Albanische Minderheit - Thesen und Hintergründe zu einer schwierigen KoexistenzMAKEDONIEN

Albanische Minderheit - Thesen und Hintergründe zu einer schwierigen Koexistenz

Albanische Minderheit - Thesen und Hintergründe zu einer schwierigen Koexistenz

Die junge Historikerin Violeta Atschkovska, Professorin an der Skopjer Universität Kyrill und Method, hat sich binnen kurzer Zeit zur führenden Zeitgeschichtlerin der Republik Makedonien hochgearbeitet. Zu ihren speziellen Interessen gehören die ethnischen Verhältnisse in Makedonien, worüber sie mehrere Dokumentationen und Monographien veröffentlichte. Seit den Kämpfen 2001/02 – angeblich Unruhen entrechteter Albaner, tatsächlich der Versuch albanischer Terroristen aus dem Kosovo, ihr Einflussgebiet bis nach Makedonien auszudehnen – haben die makedonisch-albanischen Beziehungen im souveränen Makedonien auch weit über das Land hinaus Augenmerk auf sich gezogen. Diesen Beziehungen galt ein Vortrag, den Frau Atschkovska vor internationalem Publikum hielt. Das Eurasische Magazin veröffentlicht eine leicht gekürzte deutsche Übersetzung, die unser Balkanexperte Wolf Oschlies aus dem Makedonischen anfertigte.

Von Violeta Atschkovska

Violeta Atschkovska  
Violeta Atschkovska  

A m 2. August 1944 wurde der erste makedonische Staat (im Rahmen der jugoslawischen Föderation) geschaffen. Auf der entsprechenden Sitzung des Antifaschistischen Rats der nationalen Befreiung Makedoniens (ASNOM) wurden zahlreiche Beschlüsse gefasst, unter denen die Deklaration der Grundrechte der Bürger Makedoniens der wichtigste war. Bereits im ersten Absatz dieses Beschlusses heißt es, dass alle Bürger der Republik Makedoniens vor dem Gesetz gleich und gleichberechtigt sind, ohne Ansehen ihrer Nationalität, Rasse oder Religion. Von daher ergaben sich alle politischen, ökonomischen und kulturellen Rechte, die Freiheit des Bekenntnisses, des Worts, der Publikation, des Versammelns etc. Dieser Katalog der Freiheiten wurde später in allen Verfassungen Makedoniens wiederholt, entsprechend den Vorgaben der Föderation von Tito-Jugoslawien, die die „brüderliche Eintracht“ unter den jugoslawischen Völkern und Volksgruppen in den Mittelpunkt stellte. Auch die Verfassung des souveränen Makedoniens von 1991 gab den Minderheiten und Volksgruppen die volle Gleichberechtigung.

Von den „Skipetaren“ zu den Albanern

Bis in die frühen 1960-er Jahre wurden die Albaner in Makedonien nur als „Skipetaren“ bezeichnet, erst 1963 bestanden die Albaner darauf, „Albaner“ genannt zu werden. Diese neue Terminologie fand auch in Dokumente und Gesetze Eingang und wurde so für uns Historiker ebenfalls obligatorisch. Generell aber waren Makedonien und Jugoslawien eine osteuropäische Ausnahme, weil nur hier den ethnischen Minderheiten Rechte und Freiheiten nach europäischen und internationalen Standards eingeräumt wurden, wie es sie in keinem balkanischen Nachbarland gab. Dennoch war die gesamte Periode seit 1944 angefüllt mit zahlreichen Exzessen und Erschütterungen in den interethnischen Beziehungen. Das betraf vor allem die albanische Minderheit, die von der Indoktrination für ein „Groß-Albanien“ durchdrungen war und zu keiner Zeit den Staat akzeptierte, in dem sie lebte, und seiner Rechtsordnung stets die groß-albanische Idee entgegensetzte, natürlich auf immer neue Weise.

Es gab also höchst unterschiedliche Auffassungen von einer „Lösung der nationalen Frage“. Auch eine größere Gruppe makedonischer Intellektueller meinte, dass die makedonische nationale Frage nicht zur Gänze in Jugoslawien gelöst sei, weil die Makedonen während des Zweiten Weltkriegs für die Wiedervereinigung ihres (1912 zwischen Griechenland, Serbien und Bulgarien) geteilten Vaterlands gekämpft hatten, dass also die makedonische Frage durch die Bildung eine vereinten Makedoniens gelöst werden müsste – entweder in einer jugoslawischen Föderation oder in einer Balkan-Föderation oder in Form eines selbständigen Staates. Leider hat der harte jugoslawische Kern um Tito diese makedonischen Strömungen und Tendenzen sehr rasch ausgemerzt, übrig blieb allein die jugoslawische Lösung der makedonischen Frage, die auch von den West-Alliierten akzeptiert worden war.

Unter dem Einfluss der „Ballisti“ begann der Kampf für Groß-Albanien

Albaner in ihrer traditionellen Kleidung  
Albaner in ihrer traditionellen Kleidung  

Eine zweite Gruppe, die eine andere Lösung nationaler Fragen verlangte, war die albanische Minderheit, in der noch der Einfluss albanischer Nationalisten aus Kriegszeiten, der sog. Ballisti, sehr stark war. Damals begann der Kampf für ein Groß-Albanien, der eigentlich bis zur Gegenwart fortdauert.

Die dritte Gruppe waren die Reste der serbischen Extremisten, die sich nicht mit dem neuen Status Makedoniens, der Anerkennung des makedonischen Volks etc. abfinden konnten, weil für sie Makedonien immer noch „Süd-Serbien“ und die Makedonen „Süd-Serben“ waren. In ähnlicher Weise wurde die Restitution der Makedonischen Orthodoxen Kirche aufgefasst, die Ernennung makedonischer Geistlicher, die Verwendung der makedonischen Sprache im Gottesdienst.

Die „Katschatsi“ raubten und mordeten seit dem 14. Jahrhundert

Eine besonders neuralgische Frage waren in jenen Anfangsjahren die langwährenden und schweren Drangsale, denen die Makedonen durch albanische Banden, sog. Katschatsi, ausgesetzt gewesen waren. Diese hatten während der gesamten osmanischen Fremdherrschaft in Makedonien, also vom späten 14.  bis zum frühen 20. Jahrhundert, geraubt, gemordet, gestohlen und gebrandschatzt. Während des Zweiten Weltkriegs hatten die Italiener West-Makedonien ihrem faschistischen Satellitenstaat „Groß-Albanien“ zugeschlagen, was für die Bevölkerung Raub, Mord und Vertreibung bedeutete – ähnlich dem, das sich hier 2001/02 ereignete.

Im Weltkrieg waren hier Albaner aus dem Kosovo angesiedelt worden, deren Bandenterror noch Jahre nach Kriegsende Furcht und Schrecken verbreitete, bis er mit Waffengewalt beseitigt wurde. Alle diese Dinge machten es natürlich sehr schwer, Titos „brüderliche Eintracht“ in den interethnischen Beziehungen in Makedonien durchzusetzen.

Eine ganz praktische Frage war die Kollision der Durchsetzung normaler staatlicher Rechtsnormen mit dem patriarchalischen Gewohnheitsrecht der extrem abgeschlossenen muslimischen Volksgruppen, insbesondere der Albaner. Hierbei waren wechselseitige Feindseligkeit und Misstrauen unvermeidlich. Was immer der Staat durchsetzen wollte, wurde von den Albanern als „Repression“ abgelehnt. Das hat 1944 begonnen und dauert bis zur Gegenwart – der Widerstand gegen staatliches Recht, Modernisierung, Emanzipation, gegen den Rechtsstaat überhaupt in diesen Regionen.

Lassen Sie mich das an einigen konkreten Beispielen aufzeigen. Bereits die ersten Wirtschaftsmaßnahmen des Staates – Enteignung, Nationalisierung, Landreform – brachten ihn in einen Gegensatz zu den ethnischen Minderheiten, obwohl sie alle Bürger gleichermaßen betrafen. Am heftigsten waren die Türken davon betroffen, die noch aus osmanischen Zeiten her über Landbesitz, Privatbetriebe, Werkstätten etc. verfügten. Mit ihrer massenhaften Emigration aus Makedonien fiel dieser Widerstand in sich zusammen.

Der Versuch der Frauenemanzipation brachte die Männer auf die Barrikaden

Illegale Bauten der albanischen Minderheit als Maßnahmen zur Albanisierung  
Illegale Bauten der albanischen Minderheit als Maßnahmen zur Albanisierung  

Anders war es mit den staatlichen Maßnahmen zur Emanzipierung der Frauen, die auf die heftigste Ablehnung seitens muslimischer Männer stießen. Jeder Versuch des Staates, den Frauen Menschenrechte zu vermitteln, wurde von diesen ethnischen Gruppen als „Repression“ gegen sie empfunden.

Im Grunde besteht dieses Problem immer noch, und aus ihm erwuchs ein grundlegender Entwicklungszwiespalt zwischen Makedonen und Albanern, der sich im Konflikt 2001/02 entlud. Alle Disharmonien zwischen Makedonen und gewissen ethnischen Minderheiten lassen sich auf die verhinderte Emanzipation der Frauen zurückführen. Das ging soweit, dass es zu Konflikten zwischen Albanern und Staatsmacht um die Frage des Verkaufs und Kaufs von Frauen kam – Bräuche, die leider bis heute noch nicht ausgemerzt sind, obwohl darüber so gut wie nie gesprochen wird. Und heute werden sie gezielt zur Albanisierung muslimischer Albaner eingesetzt, die in West-Makedonien an den Grenzen zum Kosovo und zu Albanien leben. Junge makedonische Ethnologen haben dort Untersuchungen angestellt und wissen von Fällen zu berichten, wo sich Makedonen mit gewissen körperlichen Mängeln „billige“ Frauen aus Albanien, die kein Wort Makedonisch sprachen, für 1.500 D-Mark kauften, während in Makedonien ausgebildete Albanerinnen 30.000 und mehr D-Mark kosteten. Die aus solchen Ehen stammenden Kinder sprechen albanisch und schon die nächste Generation ist völlig albanisiert.

Ein ähnlicher Konflikt zwischen Rechtsstaat und gentilem Gewohnheitsrecht entwickelt sich um die Sitte, Mädchen ab dem zehnten Lebensjahr im Haus einzusperren. Laut Gesetz besteht eine achtjährige Schulpflicht. Albanische Mädchen aus dörflichen Regionen – in den Städten ist die Emanzipation etwas weiter fortgeschritten – werden in großer Zahl zwangsweise daran gehindert, die gesetzlich vorgeschriebene Schulpflicht zu absolvieren. Wenn der Staat darauf besteht, dass seine Vorschriften erfüllt werden, dann werden augenblicklich Klagen über „antialbanische Repressalien“ laut.

Der Religionsunterricht wurde massiv missbraucht

Auch die Frage des Religionsunterrichts hat die interethnischen Verhältnisse vergiftet. Das alte kommunistische Regime empfand eine prinzipielle Gegnerschaft gegen Religion, protegierte aber die Schaffung offizieller Kirchen, weil es diese leicht kontrollieren konnte. Da die Albaner, wie auch andere Muslime, sehr hartnäckig auf ihrem Glauben bestanden, erlaubte der Staat bereits in den 1950-er Jahren einen Religionsunterricht für die muslimische Bevölkerung (nicht aber für die christliche). So startete 1959 der Religionsunterricht für muslimische Kinder. Dieser Unterricht wurde massiv missbraucht: Man brachte den Kindern eine fundamentalistische Lehre bei, die nicht zu ihrem Alter passte und nichts zu ihrer Entwicklung als gesunde, freie Bürger beitrug. Der Unterricht wurde außerdem so organisiert, dass er zu Lasten des normalen Schulunterrichts verlief – die Imame untersagten den Kindern einfach, die Schule zu besuchen. Die religiöse Unterweisung indoktrinierte die Kinder im Geistes eines Hasses gegen „Andersgläubige“, wodurch eine Spaltung der Gesellschaft auf religiöser Grundlage entstand.

Am häufigsten und massivsten prallten Staat und albanische Minderheit bei der Frage illegaler Bauten aufeinander. Bereits nach den Balkankriegen 1912/13 begann eine illegale Immigration von Kosovo-Albanern nach Makedonien, die bis auf den heutigen Tag anhält. Wie viele Menschen sie umfasst, wissen wir nicht, aber wir sehen ganze Dörfer, die früher drei Häuser hatten, heute aber 300, alle ohne Genehmigung und in aller Regel ohne Berücksichtigung staatlicher Bebauungspläne errichtet. Wenn der Staat einschreiten wollte, griffen die Albaner oft zu den Waffen und klagten immer, sie würden „vertrieben“, nur weil sie Albaner seien – und irgendwann ließen die Behörden die Finger davon, weil sie Unruhen fürchteten. Dass die Makedonen sich darüber ärgerten und alles andere als Zuneigung zur albanischen Minderheit empfanden, kümmerte sie kaum.

Flaggendemonstrationen für Groß-Albanien

Flaggendemonstrationen der Albaner in Makedonien  
Flaggendemonstrationen der Albaner in Makedonien  

Bereits 1968 gab es in Tetovo und Gostivar, den zwei westmakedonischen Städten mit hohem albanischen Bevölkerungsanteil, die sog. Flaggen-Demonstrationen, d.h. die Albaner verlangten, dass ihnen das Hissen ihrer „Nationalflagge“ erlaubt würde. Diese Flagge ist aber die Flagge eines anderen Staates, eben Albaniens, und so wurde dieses Ansinnen allgemein als Versuch aufgefasst, West-Makedonien an Albanien anzuschließen, was natürlich die interethnischen Beziehungen weiter belastete. Im Grunde hätten die Albaner diese Flagge längst hissen können, die Verfassung erlaubte es ihnen, sofern sie diese zusammen mit der makedonischen Flagge zeigten. Aber der exklusive Kult um die albanische Flagge und die separatistischen Parolen ließen neue Feindseligkeit gegen Albaner aufkommen, die einmal mehr den Verdacht nährten, ihnen ginge es allein um ihr Groß-Albanien, eventuell über die Vorstufe eines Groß-Kosovo. Jahre später formierten sich albanische Parteien, die ständig die albanische Flagge schwenkten, jedoch niemals die makedonische, und wenn etwas dagegen gesagt wurde, erklang sofort wieder die Klage über „antialbanische Repressalien“.

In dieselbe Kerbe schlugen auch Forderungen der albanischen Parteien, in Schulen für islamische Makedonen Türkisch oder Albanisch als Unterrichtssprachen einzuführen – scheinbar ein unsinniges Verlangen, da die Kinder reinstes Makedonisch als Muttersprache sprachen, aber ein durchsichtiger Versuch, diese Kinder und ihre Familien auf die ethnische Albanerseite zu ziehen. Das geschah im Rahmen einer erneut aufgeflammten, von gewissen Organisationen und ihren Sprechern aggressiv vorgetragenen Propaganda für Groß-Albanien. Dahinter stand der Plan, zuerst in West-Makedonien die demographische Mehrheit zu erlangen, dann eine Föderalisierung Makedoniens durchzusetzen und am Ende den Anschluss der Region an Albanien zu realisieren. Dazu übte man stärksten Druck auf die gesamte islamische Gemeinschaft Makedoniens aus, sich auf albanisch-nationaler Basis neu zu formieren. Um das leichter zu erreichen, haben albanische Gemeindebehörden die Eröffnung neuer Schulen behindert, sofern in diesen nicht Albanisch als Unterrichtssprache dienen sollte – auch für islamische Makedonen, Türken, Roma und andere. Albanische Lehrer änderten in ihren Schulen einfach die Vornamen ihrer Schüler, um sie leichter als Albaner ausgeben zu können.

Das Unbehagen gegen eine „strategisch eingesetzte“ Geburtenrate

Die Frage, die mehr als andere ökonomische und soziale Probleme schuf und Abneigung weckte, war die Geburtenrate bei Albanern – 22,3 Promille Natalität („Geburtlichkeit“ im Ggs. zu „Mortalität“) gegenüber vier Promille bei Makedonen. Es entstand der Eindruck, albanische Frauen würden zu einem besonderen „Kriegsbeitrag“ gezwungen: daheim zu bleiben, verhüllt zu sein und möglichst viele Kinder zu gebären, die dann neue Kämpfer für die „albanische Sache“ wären. Hohe Kinderzahlen würden auch internationale Vertreter beeindrucken, wie es im benachbarten Kosovo ja vorgemacht worden war. Mit anderen Worten: es entstand das unbehagliche Gefühl, die natürliche Natalität würde im Sinne einer „vorgeplanten Strategie“ weiter gesteigert. Das war der Eindruck, den Albaner seit 1944 ihren makedonischen Nachbarn vermittelten und den sie durch eine besondere Form von „ethnischer Säuberung“ verstärkten: Erst kauften sie sich für enormes Geld in den schönsten Teilen makedonischer Dörfer und Städte ein, dann übten sie Druck und Gewalt auf ihre slavischen Nachbarn aus, bis ihnen die Stadt oder das ganze Dorf gehörten.

Ich habe selber Umfragen unter älteren Albanern gemacht und weiß, wie viele von ihnen im Krieg von Makedonen vor den aggressiven albanischen Ballisti gerettet worden sind. Die seit Generationen in Makedonien ansässigen Albaner sind nicht das große Problem. Dieses schaffen vor allem die Neuankömmlinge aus dem Kosovo. Sie sind die Propagandisten eines extremem Nationalismus, voller Hass auf Slaven und entschlossen zur Zerstörung Makedoniens sind. Die interethnische Unverträglichkeit ist in erster Linie von Kosovaren geschürt und verbreitet worden.

Die Gegensätze in der multikulturellen Gesellschaft vertiefen sich immer weiter

Seit 1944 und speziell nach der Unabhängigkeit Makedoniens haben sich gerade albanische Lehrer bemüht, ihren Schülern die Köpfe mit Geschichtsmythen vollzustopfen – dass Albaner das älteste Volks auf dem Balkan seien, direkte Nachfahren der illyrischen Ureinwohner, die größte und ruhmreichste Geschichte besäßen, ein Recht auf den ganzen Balkan hätten etc. Ähnliches hat es bei allen Balkanvölkern gegeben, die ihre Bedeutungslosigkeit in der Gegenwart durch Erfindungen einer großen historischen Bedeutung zu kompensieren trachteten, aber nur von Albanern wurde es mit aggressiven Territorialansprüchen verbunden. Sie formulierten das Ziel eines Groß-Albaniens, das man erkämpfen und ethnisch säubern müsse. Das geschah in enger Verbindung mit dem kommunistischen Albanien des Diktators Enver Hoxha, das von den Albanern in Jugoslawien als Reich des sozialen Friedens und der ethnischen Harmonie idealisiert wurde, obwohl die ganze Welt wusste, wie dieses Land in Wirklichkeit war.

Wir stehen heute vor der Situation, dass unsere multikulturelle Gesellschaft in Wahrheit die Gegensätze immer mehr vertieft: zwischen makedonischer Modernisierung und Entwicklung und albanischem Gewohnheitsrecht, das zu Isolation, Ghettoisierung und Rückständigkeit führt. Dadurch entstanden und entstehen Barrieren, die keine echte Multikulturalität aufkommen ließen. Auf beiden Seiten wuchern Vorurteile und Misstrauen, die die Gesellschaft separieren, in der interethnische Toleranz schwindet. Der demographische Druck aus den albanischen Siedlungsgebieten in West-Makedonien geht gezielt ostwärts, da ständig neuer Lebensraum für zahllose junge Albanerfamilien gesucht wird. Dieser kann nur gefunden werden, indem man Makedonen aus ihren traditionellen Lebensgebieten hinausdrängt.

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AUS DER HISTORIE

Ein sozialdemokratisches Urteil über Albaner von 1914

Der deutsche Publizist und sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Hermann Wendel (1884-1936) war ohne Zweifel der beste Balkankenner, den Westeuropa je besaß. Seine zahlreichen Bücher und ungezählten Aufsätze sind bis heute eine unverzichtbare Lektüre. Der heutige Leser kann nur staunen, wie viele Vorkenntnisse Wendel bei seinen damaligen Lesern voraussetzen durfte. Zudem war vor 90 Jahren die unselige political correctnes noch nicht erfunden – und Wendel hätte sie auch nie erfinden können. Dieser Sozialdemokrat schrieb ungeschminkt, wie er dachte und wie er verstanden werden wollte.

Am 13. Februar 1914 veröffentlichte er in der SPD-Zeitschrift „Die Neue Zeit“ den Aufsatz „Mazedonischer Salat“, in dem sich einige Urteile über Albaner finden, die in ihrer ungeschminkten Direktheit und analytischen Schärfe zeitlos gültig sind – nicht zuletzt mit Blick auf jüngste Entwicklungen im Kosovo:

„Sich für die ‚Freiheit’ der Albaner zu erhitzen, hat die westeuropäische Arbeiterklasse keinen Anlaß. Denn diese angeblichen Nachkommen der alten Illyrer sind ein konterrevolutionäres Volk, wie es im Buche steht. Wie seit jeher die Albaner für den sultanischen Despotismus die zuverlässigsten Leibtruppen abgaben, wie stets und stets die Albaner von den osmanischen Herren gegen die slawischen Untertanen in Mazedonien mordend und sengend vorgeschickt wurden, so brechen sich auch jetzt die Wogen der bürgerlichen Revolution an den starren Felswänden Albaniens. Als die Großmächte Albanien dem Rahmen der Balkanstaaten entzogen und in das Fastnachtsgewand dieser lächerlichen ‚Selbständigkeit’ steckten, retteten sie ihm gleichzeitig seinen feudalen Charakter, durch den es nicht nur von den hoch entwickelten Ländern Westeuropas, sondern auch von Serbien, Bulgarien und Griechenland um eines vollen Jahrtausends Entwicklungsspanne getrennt ist. Diese ‚Regierung’, deren Machtbezirk in ihren besten Tagen nicht weiter reichte als die Tragweite der Karabiner der internationalen Gendarmerie, war ein Schwarm ‚intellektueller’ Lumpazivagabundi. Die Stämme Nordalbaniens sind in Stammespartikularismus versteinert und zerfleischen sich in Stammesfehden. In jedem Falle wird jeder Schrittbreit, den die Zivilisation den dreiviertelwilden Indianern Europas abringt, mit Blut und mit Wirren erkauft sein. Hier glimmt die Lunte dicht bei einem Pulverfaß.“ 

Balkan Geschichte

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