Bukarest und Sofia erzürnen MoskauUS-RAKETENPLÄNE

Bukarest und Sofia erzürnen Moskau

Auf die Pläne, US-Abwehrraketen in Südosteuropa zu stationieren, reagiert Moskau gereizt. Statt Polen und Tschechien soll nun offenbar das amerikanische Raketenarsenal auf dem Balkan stationiert werden.

Von Ulrich Heyden

W arum kommt nach der rumänischen Überraschung nun eine bulgarische Überraschung?“ Der russische Außenminister Sergej Lawrow reagierte gereizt auf die Erklärung des bulgarischen Ministerpräsidenten, Boiko Borisow, man führe mit Washington Verhandlungen über die Stationierung von Abwehrraketen, die Teil eines modifizierten amerikanischen Raketenabwehrschilds sein sollen. Anfang Februar hatte bereits Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu bekannt gegeben, der Oberste Verteidigungsrat seines Landes habe dem US-Plan zugestimmt, Rumänien in den amerikanischen Raketenabwehrschild einzubinden.

Es kommt auf den Raketen-Typ an

Wenn in Rumänien amerikanische SM-3 Abwehr-Raketen stationiert werden, sei das keine Gefahr für das russische Nuklearwaffen-Potential, meinte der ehemalige Chef der strategischen Raketenstreitkräfte, Wiktor Jesin gegenüber der Nesawisimaja Gaseta. Die amerikanischen SM-3-Raketen mit einer Reichweite von 300 bis 1.000 Kilometer seien keine Gefährdung für die russischen strategischen Raketen. Wenn die Amerikaner in Rumänien jedoch andere Abwehrsysteme aufstellen, dann, so der ehemalige Kommandeur der strategischen Raketenstreitkräfte, könne Russland sich nicht damit abfinden. Eine Gefahr für die ballistischen Raketen Russlands sind nach Meinung russischer Experten die amerikanischen GBI-Abfang-Raketen, die aus Silos gestartet werden und für die Raketenabwehr in Polen vorgesehen waren.

Der Kreml reagierte auf die Ankündigung aus Rumänien auf seine Art. Am Tag, an dem die Nachricht aus Bukarest kam, setzte der russische Präsident Dmitri Medwedew mit seiner Unterschrift eine neue Militärdoktrin in Kraft. Während in der alten Doktrin noch nebulös vor der Ausdehnung „anderer Militärblöcke“ gewarnt wurde, wird in der neuen Doktrin die NATO, mit ihren Erweiterungsplänen, eine Bedrohung für Russland genannt. Moskau droht in der neuen Doktrin zwar nicht mit dem nuklearen Erstschlag, behält sich aber das Recht vor, mit Nuklearwaffen zu antworten, wenn Russland mit Nuklearwaffen angegriffen wird oder der Bestand Russlands durch den Einsatz von konventionellen Waffen gefährdet ist.

Moskau verlangt „ausführliche Informationen“

Der russische Außenminister Sergej Lawrow, erklärte, man sei in die Pläne für Rumänien und Bulgarien nicht eingeweiht worden. Von den USA erwarte man „ausführliche Informationen“ über das, was da genau in Südosteuropa stationiert werden soll. Der russische Außenminister sieht offenbar auch juristische Probleme. Nach den amerikanischen Plänen für eine modifizierte Raketenabwehr werden auch US-Kriegsschiffe im Schwarzen Meer eine Rolle spielen. Doch die Anwesenheit von Kriegsschiffen, die nicht zu einem Anrainer-Staat des Binnenmeeres gehören, ist laut Montreux-Konvention von 1936 auf 21 Tage begrenzt.
   
Sergej Lawrow wirft Washington Geheimniskrämerei vor. „Wir erfahren aus der Presse, dass diese und jene Teile der amerikanischen Raketenabwehr in diesem und jenem Land stationiert werden sollen.“ Das widerspreche der Vereinbarung zwischen Obama und Medwedew, die sich geeinigt hätten, die Frage der Raketenabwehr in größtmöglicher Transparenz zu klären. John Beyrle, Botschafter der USA in Moskau, weist den Vorwurf zurück. Über die Raketenabwehrpläne habe man mit den offiziellen Vertretern Russlands in mehreren Runden „im Geist maximaler Offenheit“ gesprochen, schreibt der Botschafter in seinem Blog.

Raketen gegen Russland

Washington erklärt zwar zum wiederholten Mal, die Abwehr-Raketen richteten sich gegen eine mögliche Bedrohung aus dem Iran und nicht gegen Russland richten, doch in Moskau zweifelt man an diesen Äußerungen. Die Entwicklung und Stationierung des Raketenschildes sei „gegen die Russische Föderation gerichtet“, erklärte der russische Generalstabschef Nikolai Makarow. Das sei auch der Grund, warum das Folgeabkommen für den Vertrag zur Abrüstung strategischer Raketen, Start 1, noch immer nicht unterzeichnet sei.

Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin ließ seinen Emotionen freien Lauf. In seinem Blog schrieb er: „Und nun auch Bulgarien. Ich habe das Gefühl, dass das für Europa nicht gut endet. Die Bulgaren, das sind unsere Brüder, aber politisch sind sie mitunter nicht gerade wählerisch. In beiden Weltkriegen kämpften sie gegen uns, aber danach haben sie sich schnell umorientiert.“ Jetzt hofft Rogosin, dass die Bulgaren sich noch „richtig orientieren“.

Der Vorsitzende des Duma-Komitees für Auswärtige Angelegenheiten, Konstantin Kosatschow, forderte, der Zusammenhang zwischen Raketenabwehr und strategischen Waffen müsse im Start 1-Folgevertrag „mit maximaler Genauigkeit“ festgeschrieben werden. Der neue Abrüstungsvertrag sollte eigentlich schon im Dezember unterschrieben werden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow verkündete Anfang der Woche, der Vertrag sei „zu 97 Prozent fertig“. Von der russischen Seite wird auch behauptet, man habe schon eine Formulierung über den Zusammenhang von Raketenabwehr und strategischen Raketen in dem neuen Vertragsentwurf untergebracht.

Iskander-Raketen in Transnistrien?

Anfang der Woche wurden die Spekulation um die Raketenabwehrpläne der Amerikaner in Südosteuropa durch eine Erklärung von Igor Smirnow, dem Präsident der selbsternannten Republik Transnistrien, angeheizt. Dieser bot Moskau großzügig an, Iskander-Raketen in Transnistrien zu stationieren. Einige russische Politologen warnten gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Novosti, auf das Angebot einzugehen. Für Russland sei ein gutes Verhältnis zu Moldova wichtiger, als das kleine Transnistrien, was über die Raketenfrage nur versuche, sich international aufzuwerten. Doch der einflussreiche kremlnahe Politologe Sergej Markow, hält den Vorschlag von Smirnow offenbar für überlegenswert. Moskau könne darauf eingehen, um zu zeigen, dass „wir zu einer Fortsetzung des von Obama beschlossen Rüstungswettlaufs nicht bereit sind.“ Allerdings hat Markow noch die Hoffnung, dass Obama sich von der einseitigen Raketenstationierung abwende. Was Russland betreffe, so sei man weiterhin an der Schaffung eines gemeinsamen Raketenabwehrschilds, mit den USA und der NATO, interessiert.

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