Armenische Pferdezüchter finden ihre Sprache wiederKAUKASUS

Armenische Pferdezüchter finden ihre Sprache wieder

Armenische Pferdezüchter finden ihre Sprache wieder

Selbst Armeniern war es unbekannt: das handgeschriebene Werk aus dem alten Königreich Kilikien zur Heilkunst für Pferde. Die Linguistin Dum-Tragut vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Salzburg ist tief in das kaukasische Wissen über die Reittiere vorgedrungen und hat das Buch übersetzt.

Von Eberhart Wagenknecht

Armenisches Pferdeheilbuch aus dem 13.Jahrhundert - Pferdeskizze mit detaillierter Beschreibung  
Armenisches Pferdeheilbuch aus dem 13.Jahrhundert - Pferdeskizze mit detaillierter Beschreibung  

Uas älteste erhaltene veterinärmedizinische Werk Armeniens kann jetzt in deutscher Sprache gelesen werden. Es bietet einen Überblick über das gesamte pferdekundliche Wissen im Vorderen Orient des ausgehenden 13. Jahrhunderts. Das Kompendium umfaßt 184 handbeschriebene Blätter und wurde in den Jahren 1295 bis 1298 im armenischen Königreich Kilikien südlich des Taurus-Gebirges verfaßt. Federführend waren ein sprachgewandter armenischer Mönch und ein syrischer Pferdearzt.

Das Werk wurde durch die österreichische Armenologin Dr. Jasmine Dum-Tragut übersetzt, die eine begeisterte Reiterin und Pferdekennerin ist. In Zusammenarbeit mit Experten der österreichischen Veterinärmedizinischen Universität in Wien wurde neben der eigentlichen Übersetzung auch ein umfangreicher Begleitteil erstellt. Er kommentiert die Erkenntnisse aus der Zeit der Entstehung des Werkes vor dem Hintergrund des heutigen Wissen. Dabei fiel zum Beispiel auf, daß im Vergleich zu heutigen Behandlungsmethoden im 13. Jahrhundert vor allem die Verwendung pflanzlicher Heilkräuter hoch entwickelt war. Viele der verwendeten Pflanzen aus dem armenischen Hochland sollen auch bei der Behandlung menschlicher Leiden zum Einsatz gekommen sein.

Das erste Kapitel umfaßt die Erschaffung des Pferdes

Das Kilikische Pferdebuch umfaßt aber weit mehr als nur medizinisches Wissen. So beschreibt das erste Kapitel die Erschaffung des Pferdes. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit den guten und schlechten Eigenschaften eines Rosses, mit der Zucht und den verschiedenen bekannten Rassen. Weitere Teile des Buches sind dem Zureiten der jungen Pferde gewidmet, der Pflege und den Mängeln eines Reittieres. In den letzten Kapiteln geht es dann um Krankheiten, Symptome, Schmerzen und deren Behandlungen.

Armenien ist ein gebirgiges Land mit trockenem, kontinentalen Klima. Niederschläge gibt es vor allem im Frühling und im Herbst. In dieser Landschaft haben sich Pferde des Typs „Karabagh“ bewährt. Sie werden dort seit dem 6. Jahrhundert nach Christus gehalten und gezüchtet. Ihr Ursprung liegt in der gleichnamigen Gebirgskette „Karabach“, einer Enklave zwischen Aserbaidschan und Armenien. Die Gründerrassen dieser Pferde waren turkmenische, arabische und persische Pferde, die im Laufe der Zeit zu einer unverkennbaren, einzigartigen Rasse verschmolzen. Inzwischen sind sie vom langsamen Aussterben bedroht.

Selbst indische Quellen sind im armenischen Pferdebuch genannt

Ein derartiges Werk bietet tiefe Einblicke in die Kulturgeschichte der damaligen Zeit. Es ist kurz nach den Mongolenstürmen entstanden, als Pferde noch eine ganz besondere Bedeutung hatten. Zu diesem historisch-medizinischen Fachbuch sagt seine Übersetzerin Jasmine Dum-Tragut: „Das Kilikische Heilbuch für Pferde ist eine wissenschaftliche Schatzkammer. Nicht nur für die Analyse der armenischen Sprache, sondern auch für die Literaturgeschichte und die Sozialgeschichte des Pferdes in Armenien.“

Insgesamt stelle das Handbuch einen umfassenden Überblick über das gesamte Pferdewissen des Mittelalters im Vorderen Orient dar. Es erwähne als Quellen ein indisches Fachbuch seiner Zeit, sowie zwei arabische Werke. Das Studium dieser Bücher, die in persischer und griechischer Sprache vorliegen, zeigt aber nach den Worten der Wiener Armenologin, daß das Kilikische Pferdeheilbuch keine bloße Übersetzung daraus entnommener Informationen ist, sondern ein eigenständiges Kompendium.

Besondere Aufmerksamkeit schenkte die Übersetzerin der Terminologie spezieller armenischer Fachausdrücke in dem alten Handbuch. Zur eindeutigen Klärung ihrer Bedeutung führte sie zahlreiche Gespräche mit Pferdezüchtern, Bauern und Bäuerinnen in Armenien sowie mit Veterinärmedizinern des Landes. Dabei fiel ihr auf, daß diese vor allem Fachausdrücke aus dem Russischen oder Türkischen verwenden, anstelle der alten Begriffe aus der Landessprache. Dum-Tragut schuf deshalb ein Glossar, in welchem sie die armenischen Fachwörter zusammenfaßte. Der Erfolg dieser Maßnahme ließ nicht lange auf sich warten: Die Pferdezüchter des Landes bedienen sich nun zunehmend wieder dieses historischen Sprachwortschatzes des Armenischen.

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Jasmine Dum-Tragut, Kilikische Heilkunst für Pferde - Das Vermächtnis derArmenier. Kommentar, Übersetzung, Glossar. OLMS Verlag, Hildesheim 2005, ISBN: 3-487-08455-4 (erscheint im August).

Kaukasus Medizin

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