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KROATIEN
Von Wolf Oschlies
Orthodoxe jüdische Trauung in Zagreb: Najda Mihal Pavic und Roni Brandl wurden von Rabbi Kotel Da-Don unter dem symbolischen Baldachin vermählt. |
n ganz Kroatien lebten vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 24.000 Juden, davon 11.000 in der Hauptstadt Zagreb. Der kroatische Ustasha-Terror und das Bündnis des faschistischen „Unabhängigen Staates Kroatien“ (NDH) mit Hitlers Deutschland haben ihre Zahl drastisch gemindert – auf rund 3.000 im ganzen Land, wovon die Hälfte in Zagreb lebt.
Seit knapp 15 Jahren ist Kroatien eine souveräne Republik – gegründet von dem Kriegsverbrecher und bekennenden Antisemiten Franjo Tudjman (1922-1999), dessen wüste Ausfälle im „Stürmer“-Stil gegen Juden und Israel jahrelang normale diplomatische Beziehungen verhinderten. Noch immer stehen die faschistischen Ustasha in hohem und wachsendem Ansehen, jene Terrorgruppe, die der Zagreber Winkeladvokat Ante Pavelic (1889-1959) gegründet und in seinem NDH zur alleinigen Macht geführt hatte.
Im Mai 1945 stellten Titos Partisanen einige Hundert von ihnen in dem Kärntner Städtchen Bleiburg und erschossen sie kurzerhand – was in Kroatien bis heute mit Jasenovac „aufgerechnet“ wird, dem „balkanischen Auschwitz“, in dem Ustasha mindestens 600.000 Serben, Juden (unter diesen der furchtlose Ober-Rabbiner Miroslav Freiberger) und Roma umbrachten. Noch Anfang Juni 2006 forderte Pierre Besnainou, Präsident des „European Jewish Congress“ (EJC), die kroatische Regierung nachdrücklich auf, gegen antisemitische Ausfälle im Land vorzugehen und Gesetze gegen Antisemitismus zu erlassen.
Die Zagreber Juden haben unter Tudjman viel Unheil erfahren, Bombenanschläge auf ihren Friedhof und ähnliches mehr, und hätten derzeit Anlass genug, sich gegen kroatischen Chauvinismus und Antisemitismus geschlossen zur Wehr zu setzen. Das tun sie jedoch nicht, vielmehr führen sie sich so auf, dass Staatspräsident Stipe Mesic schon im September 2005 wütend befand: „In der Jüdischen Gemeinde Zagreb benehmen sich einige Leute wie weiland die Nazis im Zweiten Weltkrieg“. Nun, Vergleiche mit Nazis etc. sind immer gefährlich und fallen in der Regel auf den zurück, der sie anstellt. Aber will man’s andererseits dem (immer sehr direkt redenden) Präsidenten verdenken, wenn ihm kein besserer Vergleich einfällt? Dazu gehört eine Vorgeschichte, die erzählt werden will.
Am 6. Juni 2006 fand in Zagreb nach über 50 Jahren erstmals wieder eine orthodoxe jüdische Trauung statt: Najda Mihal Pavic und Roni Brandl wurden von Rabbi Kotel („Klagemauer“) Da-Don unter dem symbolischen Baldachin vermählt. Es war eine außerordentlich fröhliche Hochzeit, zu der Gäste, Speisen und Musik aus Wien, Budapest und Israel herangebracht worden waren. Zugleich aber war es auch eine hochpolitische Angelegenheit, die den seit Monaten schwelenden Streit um Rabbi Da-Don in eine nächste, giftigere Runde eskalieren ließ. Kotel Da-Don, Nachkomme einer sephardischen Familie aus dem marokkanischen Casablanca, wurde Ende 1967 in Jerusalem geboren. Er studierte Jura und besuchte eine religiöse Jeshiva, um Rabbiner zu werden. 1995 lebte er in Budapest, wo er seine Studien fortsetzte und als „Gast-Rabbiner“ nach Zagreb berufen wurde. 1998 wurde er zum Ober-Rabbiner für ganz Kroatien gewählt, der erste seit dem Zweiten Weltkrieg. Zwar war das Amt nur auf ein Jahr terminiert, aber das war eine reine Formalität: Der junge Rabbi ging mit so viel Elan und Erfolg daran, neues jüdisches Leben aus Ruinen erblühen zu lassen, dass er insgesamt sieben Jahre amtierte. Es war eine wechselseitige Zuneigung: Die kroatischen Juden hatten ihn gern, er mochte die kroatischen Juden, die ihm „mental in der Nähe von Israelis“ erschienen. Bei Zagreber Juden wurde kein Schweinefleisch mehr gegessen, keine Feuerbestattung mehr vorgenommen, dafür aber Bar-Mitsva gefeiert, eine jüdische Schule eröffnet etc. Nicht einen einzigen Drohbrief habe er bekommen, sagte Da-Don, obwohl er schon durch sein Outfit tagtäglich zu erkennen gab, dass er Jude war. Auch die Kroaten hatten diesen Rabbi, der ihre Sprache so rasch und gut erlernt hatte und dessen dritter Sohn in Zagreb das Licht der Welt erblickte, ins Herz geschlossen.
Ausge-schlossen aus der jüdischen Gemeinde Zagreb: Historiker Ivor Goldstein. |
Diese Idylle hätte noch lange weitergehen können, wäre der Zagreber Gemeindeführung unter Ognen Kraus im Juni 2005 nicht in den Sinn gekommen, den Vertrag mit Da-Don nicht zu verlängern. Das stieß auf den Widerstand vieler Gemeindemitglieder, die sich plötzlich daran erinnerten, dass die Gemeindeführer gar keine Juden seien. Nach strenger Auslegung der jüdischen Vorschriften mochte dies zwar zutreffen, es war aber dennoch eine Ungerechtigkeit: Gerade die Aktivitäten von Leuten, die vielleicht nur einen jüdischen Vater hatten und darum nicht als „Juden“ galten, haben der Gemeinde das Überleben gesichert. Aber der Streit war da, die Medien griffen ihn auf und eine Versöhnung war bald ausgeschlossen. Die in Kroatien noch bestehenden zehn jüdischen Gemeinden setzte Jozef Papo, Vizepräsident der Zagreber Gemeinde, massiv unter Druck: „Da-Don kann in ganz Kroatien Rabbi sein, aber nicht in unserer Zagreber Gemeinde“.
Da Don wollte sein Amt und seine geräumige Dienstwohnung nicht aufgeben, seine Anhänger machten auf einer eigenen Website namens „Judenrat“ – böse Anspielung auf die von Eichmann & Co. in Osteuropa geschaffenen „Judenräte“ – Stimmung gegen die Gemeindeführung, diese ließ verlauten, Da-Don könne „als Sepharde“ gar keine authentische jüdische Lehre verbreiten, weil er einem „fremden Kulturkreis“ entstamme etc.
Die jüdische Gemeinde Zagreb ist 1806 gegründet worden – von 20 Familien mit zusammen 75 Mitgliedern. Im 200. Jahr ihres Bestehens ist sie gespalten, nachdem Ende 2005 Da-Don die Aberkennung ihres Status als „jüdische“ Gemeinde forderte und die Gemeinde Da-Don und 18 seiner Mitstreiter ausschlossen, darunter den angesehenen Historiker Ivo Goldstein. steht. Die Ausgeschlossenen formierten sich später zu einer eigenen Gemeinde, was ihnen noch im Juli 2006 heftigste Anwürfe der alten Gemeinde zuzog: „Lügner“ und „Verleumder“ seien sie, die „Kroatiens EU-Beitritt“ sabotieren wollten und ähnliches mehr.
Rabbi Zvi Eliezer Alonie, geboren 1951 in Tel Aviv. |
Die Zagreber Alt-Gemeinde, die Da-Don inzwischen sogar des Diebstahls einer Thora-Rolle bezichtigte, suchte Ersatz für ihn, vergriff sich dabei aber gründlich. Man verfiel auf den fast 60-jährigen Michael Dushinsky, ehemaliger Ober-Rabbi von Nord-Irland, der jedoch seit 1997 in dem Verdacht steht, gegen große Bestechungssummen „Blitzübertritte“ zum Judentum zu ermöglichen. Eben darum lastet auf ihm auch ein Einreiseverbot nach Israel.
Im Februar 2006 wurde man schließlich in Mainz fündig und engagierte Rabbi Zvi Eliezer Alonie, geboren 1951 in Tel Aviv. Ende Februar 2006 wurde er eingestellt und präsentierte sich im Gemeindeblatt „Haxol“ als der gesuchte Hardliner: Es sei eine „Unwahrheit“, dass der „bisherige Rabbi aus der Gemeinde hinausgeworfen wurde“ – er sei ordnungsgemäß gekündigt worden, weil er die Gemeinde zu „liberal“ gemacht habe. Im übrigen sei Da-Don ein unangenehmer Zeitgenosse, „den ich nicht kenne und auch nicht kennen lernen möchte, denn mit so einem Menschen habe ich nichts zu tun. Der beweist doch ständig, woher er kommt und wohin er geht, und alle seine Anhänger sind vom gleichen Schlag“.
Rabbi Da-Don hat im Herbst 2005 und im März die Jüdische Gemeinde Zagreb auf Vertragsverlängerung verklagt und sich bislang standhaft geweigert, seine Dienstwohnung zu verlassen. Großen Erfolg haben seine Klagen noch nicht gehabt, aber das könnte sich demnächst ändern. Rabbi Jigal Krispel, Kanzleichef des israelischen Ober-Rabbi Shlomo Mosha Amar, teilte in einem Brief dem „Ober-Rabbi Kroatiens Kotel Da-Don“ mit, dass sein Nachfolger Alonie ein Falschmünzer sei: Man habe alle Akten sorgfältig geprüft und keinen Rabbi Zvi Aloni gefunden, der vor dem hiesigen Ober-Rabbinat Prüfungen abgelegt habe. Und wörtlich: „Darum erkennen wir diesen nicht als bevollmächtigten Rabbiner an. Und die Zagreber Gemeinde soll sich davor hüten, einen Boykott seitens der Europäischen Rabbiner-Konferenz zu riskieren“.
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