Außenpolitik: Vision einer politischen SelbständigkeitSLOWAKEI

Außenpolitik: Vision einer politischen Selbständigkeit

Am 08. Juli diesen Jahres wurde Iveta Radicová zur ersten slowakischen Ministerpräsidentin ernannt. Radicová wird mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und jetzigen Außenminister Dzurinda den dritten bedeutenden Schwenk in der slowakischen Außenpolitik seit der Unabhängigkeit im Jahr 1993 durchführen. Von 1993-1998 verfolgte man in Bratislava eine „Vision einer politischen Selbstständigkeit“, danach folgten ein radikaler pro-amerikanischer Schwenk und eine Außenpolitik wie von einem „52. Staat der USA“, so der im Juli aus dem Amt geschiedene Ex-Ministerpräsident Robert Fico. Unter seiner Ägide (2006-2010) wurde ein neuer Ansatz in der Außenpolitik versucht, der nun sein jähes Ende findet.

Von David Noack

N ach 1989 war die Tschechoslowakei nicht mehr ein Vasall Moskaus. Unter dem ersten nicht-kommunistischen Präsidenten seit Edvard Beneš, Václav Havel, orientierte sich der Nachbar Deutschlands zunehmend gen Westen. Doch diese Bewegung gab es mehr in der Politik der tschechischen Hauptstadt Prag als in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Im Osten der Tschechoslowakei herrschte seit dem Umbruch im Jahr 1989 die demokratische Sammelbewegung VPN (Öffentlichkeit gegen Gewalt) aus der später die HZDS (Bewegung für eine demokratische Slowakei) hervorging. Premier wurde 1990 Vladimír Mečiar. Der Regierungschef in Bratislava favorisierte Anfang der 1990er Jahre eine föderale Lösung für die ČSR genannte Tschechoslowakei. Aber die Verhandlungen zwischen Ost- und Westteil des Landes scheiterten und zwei neue Staaten waren geboren: Die Tschechische und Slowakische Republik.

Eine Politik gegen Moskau war nicht denkbar

Die Tschechische Republik orientierte sich fortan nach Deutschland und wandte sich der EG/EU und NATO zu. Die Slowakei dagegen suchte eine poly-vektorielle Außenpolitik – einen Ausgleich zwischen Ost und West. Offizielles Ziel der Mečiar-Regierung (1992-1998) war die euro-atlantische Integration. Doch die Eingliederung in den westeuropäischen Wirtschafts- und Sicherheitsraum war nur eine von mehreren Prioritäten. Laut offizieller Erklärung waren die Beziehungen zur OSZE und die regionale Kooperation mit der Tschechischen Republik, Österreich, Polen, Ungarn und Ukraine (in dieser Reihenfolge) ebenfalls wichtig. Von geringster Priorität und „rein wirtschaftlich“ sollten die Beziehungen zur Russischen Föderation sein.
Die öffentlichen Verlautbarungen konnten nicht verschleiern, dass die beiden kleineren Koalitionspartner der Mečiar-Regierung, die kommunistische Assoziation der slowakischen Arbeiter (ZRS) und die rechte Slowakische Nationalpartei (SNS), die Westintegration vollkommen ablehnten. In den 1990er Jahren wurden verschiedene Modelle der internationalen Ausrichtung in der slowakischen Politik besprochen. Zu erwähnen sind hierbei das Modell einer Brücke zwischen Ost und West, die Vision einer Pufferzone, das Modell des machtpolitischen Zentrums und die erklärte Neutralität. Egal wie die Entscheidung ausfiel – eine Politik gegen Moskau wäre nicht zu machen gewesen: In der Slowakei gab es nie die Tendenz einer anti-russischen Stimmung in Bevölkerung und Eliten.

Die Westintegration wurde vernachlässigt
Korruption und autokratische Tendenzen schreckten jedoch den Westen zunehmend ab. Mečiar und seine Regierung wandten sich in der Folge der Russischen Föderation zu. Für Moskau wurde die Slowakei zum Brückenkopf der strategischen Interessensumsetzung in Mittelosteuropa. Spätestens ab 1995 wurde eine Annäherung Bratislavas an den großen Bruder im Osten offensichtlich. 1997 tauchten Berichte auf, dass Mitglieder des slowakischen Geheimdienstes in Russland geschult würden. Vor allem wegen der russisch-slowakischen Geheimdienstbeziehungen blockierte Großbritannien eine weitere Annäherung der westeuropäischen Staaten mit der Slowakei. Die Beziehungen Bratislavas nach Moskau waren nie wirklich schlecht, doch nun wurden sie immer besser – während die Westintegration weiter vernachlässigt wurde.
Wirtschaftlich war die Slowakei immer eng an den Osten angebunden. Seit 1993 war die Slowakei als einziger Nicht-GUS-Staat am sogenannten Surgut-Projekt beteiligt. Es sicherte dem kleinen Land kontinuierliche Lieferungen russischen Erdöls zu Preisen weit unter dem Weltmarktniveau. Die Teilnahme an Surgut war ein Novum: Zum ersten Mal nahm ein Nicht-Ex-Sowjetunion-Staat an einem GUS-Mechanismus teil. In den 1990er Jahren importierte die Slowakei um die 80Prozent  seines Erdöls aus Russland – unter anderem aus politischen Gründen. Nahezu 40 Prozent der Wirtschaft waren auf die Märkte im Osten des Landes ausgerichtet – diese Arbeitsplätze sollten auch weiterhin nicht verloren gehen. Das bestärkten auch vor allem die HZDS-Politiker, die persönlich davon profitierten. Im Jahr 1996 gab es rund 60 slowakisch-russische Abkommen auf Regierungsebene – das ist ungewöhnlich für die ehemaligen Ostblock-Länder. Wirtschaftlich und außenpolitisch versuchte man in Bratislava eine „Vision einer politischen Selbstständigkeit“ zu verfolgen, so der damalige Präsidentenberater Augustín Húska.

Forderung nach politischer Neutralität

Im Jahr 1997 entschieden sich dann die beiden kleineren Koalitionspartner von Vladimír Mečiar für ein Modell der internationalen Ausrichtung. Im April des Jahres reiste der damalige russische Premier Viktor Tschernomyrdin nach Bratislava und unterzeichnete Abkommen, die die Slowakei enger an Moskau binden sollten – eine Reaktion auf die nun offen anvisierte Aufnahme Polens, Tschechiens und Ungarns in die NATO. Der Parteiführer der slowakischen Nationalisten Ján Slota nahm die von Tschernomyrdin angeregte Position auf und verlangte eine Neutralität der Slowakei – militärisch abgesichert durch Russland. Der zweite kleine Koalitionspartner Mečiars, die Arbeiterassoziation der Slowakei, schloss sich der Forderung der Nationalisten an.
Von besonderem Charakter war auch der Vertrag über eine militärische Zusammenarbeit zwischen der Slowakei und Russland. In ihm wurde festgelegt, dass Russland alle slowakischen Militärflughäfen nutzen darf. Damit war Moskau ein Anker in Mitteleuropa gegeben, der an Österreich, Tschechien und Ungarn grenzte. Angesichts der NATO-Ostausdehnung kam der Slowakei als Russlands westlichem Vorposten (neben Serbien, welches aber südlicher liegt) besondere Bedeutung zu. Zbigniew Brzeziński beschrieb in seinem Buch „Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ aus dem Jahr 1997, dass damals Ungarn, Rumänien, Moldawien und Bulgarien zu den Ländern unter geopolitischer Herrschaft der USA gehören, während die Slowakei und Ukraine lediglich zu den Ländern der Einflusssphäre der Vereinigten Staaten gehören. Bratislava und Kiew waren in den Fokus der amerikanischen Strategen geraten.

Radikaler Schwenk in der Außen- und Sicherheitspolitik

Wegen der besonderen Allianz zwischen der Slowakei und der Russischen Föderation geriet Bratislava ins Visier außenpolitischer Vorfeldorganisationen der USA. Das National Endowment for Democracy finanzierte zur Wahl 1998 Kampagnen zum Sturz von Vladimír Mečiar. Die Wahl gewannen die pro-westlichen Parteien der Demokratischen Union, der Partei der demokratischen Linken der Grünen und zweier weiterer Parteien der „Slowakischen Demokratischen Koalition“. Ein radikaler Schwenk in der Außen- und Sicherheitspolitik wurde vollzogen. „Da der NATO-Beitritt höchste außenpolitische Priorität genoss, entschied sich die Slowakei, die NATO-Luftangriffe nicht nur rhetorisch zu unterstützen, sondern seinen Luftraum und das Schienennetz für NATO-Transiteinheiten zu öffnen. Die Entscheidung der Regierung war eindeutig – trotz mangelnder Unterstützung in der Öffentlichkeit und von weiten Teilen der Opposition.“ Außerdem ging man in Bratislava dazu über „Russland in der slowakischen Außenpolitik komplett zu ignorieren.“
NATO- und EU-Integration wurden zur außenpolitischen Maxime erklärt – egal wie unbeliebt besonders die NATO im Land selbst war. Wie für das „neue Europa“ kennzeichnend beteiligte sich die Slowakei fortan an mehreren NATO- und UN-Peacekeeping-Operationen. Noch im Jahr von Dzurindas Regierungsantritt entsandte die „neue Slowakei“ Soldaten zur SFOR nach Bosnien-Herzegowina. Im Jahr darauf folgte die Stationierung von 40 slowakischen Soldaten im Rahmen eines österreichischen Kontingents im Kosovo (Serbien). 2001 folgte die Entsendung von Truppen nach Ost-Timor und ein Jahr darauf nach Afghanistan und Kuwait. Gemeinsam mit der Tschechischen Republik wieder auf einer Linie, nämlich auf pro-NATO-Kurs, wurde die Kooperation mit dem Nachbarland wieder forciert – so unter anderem mit einem gemeinsamen tschechisch-slowakischen Bataillon, welches seit 2002 im Kosovo im Einsatz ist.

Schlüssel einer neoliberalen Offensive der USA

Auch wirtschaftlich hielt man sich nun fortan in Bratislava an die Dogmen aus dem Westen. So wurden die flat tax eingeführt – ein einheitlicher Steuersatz für alle – und Privatisierungen vorgenommen. Laut dem US-Botschafter in Bratislava sahen die Vereinigten Staaten die wirtschaftsliberalen Reformen in Bratislava als Schlüssel einer „neoliberalen Offensive“ in Europa. Der IWF sowie die OECD erklärten 2004 die Slowakei für das „reformfreudigste“ ihrer Mitgliedsländer. Der Handel des kleinen Landes an der Donau orientierte sich nun nach Westen. Deutschland wurde der Hauptexport- und -importpartner. Der Anteil der Exporte nach Osten wurde quasi irrelevant, und der Import aus Russland reduzierte sich bis 2004 auf knapp neun Prozent.
Doch massive soziale Verwerfungen durch die neuen Ansätze in der Wirtschaft machten die pro-westliche Regierungspolitik unbeliebt. Am 24. April 2004 kam es in der Ostslowakei zur ersten Hungerrevolte in Mitteleuropa seit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Tausende Angehörige der vernachlässigten Minderheit der Roma hatten „an diesem Tag im Osten des Landes Supermärkte und Lebensmittelläden überfallen, um ihre Existenzgrundlage […] gewaltsam zu sichern.“, so der Osteuropaexperte Hannes Hofbauer.  Armee und Sonderpolizei wurden eingesetzt, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen.
Die Bevölkerung wandte sich von den herrschenden Konservativen und Liberalen ab. Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 kam es zu einer Überraschung: Hatten vor allem westliche Medien den Sieg des Regierungskandidaten Eduard Kukan (SDKÚ) vor der Wahl vorausgesagt und gemeint, der Ex-Präsident Mečiar und sein ehemaliger Weggefährte Ivan Gašparovič würden nur um den zweiten Platz buhlen, ging am 03. April alles auf einmal anders aus. Mečiar gewann überraschenderweise den ersten Wahlgang und Gašparovič errang den zweiten Platz. Der Zweitplatzierte hatte eine Abspaltung von Mečiars HZDS ins Leben gerufen, die HDS (Bewegung für Demokratie). Bei sonstigen Wahlen blieb die HDS quasi irrelevant. Bei den Präsidentschaftswahlen 2004 genoss der HDS-Kandidat die Unterstützung der linkspopulistischen SMER sowie der nationalistischen SNS. Laut der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin profilierte sich Gašparovič bei den Wahlen um das Präsidentenamt als Politiker mit einer sozialen Ader. Im zweiten Wahlgang gewann Gašparovič, und ein Präsident in Opposition zur Regierung vertrat nun offiziell das Land.

Keine Verbündeten mehr in der Europäischen Union

Im Wahljahr 2006 verlor die damals regierende liberal-konservative Koalition die absolute Mehrheit. Premierminister Dzurinda, der das Land in die NATO und EU geführt hatte, wurde abgewählt. Eine schwierige Regierungsbildung stand nun bevor. Konservative Kreise in Europa hofften auf einen pro-europäischen Schwenk von Mečiars HZDS und die Sozialdemokraten Europas versuchten, eine Regierung der linkspopulistischen SMER, die Mitglied der europäischen sozialdemokratischen Partei PES war, mit den Nationalisten der SNS zu verhindern. Doch die Bemühungen waren erfolglos – am 28.06.2006 erklärten die Sozialisten, mit den Rechtspopulisten und Gaullisten eine gemeinsame Regierung bilden zu wollen. Die PES war darüber gar nicht erfreut und warf die SMER aus ihrer Fraktion und später aus der Partei. Das EU-Parlament setzte eine Monitoring Group ein, da eine Verschlechterung der Lage der Roma befürchtet wurde. Bis auf den tschechischen Premier Jiri Paroubek hatte die neue slowakische Regierung keine Verbündeten mehr in der Europäischen Union – und der Sozialdemokrat Paroubek war bereits abgewählt. Die erste Auslandsreise führte den neuen Premier dann auch nach Tschechien. Die neue Koalition in Bratislava sah sich sogar genötigt, formell die Bündnistreue zur EU und NATO zu schwören. Schließlich hatten SNS und HZDS in der Vergangenheit offen anti-westlich agiert, und auch der neue Premier Robert Fico war im Wahlkampf vor allem mit US-kritischen Kommentaren aufgefallen.

Der „52. Staat der USA“

Nach dem radikalen Schwenk von 1998 war 2006 erneut eine Kursänderung in der slowakischen Außen- und Sicherheitspolitik zu verzeichnen. Zwar war eine poly-vektorielle Außenpolitik und große Distanz wie in den 1990er Jahren nicht vorgesehen, aber die auswärtige Politik sollte durchaus diversifiziert werden. Als erstes begann man in Diwaniyya im Südirak, die slowakischen Truppen auf den Heimweg zu schicken – die Slowakei sei schließlich nicht der „52. Staat der USA“ (Robert Fico). In Zukunft wolle die neue Regierung an der Donau nur noch UN-mandatierte Einsätze unterstützen. Ende 2007 war der Irak-Abzug beendet. Im Jahr 2010 wurden die slowakischen Truppen der UNDOF auf den Golanhöhen in Syrien zurück in die Heimat geholt.
Während die Slowakei in der EU isoliert war, deutete sich eine Verbesserung der Beziehungen zu anderen Staaten außerhalb der europäischen Staatengruppe an. Noch als Oppositionsführer hatte Robert Fico 2003 den Präsidenten von Belarus, Alexander Lukaschenko, besucht. Nach dem Amtsantritt der SMER-SNS-HZDS-Regierung verlautbarte der Botschafter für Sonderangelegenheiten der Republik Belarus, dass sich die Beziehungen beider Staaten verbessern würden. Neupremier Fico kündigte an, nach Venezuela, Libyen und China zu reisen, und besuchte demonstrativ einen Empfang in der kubanischen Botschaft zum 48. Jahrestag der Kubanischen Revolution. Nichtsdestotrotz wurden Posten im Außenministerium und auf internationaler Bühne an erfahrene Diplomaten vergeben.

Zahlungsmittel Euro

Trotz anfänglich verwirrender Signale beharrte Neu-Premierminister Fico darauf, dass Kontinuität in der Außen- und Sicherheitspolitik gewahrt bleibe. So hat das Land an der Donau mittlerweile doppelt so viele Soldaten nach Afghanistan entsendet. 2010 wurde bekannt, dass die Slowakei mit den USA ein gemeinsames Anti-Terror-Zentrum errichten will. Auch wurde der Lissabon-Vertrag, trotz anfänglichen Misstrauens, angenommen. Derzeit stellt die Slowakische Republik gemeinsam mit Polen, Deutschland, Litauen und Lettland eine European Battlegroup (EU BG). Mittlerweile ist auch die SMER wieder Teil der europäischen sozialdemokratischen Partei PES. Das zeigt deutlich, dass die slowakische Regierung ein anerkannter Partner in der EU ist. Im Jahr 2009 übernahm die Slowakei als zweites osteuropäisches Land nach Slowenien den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel.
Trotz Teilkontinuität gab es auch einen bedeutenden Wandel in der slowakischen Außenpolitik. So wurden die Beziehungen zu Russland massiv ausgebaut – sowohl wirtschaftlich als auch militärisch. Im Streit um die Errichtung einer Raketenabwehr positionierte sich die Slowakei auf russischer Seite. Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo lehnte Bratislava scharf ab und fand sich somit auch im russischen Lager wieder. Bei der Nichtanerkennung des Kosovo dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass der ungarischen Minderheit im Süden des Landes pro-separatistische Tendenzen vorgeworfen werden. Während des Kaukasuskonfliktes 2010 verurteilte der slowakische Premier Fico die „georgische Aggression“ gegen Südossetien und entsandte humanitäre Hilfe nach Südossetien. Während eines Besuches des russischen Präsidenten Medwedew in diesem Jahr unterstützte das slowakische Staatsoberhaupt Gašparovič den russischen Vorschlag eines gemeinsamen Sicherheitsraumes von Wladiwostok bis Vancouver. Die Russische Föderation ist wieder ein wichtiger Faktor in der slowakischen Außenpolitik.

Gute Beziehungen zu China

Zusätzlich zur Aufwertung der Beziehungen mit Russland suchte Bratislava freundschaftliche Beziehungen zu Belarus, China, Vietnam, Syrien und Libyen. Der chinesische Präsident Hu Jintao besuchte das Land an der Donau im vergangenen Jahr zum 60. Geburtstag der (tschecho-) slowakisch-chinesischen Beziehungen. Die Slowakei war dabei das einzige EU-Land der Drei-Nationen-Tour (Russland, Slowakei und Kroatien) des chinesischen Staatsoberhauptes. Dieses Jahr wurde bekannt, dass China mehrere Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge nach Europa bauen will – einer könnte in der Slowakei enden. Darüber hinaus besuchte der chinesische Verteidigungsminister General Liang Guanglie die Slowakei und deutete an, die Militärbeziehungen beider Länder auf ein neues Niveau stellen zu wollen. Die slowakische Rüstungsindustrie soll auch gute Beziehungen nach Asien im Allgemeinen und China im Speziellen pflegen. Liang besuchte ebenfalls nur drei Länder – die Slowakei, Bulgarien und Serbien. Das sind die drei strategischen russischen Anker in Mitteleuropa in der Vergangenheit gewesen und mit Einschränkungen sind sie es auch noch in der Gegenwart.
Im Nahost-Konflikt positionierte sich die Slowakische Republik in den letzten Jahren auch neu. Die slowakischen Truppen der UNDOF wurden bis 2010 aus Syrien abgezogen und die freundschaftlichen Beziehungen zum Land in der Levante betont. Noch lange bevor der französische Präsident Sarkozy mit diplomatischen Offerten Syrien wieder in Europa hoffähig machte, traf der damalige slowakische Außenminister Ján Kubiš sein syrisches Gegenüber Walid Mualem im Jahr 2010. Es wurde beiderseitig erklärt, dass die syrisch-slowakischen Beziehungen ausgebaut werden müssen. Vor einem Besuch des derzeitigen slowakischen Außenministers Miroslav Lajčák in Israel kam es zu einem Treffen von bekannten Vertretern der Genfer Initiative  mit Lajčák – eine deutliche Distanzierung zur derzeitigen israelischen Regierungspolitik.

Distanz zu den USA

In Strategie und Rhetorik bleibt die slowakische Regierung – trotz beschworener Kontinuität zur Vorgängerregierung – auf Distanz zu den USA. Bei einem Treffen der NATO-Außenminister in Bratislava am 22.10.2009 kritisierte Premierminister Fico die US-Politik im Irak sehr scharf. „Wir lehnten die Mission im Irak ab, da die Nutzung militärischer Kräfte nur von Ölinteressen geleitet war!“ NATO-Generalsekretär Rasmussen verschlug es dabei die Sprache. Außerdem wurde die Slowakei temporäre Heimat von über 100 palästinensischen Flüchtlingen aus dem Irak. Palästinenser im Irak haben einen besonders schweren Stand, da sie nicht nach Jordanien oder Syrien fliehen können. Die Aufnahme der irakischen Palästinenser ist ein Signal, in Zukunft mehr auf humanitäre Hilfe zu setzten. Der Entwicklungshilfehaushalt wurde in den letzten Jahren aufgestockt – während der Verteidigungshaushalt um ein Fünftel gekürzt wurde.
Die fundamentale Kritik der derzeitigen slowakischen Regierung an der Unabhängigkeitserklärung der serbischen Provinz Kosovo wird regelmäßig wiederholt. Der Vizeaußenminister der Slowakischen Republik nannte das Kosovo sogar verächtlich „Drogen-ovo“ und sah eine offensichtliche Verbindung zwischen Pristina und der organisierten Kriminalität. In Bratislava versicherte man sogar, auf alle Zeit das Kosovo nicht anzuerkennen. Auch Treffen des kosovarischen Außenministers mit Lajčák im Herbst 2009 und im Frühling 2010 änderten daran nichts. Dieses Jahr werden die slowakischen Truppen aus der Region fast vollständig abgezogen. Lediglich 20 Soldaten bleiben auf dem Balkan stationiert.
Die angekündigte Verbesserung der slowakisch-venezolanischen Beziehungen blieb bis heute aus. Innerhalb der EU versuchte die slowakische Regierung die Bedeutung der Staaten im Südosten des europäischen Raumes zu verstärken. Beitritte von Staaten wie Montenegro und Moldawien werden von Premier Fico und seinen Außenpolitikern begrüßt. Die auswärtige Politik wurde wieder auf verschiedene Stützen gestellt – militärisch, politisch und vor allem auch wirtschaftlich. Zwar war die Politik nicht vergleichbar mit der fast schon isolationistischen Mečiar-Zeit, aber durchaus poly-vektoriell orientiert.
Die linke SMER hat zwar die Parlamentswahlen vom 12.Juni 2010 gewonnen, jedoch ist ihr der gaullistische Koalitionspartner HZDS abhandengekommen. Die Mitte-Rechts-Parteien stellen nun eine Mehrheit im slowakischen Nationalrat und seit Anfang Juli ist die SDKÚ-Spitzenkandidatin Iveta Radičová neue Premierministerin. Sie wird  nun zur Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik der Ära Dzurinda zurückkehren.

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