Achtung!NEUE SLOWENISCHE KUNST

Achtung!

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Das slowenische Kunstlerkollektiv Laibach verstört die Musikwelt seit nunmehr 23 Jahren mit obskuren Konzeptalben und einer kompromißlosen totalitaristischen Visualität. Das Eurasische Magazin hat das aktuelle Album „WAT“ aufmerksam gehört und eines der ausverkauften Konzerte in der Berliner Volksbuhne im Oktober besucht.

Von Nico Lange

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Laibach (Foto: NSK)  

EM - Laibach gehören zu den sehr wenigen slowenischen Musikern, denen weltweit größere Beachtung geschenkt wird. Von Anbeginn verstehen sich die Künstler dabei selbst als politisches Kollektiv und pflegen einen ausgesprochenen Hang zur Provokation. In ihrer namensgebenden Heimatstadt wurden Laibach bereits vor ihrem ersten Auftritt 1981 verboten. Die Werbefotos zum aktuellen Album „WAT“ lassen erahnen warum: Vier Männer in schwarzen Uniformen und Schaftstiefeln posieren unter anderem an einem Berghang und beim Schachspiel. Die Männer tragen Armbinden mit dem Symbol des NSK-Staats (NSK = Neue Slowenische Kunst). Dabei handelt es sich um einen „virtuellen Staat in Raum und Zeit“, den die Künstler vor einiger Zeit ausriefen und der Botschaften und Konsulate in mehreren Ländern unterhält. Mit obszönem Vergnügen benutzen Laibach provokante Symbole – ein Konzept das in der westlichen Welt von Bands wie Rammstein und Marylin Manson massenkompatibel aufgegriffen wurde. Die Symbolik von Laibach ist indes mehr als blanke Provokation, sie ist Ausdruck eines umfassenden Programms, das sie äußerst konsequent verfolgen.

Leben heißt Leben

Auf den Punkt gebracht haben Laibach ihr Konzept mit den neu eingespielten Versionen von „Geburt einer Nation“ (Queen), „The Final Countdown“ (Europe) und „Leben heißt Leben“ (Opus). In den inzwischen legendären Neubearbeitungen mutierten diese weltweit erfolgreichen Mainstream-Popsongs zu bedrohlichem militantem Bombast und plakatieren die laibachsche These von einem in der westlichen Gesellschaftsordnung inhärenten Totalitarismus. Dieses Grundthema wurde auf den letzten meisterlichen Veröffentlichungen „Kapital“ (1992), „NATO“ (1994) und „Jesus Christ Superstar“ (1996) in bitterböse Kommentare zum aktuellen Weltgeschehen eingebettet. Danach wurde es sieben Jahre lang ruhig um die Gruppe. Einige eher uninspirierte Festivalgastspiele ließen vermuten, dass die Laibach-Kunst-Maschine beträchtlich an Energie eingebüßt hatte.

TANZ MIT LAIBACH

(Inspired by German - American friendship)

WIR ALLE SIND BESESSEN
WIR ALLE SIND VERFLUCHT
WIR ALLE SIND GEKREUZIGT
UND ALLE SIND KAPUTT

VON REIZTECHNOLOGIE
VON ZEITOEKONOMIE
VON QUALITAET DES LEBENS
UND KRIEGSPHILOSOPHIE

EINS, ZWEI, DREI, VIER
BRÜDERCHEN, KOMM TANZ MIT MIR
EINS, ZWEI, DREI, VIER
BEIDE HAENDE REICH ICH DIR EINS, ZWEI, DREI, VIER
MEINE FREUNDE, TANZ MIT MIR
EINS, ZWEI, DREI, VIER
RUNDHERUM, DAS IST NICHT SCHWER

WIR TANZEN ADO HINKEL
BENZINO NAPOLONI
WIR TANZEN SCHIEKELGRUEBER
UND TANZEN MIT MAITREYA

MIT TOTALITARISMUS
UND MIT DEMOKRATIE
WIR TANZEN MIT FASCHISMUS
UND ROTER ANARCHIE

EINS, ZWEI, DREI, VIER
KAMERAD, KOMM TANZ MIT MIR
EINZ, ZWEI, DREI, VIER
BEIDE HANDE REICH ICH DIR EINZ, ZWEI, DREI, VIER
DEUTSCHES VOLK, KOMM TANZ MIT MIR
EINZ, ZWEI, DREI, VIER
RUNDHERUM, DAS IST NICHT SCHWER

YOP, YOP, YOP...

WIR TANZEN UND WIR SPRINGEN
WIR HUPFEN UND WIR SINGEN
WIR FALLEN UND ERHEBEN
WIR GEBEN ODER NEHMEN AMERIKANO FREUNDE
UND DEUTSCHER KAMERAD
WIR TANZEN GUT ZUSSAMEN
WIR TANZEN NACH BAGDAD

EINS, ZWEI DREI VIER ...

Laibach 1998 - 2002
Mute song © 2003
 

Tanz mit Laibach

Mit dem neuen Album „WAT“ – ein Akronym, das nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, mit „War Against Terrorism“ zu entschlüsseln ist, sondern mit „We Are Time“ - und der dazugehörigen Welttournee belehren die Slowenen uns jedoch eines Besseren. Mit einem Paukenschlag sind Laibach wieder da – und das direkter und komproimißloser denn je. Auf der neuen Platte treffen präzise minimalistische Technorhythmen auf Wagner-inspirierte Chöre. Dazu deklamiert Sänger Milan Fras deutsche, englische und slowenische Texte, die voller Anspielungen, praktischer NSK-Philosophie und Querverweisen auf das vergangene Laibach-Schaffen stecken. Eben diese Selbstreferenz ist es, die das Titelstück „We Are Time“ geradezu zu einem Manifest der NSK macht, wenn es heißt: „We are no ordinary type of group, we are no humble pop musicians (Wir sind keine gewöhnliche Gruppe, wie sind keine niederen Popmusiker)“. In der Tat ist Laibach keine gewöhnliche Band, zum Tanz bitten sie jedoch trotzdem, wenn auch auf ihre spezielle, nihilistische Art. Die der deutsch-amerikanischen Freundschaft gewidmete Single „Tanz mit Laibach“ (siehe Text) orientiert sich am Erfolgsstück „Der Mussolini“ der deutsche Gruppe D.A.F. (Deutsch-Amerikanische-Freundschaft) und fordert die Zuhörer mit zackigem „Eins, Zwei, Drei, Vier!“ sowohl zum Tanz mit Chaplins „großem Diktator“, als auch mit allen gängigen Ideologien und sogar mit den amerikanischen Freunden auf dem Weg nach Bagdad auf.

Begleitmusik zur Apokalypse

Auch die anderen Stücke tragen musikalisch und textlich apokalyptische Züge. Insbesondere trifft dies auf „Now You Will Pay“ zu. Laibach beschreiben hier aus schadenfroher Beobachterperspektive das Aufeinanderprallen der Zivilisationen beim Einfall der „Barbaren aus dem Osten“, die mit „Messer in den Taschen und Bomben in den Händen“ kommen, westliche „Disneylands“ niederzubrennen. Auch in Songs wie „Achtung“, „Das Spiel ist aus“ und „Ende“ entwerfen Laibach eine durch und durch negatives Bild der heutigen Welt: Die scheinbar demokratischen Staaten sind in Wirklichkeit totalitär und irreparabel zerstört. Die Menschen stehlen und töten wie Tiere, bar jeder sozialen Ordnung. Basierend auf pulsierendem elektronischem Rhythmus, umrahmt von klassischen Chören und orchestralen Arrangements seziert Laibach die aktuellen globalen Krisen. „WAT“ ist ein dramatisches Opus fernab des alltäglichen Musikzirkus, eine Scheibe die durch musikalische wie inhaltliche Konfrontation die Hörer und Kritiker gleichermaßen spaltet – und damit hörenswert ist.

Konzert in der Volksbühne

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 Die Berliner Volksbühne (Foto: NSK)

Mitte Oktober 2003 gastierten Laibach an zwei ausverkauften Abenden in der traditionsreichen Berliner Volksbühne. Bereits 1993 hatte die NSK das Theater zum temporären Staatsterritorium erklärt und mehrere Tage lang Ausstellungen, Lesungen und Konzerte veranstaltet. Nun galt es also, „WAT“ dem deutschen Publikum zu präsentieren. Eine Kostprobe des unverwechselbaren Laibach-Humors gab es bereits vor dem Konzert am Devotionalien-Verkaufstand: Andere Bands verkaufen T-Shirts – Laibach eben Stiefelputz-Zubehör für „Glanz mit Laibach“.

Nachdem das Publikum zu Strauß-Melodien die Plätze eingenommen hatte, ging es also los. Zunächst mit einem nervösen Ticken, dann mit dem ersten Lied „B-Machina“. Schnell wird klar, dass Laibach ihr Konzept des „systematischen psychophysischen Terrors“ wörtlich umsetzen und in unglaublicher Lautstärke auf das Publikum einwirken.

Unbedingte ästhetische Präzision

Trotz der brutalen Lautstärke bleibt die Musik jedoch genießbar, was zum einen an der offensichtlich hochwerten Tontechnik, zum anderen an den Fähigkeiten der Instrumentalisten liegt, die mit großer Disziplin und perfekter Genauigkeit spielen. Die optische Umsetzung wird dabei vom streng symmetrischen Bühnenaufbau, den Musikern in den obligatorischen Uniformen und großen Videoprojektionen um Hintergrund bestimmt. Frontmann Milan Fras agiert in spärlichen, strengen Bewegungen. Im zweiten Teil des Konzerts wird er von zwei teutonischen Trommlerinnen unterstützt, die mit Hilfe der Trommelstöcke eine bizarre Choreographie aus minimalistischen rhythmischen Figuren aufführen.

Die Auswahl der Musikstücke beschränkt sich weitgehend auf das aktuelle Material und einige Songs aus der „NATO“-Phase. Größere Überraschungen bleiben aus. Beim bereits erwähnten Stück „Now You Will Pay“ erreicht die Laibach-Propaganda ihren Höhepunkt – stroboskopische Lichtblitze richten sich direkt auf das Publikum und pressen es in Verbindung mit der Lautstärke geradezu gewalttätig in die gepolsterten Theatersitze.

Das dröhnende Nichts

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Laibach live: Ästhetische Präzision (Foto: NSK)  

Unwillkürlich fragt man sich, was wohl ein zufälliger Beobachter über dieses Inferno denken würde: Man könnte es für ein Neo-Nazi-Treffen halten oder für eine stalinistische Großveranstaltung. Oder schlicht für einen großen Witz. Die radikale Laibach-Strategie besteht aus der Benutzung der unterschiedlichsten politischen, kulturellen und religiösen Symbole. Symbole, deren Inhaltslosigkeit durch ihre bombastische und übersteigerte Inszenierung erst bewußt wird. Die musikalische und visuelle Propaganda mit scheinbar bedeutungsschwangeren Ikonen und Schlagworten („Totalitarismus“, „Demokratie“, „Faschismus“, etc.), ist, betrachtet man sie nachdem die Euphorie des Konzerts abgeklungen ist, absolut sinnlos. Laibach ist ein „dröhnendes Nichts“ – und paradoxerweise trotzdem bedeutend.

Mit ihrer destillierten Ikonographie auf einem großartigen Album und Techno-Pomp-Konzerten kann Laibach zwar im Jahr 2003 nicht mehr wirklich schockieren. Ihre Klasse und unverminderte inhaltliche Relevanz hat die slowenische „Kunst-Maschine“ nach mehr als 20 Jahren ihrer Existenz jedoch eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die NSK im Netz: http://www.nskstate.com
Offizielle Laibach-Seite: http://www.laibach.nsk.si/
„Tanz mit Laibach“ Video: hier

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