über die russische Außenpolitik betrachten, stellen wir fest, dass die russische Diplomatie in grundsätzlichen Fragen an der Seite der USA und des Westens steht. Das muss sich künftig institutionell für alle Seiten auszahlen. Viele kluge Leute plädieren für eine gemeinsame Raketenabwehr Russland – USA – EU. Sie schweißt uns gegen die kommenden Gefahren zusammen.

EM: Welche „kommenden Gefahren“ meinen Sie?

Rahr: Wir leben doch heute schon in einem Nord-Süd-Konflikt. Die NATO hat drei Kriege in der islamischen Welt geführt. Iran gilt als Hauptfeind des Westens. Europa muss theoretisch damit rechnen, dass in einigen Jahren moderne Raketensysteme aus dem arabischen Teil der Welt gegen den Westen gerichtet werden. Niemand kann voraussagen, wer in 10-20 Jahren den Atomstaat Pakistan wirklich regieren und wie sich Islamabad gegenüber dem Westen positionieren wird. Eine zweite reale Herausforderung ist die Sicherung der künftigen Rohstoff- und Handelsrouten nach Westen. Kommt es zu Konflikten am Persischen Golf, können Transporte zwischen EU und Asien über Russland abgewickelt werden.   

„Die grassierende Korruption ist Russlands größtes Übel“

EM: Warum funktioniert nichts in Russland, wie Wladimir Putin gesagt hat, als das Atom-U-Boot „Kursk“ im Inferno unterging und in Moskau der Fernsehturm brannte. Derzeit ist Russland das Land mit den schrecklichsten Flugzeugunfällen. Gibt es einen speziellen russischen Schlendrian oder hat der Kommunismus das Land so sehr verrotten lassen, dass es noch immer davon kaputt ist?

Rahr: Die industrielle Infrastruktur Russlands stammt noch aus der Zeit der Sowjetunion. Flugzeuge, Schiffe, Lastwagen – sie sind 30-40 Jahre alt. Russlands Modernisierungsbedarf ist riesig. Leider werden die für die Modernisierung bereitgestellten Gelder oft zweckentfremdet.  Die grassierende Korruption ist Russlands größtes Übel. In meinem Buch wird diese Tatsache nicht verschwiegen, im Gegenteil. Der Leser erkennt, vor welchen Herausforderungen Russlands Modernisierer stehen. Die Modernisierung kann durchaus scheitern. Die Frage ist dann, was wir mit einem schwachen Russland machen.    

„Auf Russland wird eingeprügelt, wo es nur geht“

EM: Geschieht dem „kalten Freund“ Unrecht, wird Russland vom Westen schlechter behandelt als andere Länder?

Rahr: Ich erkenne in der westlichen Wertedebatte eine große Arroganz und Doppelzüngigkeit. Auf Russland wird eingeprügelt, wo es nur geht. Stereotypen aus dem Kalten Krieg prägen leider noch immer unser Russlandbild. Manchmal scheint es, als ob manche im Westen ein Vergnügen entwickeln, dem stolpernden Erzfeind Russland vor das Schienbein zu treten. Wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland 25 Jahre nach der Stunde Null auch noch keine funktionierende Zivilgesellschaft hatte. Unser demokratisches Wertesystem hat sich mühsam entwickelt, wir müssen den Russen mehr Zeit geben Demokratie einzuführen. 

EM: Wer hat Russland im Westen eigentlich noch wirklich auf der Rechnung, außer vielleicht dem ehemaligen Bundeskanzler Gerd Schröder?

Rahr: Ich denke, nach der Lektüre des „Kalten Freundes“ werden sich auch bei den kritischsten Russland-Beobachtern positive Eindrücke in Bezug auf eine strategische Partnerschaft mit Russland festsetzen. Amerika schwächelt, wir müssen damit rechnen, dass Washington sich selbst isolieren wird. Die EU muss lernen auf eigenen Beinen zu stehen. Die Welt hat sich verändert. Wir brauchen eigenständige Beziehungen zu den neuen Machtpolen der Weltordnung, zu China, Indien, Russland.

„Möglicherweise wird Russland einmal zu einem zweiten Schutzpatron des Westens“

EM: Was hat Russland zu bieten, außer Gas und Öl?

Rahr: Einen riesigen wachsenden Markt, hochgebildete Menschen, die Brücke nach Asien, Kooperation in der Hochtechnologie, im Weltraum. Möglicherweise wird Russland einmal zu einem zweiten Schutzpatron des Westens neben den USA. Ich habe in meinem Buch den Weg zu einem solchen Bündnis aufgezeigt.

EM: Und was ist mit Gas und Öl?

Rahr: Der Ölpreis wird nicht sinken. Darauf müssen sich Europa und der Westen kurz-, mittel- und langfristig einstellen. Die Schlussfolgerung hieraus kann nur lauten, die strategische Partnerschaft zu Russland weiter zu vertiefen. Russland ist Europas natürlicher Partner, der sich trotz der häufig negativen Wahrnehmung über Jahrzehnte bewährt hat. Wir haben keine Alternativen, als unsere Beziehungen zu intensivieren.  Die Vorteile liegen für beide Seiten auf der Hand: Wir erhalten Zugang zu auf dem Weltmarkt immer teurer und knapper werdenden Ressourcen – Öl, Gas, aber auch anderen wichtigen Rohstoffen, etwa Seltenen Erden – und Russland profitiert vom größten Trumpf, den Deutschland vorzuweisen hat, der Technologie.

EM: Was hat Russland von unserer Technologie?

Rahr: Das Know-how unserer Unternehmen, die Technologieführerschaft Deutschlands wird helfen, das Potenzial der russischen Wirtschaft besser zu entfalten. So können perspektivisch vor Ort geförderte Rohstoffe beispielsweise auch direkt vor Ort veredelt werden. Bedenkt man die vorhandenen und geschätzten Reserven, wird diese Partnerschaft zur Rohstoffsicherheit Europas beitragen und auch die wirtschaftliche Entwicklung in Russland positiv beeinflussen. Man darf sich allerdings nicht täuschen, dass all dies so einfach zu haben und der Rohstoffbezug dann plötzlich für lange Zeit gesichert sein wird. Von beiden Seiten wird hart verhandelt werden müssen. Und auch hier muss sich Deutschland darüber im Klaren sein, dass es in Konkurrenz zu Ländern wie China steht. Der Erfolgsdruck ist auf beiden Seiten sehr hoch. Aber ich wiederhole: Bewähren wird sich diese Partnerschaft für beide Seiten.

„Russland hat keine Feinde, aber auch keine Verbündeten“

EM: Die kommunistische Sowjetunion hatte einst viele erklärte Feinde weltweit. Wie ist es mit dem heutigen Russland – wer sind seine Feinde?

Rahr: Russland hat keine Feinde, aber auch keine Verbündeten. Medwedew und Putin sind Europäer, die sehen, dass ein Bündnis mit China sie für lange Zeit von Europa abschneiden wird. Hinter den heute noch 148 Millionen Russen leben auf der gemeinsamen Festlandsmasse über 1,3 Milliarden Chinesen. Mit der 7.000 Kilometer langen, schwer kontrollierbaren Grenze dazwischen. Ohne den Chinesen Böses zu unterstellen: Russland sucht die Europa-Bande sogar sicherheitspolitisch wegen des gemeinsamen Interesses am europäischen Gleichgewicht. Wenn der Westen Russland als strategischen Interessenspartner stärker integriert hätte, wäre Putin niemals diesen heutigen taktischen Bund mit China eingegangen. Aber gegenwärtig lockt China Russland immer weiter nach Asien. Beijing möchte natürlich nicht, dass Russland der NATO beitritt und sich das Militärbündnis Chinas Grenze nähert.

EM: Eine der vielen plakativ formulierten Kapitelüberschriften Ihres neuen Buches lautet: „Was kann Russland wirklich?“ Das ist die Frage. Können Sie in der knappen Form des Interviews die Antwort geben?

Rahr: Wenn Russland die Gespenster des Kommunismus abwirft, die Korruption besiegt und versteht, dass der Erfolg und die Stabilität des Landes in der Demokratie und im Rechtsstaat liegen, wird es zu einem normalen europäischen Land.  Vor allem Präsident Dmitri Medwedjew stieß mit seinem Artikel „Vorwärts Russland“ eine strategische Debatte über die Modernisierung in Russland an.

„Die Abhängigkeit Russlands vom Rohstoffhandel ist demütigend“

EM: Welche Rolle spielt Wladimir Putin, der Verfechter des starken Staates und der gelenkten Demokratie im Modernisierungskonzept Russlands?

Rahr: Unter dem Eindruck der schweren Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf Russland verstärkt sich der Eindruck, dass auch Putin selbst eingesehen hat, dass sein Konzept der engen Verflechtung von Staat und Wirtschaft in eine Sackgasse geführt hat. In Russland ist das Modernisierungskonzept derzeit alternativlos. Putin unterstützt dies durch den Plan, über 5000 Unternehmen zu privatisieren. Russland braucht nach der Krise Gelder aus dem Ausland. Die Staatsholdings haben ihre Chance nicht genutzt, deshalb scheinen die Voraussetzungen für einen nun beschleunigten marktwirtschaftlichen Reformprozess in Russland günstig, obwohl das Problem der staatliche Verwaltungsapparat bleibt.

Russland hat die Modernisierung und technologische Aufrüstung der russischen Wirtschaft zur höchsten Priorität erklärt. Dies sei eine Frage des „Überlebens“. Russland ist durch die Krise härter getroffen worden als die meisten anderen Staaten, dafür sind die Gründe im Inland zu suchen. Anstelle einer auf Rohstoffen basierten Ökonomie gehe es um den Aufbau einer „intelligenten“ und „grünen“ Ökonomie. Von dieser Prämisse ausgehend wird eine tiefgreifende Umgestaltung der russischen Gesellschaft gefordert. Die Abhängigkeit Russlands vom Rohstoffhandel ist „demütigend“, die Wirtschaftsstruktur „primitiv“ und die Wettbewerbsfähigkeit „beschämend niedrig“. Um diese Rückständigkeit aufzubrechen, müssen der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft reduziert, Forschung und Entwicklung massiv gefördert, die endemische Korruption bekämpft, die Infrastruktur modernisiert, der Rechtsstaat ausgebaut und das Bildungssystem umfassend reformiert werden.

EM: Ist davon schon etwas zu sehen? Welche Wege wird Russland auf sein Ziel hin beschreiten?

Rahr: Russland will sich in Forschung und Entwicklung wieder an die Spitze bringen. Es spricht sich für vereinfachte Visaverfahren für Spitzenforscher, großzügige Stipendien und die finanzielle Unterstützung innovativer Unternehmen aus. Insbesondere will es das Programm zur Gründung eines prominenten Forschungs- und Entwicklungszentrums nach Vorbild des Silicon Valley zu einem erfolgreichen Ende bringen. Die Investitionsbedingungen in Russland sollen so gut sein wie bei den Wettbewerbern. Die Bürokratie, insbesondere Zertifizierungsprozesse, sollen keine Hürden für Investoren sein und stattdessen neue Abläufe zur Genehmigung von Investitionsprojekten in Russland erarbeiten. Doch Chancen der erfolgreichen Modernisierung sind nur in Kooperation mit dem Westen möglich. Der Druck auf Russland, sich für westliche Investoren nachhaltig zu öffnen, ist groß. Ohne radikale Veränderungen der eigenen Unternehmenskultur kann Russland die Korruption aber nicht besiegen.

EM: Eine abschließende Frage noch: Sie sind nicht nur Autor, sondern auch Politikberater. Welche Politiker suchen Ihren Rat? Gehört Angela Merkel auch dazu?

Rahr: Die DGAP gilt als Think Tank des Auswärtigen Amtes. Meine Kollegen und ich sprechen täglich mit Abgeordneten aller Parteien, Spitzenbeamten der Regierung, Diplomaten und Journalisten. Manche hören auf unseren Rat und kooperieren mit uns beim Aufbau wichtiger außenpolitischer Netzwerke. Die Bundeskanzlerin hat die DGAP einmal besucht und uns Experten aufgefordert, politische Fragen „einfach“ und nicht „zu wissenschaftlich“ zu erklären. Ich hoffe, Frau Merkel wird einen Blick in mein neues Russlandbuch hineinwerfen, denn das Werk entspricht ihren Anforderungen.   

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Siehe auch: „Gelesen“ – Rezension zu „Der kalte Freund – Warum wir Russland brauchen: Die Insider-Analyse“ von Alexander Rahr.

Interview Russland

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