„Aeroflot bis Zar – Ein heiteres Sachbuch zu den 222 russischen Wörtern, die ALLE Deutschen kennen“ von Wolf Oschlies.GELESEN

„Aeroflot bis Zar – Ein heiteres Sachbuch zu den 222 russischen Wörtern, die ALLE Deutschen kennen“ von Wolf Oschlies.

„Aeroflot bis Zar – Ein heiteres Sachbuch zu den 222 russischen Wörtern, die ALLE Deutschen kennen“ von Wolf Oschlies.

Wieder hat im Wieser Verlag in Klagenfurt ein Buch von Wolf Oschlies das Licht der Welt erblickt. Wie alle Bücher der Reihe „Europa erlesen“ ist auch dieses in handlichem und damit Leser- und lesefreundlichem Format erschienen. Das Buch ist mit zahlreichen Illustrationen von Shenja Sidorkin versehen, und mit einer davon geht es auf dem Cover gleich heiter los und dann heiter weiter.

Von Lutz Hustig 

„Aeroflot bis Zar – Ein heiteres Sachbuch zu den 222 russischen Wörtern, die ALLE Deutschen kennen“ von Wolf Oschlies.  
„Aeroflot bis Zar – Ein heiteres Sachbuch zu den 222 russischen Wörtern, die ALLE Deutschen kennen“ von Wolf Oschlies.  

B ei den beiden üppigen Matronen auf dem Titel handelt es sich um Matrjoschkas. Mütterchen Russland hat keine Barbies hervorgebracht, sondern frauliche Frauen, von der Traktoristin bis zur Dame - Fülliges in Fülle. Auch der russische Mann (die nächste Illustration) ist mit Ikone und Samowar, mit seiner Balalaika und seinem Wodka recht gemütlich und umgänglich.

Aber bald lernen wir im Text, wie sehr gerade das Sowjetische der russischen Sprache abträglich gewesen ist. Ehe der Autor nämlich die 222 Wörter alphabetisch auflistet und kenntnis- und faktenreich kommentiert, geht er auf rund 120 Seiten dem Geschick der siebtgrößten Weltsprache nach und sieht ihre Bedeutung und ihren Einfluss im Niedergang begriffen, in Osteuropa sowieso, aber auch bei uns.

Russisch – im Bewusstsein der Untertanen Unterdrückungsmittel

„Die russische Sprache wurde jahrzehntelang nicht als das Medium russischer Kultur und Literatur angesehen, sondern als der Originalton sowjetisch-stalinistischer Politik!“ Darum blieb sie, auch wenn sie als Band der Einheit im Sowjetreich und seinem Einflussgebiet gedacht war, im Bewusstsein der Untertanen eben doch Unterdrückungsmittel. Von daher ergaben sich anhaltende, selbst den Zerfall der Sowjetunion überdauernde Vorbehalte und Aversionen, die auch durch die günstige Phase der Perestroika Ende der 80-er Jahre kaum gemildert werden konnten.

Wer in der DDR Russisch-Unterricht genossen hat, und nicht wie Oschlies das seltene Glück hatte, durch die Hände einer ausgezeichneten Lehrerin zu gehen, der hatte in der Regel noch nach etlichen Jahren null Kenntnisse der Sprache: „Drei Jugendliche stehen mit einem uniformierten Russen zusammen und fragen ihre Lehrerin: ‚Was hat der gesagt?’ Die Lehrerin: ,Er sagt, er finde es schön, dass ihr bei mir sechs Jahre Russisch in der Schule gelernt habt’“.

„Eine Phase, in welcher Deutsche gern und lustvoll Russisch gelernt hätten, hat es zu meinem Bedauern nie gegeben.“

Selbst Erich Honecker hat sich vergeblich bemühat, aber das nicht, weil Russisch an sich schwer wäre, sondern weil er das Deutsche nicht einmal grammatikalisch sicher beherrschte. Und so laufen Oschlies’ Beobachtungen auf die zusammenfassende Feststellung hinaus: „Eine Phase, in welcher Deutsche gern und lustvoll Russisch gelernt hätten, hat es zu meinem Bedauern nie gegeben“.

Dabei blicken die sprachlichen Kontakte zwischen Russen und Deutschen auf eine 1000-jährige Geschichte zurück. Der Autor erinnert an die Kauffahrer der Hanse in Nowgorod, an deutsche Beteiligung an der Petersburger Akademie im 18. Jahrhundert und an den Beitrag der Francke’schen Stiftungen in Halle zur Entwicklung der Slawistik in Deutschland. Gegenseitige Wertschätzung oder auch Gleichgültigkeit gingen erst in antirussischen Polemiken und Hetzen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und im Vorfeld des Ersten Weltkriegs unter. Zu dieser Zeit ist der Russland-Enthusiasmus Rilkes bereits als eine Besonderheit anzusehen. Sprachkontakte und Kooperationen in der Zwischenkriegszeit hat es nur anfänglich im militärischen Bereich zwischen den beiden totalitären Systemen gegeben, zielte doch die NS-Ideologie letztlich auf die Verdrängung des als minderwertig erachteten Slawischen.

„Wenigstens die kyrillischen Buchstaben sollte man sich einmal angeeignet haben“

Im gespaltenen Deutschland hat dann Wolfgang Steinitz mit seinen Lehrbüchern, die teilweise auch im Westen erschienen sind, versucht, den Deutschen das Russische schmackhaft und leicht zu machen. Ich erinnere mich, im Jahr 1967 von ihm „Russisch in 26 Lektionen“ in Händen gehabt zu haben, kam aber über Lektion 4 nicht hinaus, weil ich mich nach dem Sinn und Zweck meines Tuns fragte, also teilhatte an dem allgemeinen Desinteresse am Russischen auch in der Bundesrepublik.
 
Das kann ich im Nachhinein nur beklagen, liegt doch Russland wenigstens geographisch näher an Europa als Nord-Amerika – es gehört geographisch in größerem Maße zu Europa als die Türkei, geistes- und kulturgeschichtlich in jedem Fall. Diese Feststellung kann nicht verkehrt sein und man sollte sich den Sachverhalt gelegentlich bewusst machen. Das wird man die Minimalforderung des Autors auch eher beherzigen, sich doch wenigstens die kyrillischen Buchstaben einmal angeeignet zu haben. Aber zunächst können die 222 russischen Wörter im Deutschen helfen, Zusammenhänge zu verstehen und das Bewusstsein korrigierend zu erhellen.

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Rezension zu: „Aeroflot bis Zar – Ein heiteres Sachbuch zu den 222 russischen Wörtern, die ALLE Deutschen kennen“ von Wolf Oschlies, Wieser Verlag, Klagenfurt 2011, 349 S., 12,95 Euro,  ISBN: 978-3851298895.

Rezension Russland

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