Die Opposition verpflichtet sich zum SchweigenGEORGIEN

Die Opposition verpflichtet sich zum Schweigen

Die Menschen auf den Straßen von Tiflis machen sich keine Illusionen über ihre Lage und das Regime Saakaschwili. Viele sehen in ihm nur einen Erfüllungsgehilfen der USA, der das Land in den Bankrott geführt hat.

Von Ulrich Heyden

S aakaschwili hat uns betrogen“, meint der Taxifahrer, der in schnellem Tempo durch die mit hohen Bäumen umsäumten Straßen von Tiflis braust. Die Stimme des Volkes kann sich in einem Taxi noch Gehör verschaffen, auf den Straßen von Tiflis sind die Georgier dagegen vorsichtig. „Gegen Kritiker geht die Macht hart vor“, meint eine Historikerin, die ihren Namen aus Angst vor Repressionen nicht nennen will. Der Taxifahrer ärgert sich, dass Saakaschwili seine Versprechen nicht eingehalten hat. „Saakaschwili hat gesagt, die Georgier seien die Schönsten, die Klügsten und die Stärksten. Er hat gesagt, wir hätten Raketen.“ Offenbar seien das nur Worte gewesen. „Saakaschwili brauchte einen Krieg. Er hatte kein Geld mehr“, so der Fahrer in resigniertem Ton. Belegen kann er seine Behauptungen natürlich nicht. Aber viele Georgier sehen in Saakaschwili tatsächlich einen Erfüllungsgehilfen der USA.

„Wir haben gesiegt“

Die militärische Niederlage in Südossetien gestand die georgische Regierung zunächst nicht ein, berichtet Kakha Kukava, Generalsekretär der kleinen Konservativen Partei. Während westliche Fernsehkanäle wie Euronews schon von der Niederlage berichteten, „hat Saakaschwili noch mehrere Tage von einem Sieg geredet“, erklärt Kukava, dessen Partei mit zwei Abgeordneten im Parlament vertreten war. Die Abgeordneten legten aber – noch vor dem Krieg - aus Protest gegen die Wahlfälschungen bei der Parlamentswahl im Frühjahr zusammen mit 15 anderen Abgeordneten der Opposition ihre Mandate nieder.

Und was denken die Georgier über den Krieg? Es gibt nur wenige Anhaltspunkte. Denn eine freie Presse gibt es in Georgien nicht. Die Debatten-Website für Bürger von Tiflis, „Forum.ge“ wurde von der Regierung abgestellt. Dabei gäbe es nach der verlorenen Schlacht um Südossetien einiges zu diskutieren. In der Bevölkerung grummelt es. Junge Männer, die nur in einem zweiwöchigen Schnelldurchgang den Umgang mit der Waffe lernten, wurden in den Krieg geschickt. Viele wurden verletzt und getötet. „Wir sind Nachbarn Russlands. Man muss mit Russland irgendwie auskommen“, meint Zura, ein 18jähriger Student, der bei den Kämpfen in Gori und Tschinwali dabei war. Er war an der Front, um sein Land zu verteidigen. Zura bereut das nicht, fragt sich aber, ob es eine richtige Organisation und richtige Ziele gab.

“Das Feuer nicht erwidern”

 “Die Regierung hat einen großen Fehler gemacht”, meint die Historikerin, die ihren Namen nicht nennen will. Selbst wenn das, was in Zchinwali passierte, eine Provokation Russlands war, hätte man das Feuer nicht erwidern dürfen. „Es war ein Fehler, Zchinwali zu bombardieren, denn das Ergebnis ist, dass wir mehrere Dörfer verloren haben und jetzt wieder über den Status von Abchasien und Südossetien geredet wird.“ (Inzwischen hat Russland vollendete Tatsachen geschaffen und die Provinzen als selbstständige  Staaten anerkannt).

Das georgische Fernsehen berichtet ununterbrochen über die Greuel der Plünderer und Banditen, die rund um die besetzten Städte ihre Unwesen treiben. Das Fernsehen ist vollständig in der Hand der georgischen Regierung. Nachdem im Herbst letzten Jahres der unabhängige Fernsehkanal Imedi erst bei einem Überfall von Sicherheitskräften zerstört und dann abgeschaltet wurde, gibt es in Georgien „keine Pressefreiheit mehr“, sagt Rechts-Politiker  Kukava. Die Fernseh-Übertragungen von Euronews wurden jetzt für mehrere Tage unterbrochen. Anlass der Abschaltung war – so Kukava -, dass Euronews eher über die militärische Niederlage der georgischen Truppen in Südossetien und im abchasischen Kodori-Tal berichtete, als die georgische Regierung, die noch mehrere Tage nach der Niederlage von einem „Sieg“ sprach.

Völlig aus dem öffentlichen Leben verbannt wurden die russischen Fernseh-Kanäle und das russische Internet. Wer in Tiflis Websites mit der Endung “.ru” aufruft, kann lange warten. Die Konservative Partei – wie auch andere Oppositionsparteien -  lassen aus Angst vor Hacker-Attacken, welche von der georgischen Regierung lanciert werden, ihre Website (www.conservatives.ge) über einen Server in Tschechien laufen. 

Opposition schweigt

Die Opposition hat sich seit Kriegsbeginn bis auf wenige mutige Stimmen selbst zum Schweigen verpflichtet. (Eine davon ist die von Georgi Chaindrawa – siehe unser Interview). „Wenn die Mensche schon sterben, hat es keinen Sinn, die Macht zu kritisieren“, meint Kakha Kukava. „Die Kritik der Opposition könnte von Russland ausgenutzt werden“, erklärt der Rechts-Politiker, der selbst Jurist ist. „Solange russische Truppen die georgischen Städte Gori, Poti und Sugdidi besetzt halten, kritisieren wir den Präsidenten nicht.“

Eigentlich verdiene Russland einen „scharfen Ton“, meint der Jurist. „Aber wir wollen nicht, dass Georgien ein neues Afghanistan wird.“ Georgien dürfe nicht zu einem Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA werden. Dass jetzt im Umkreis der besetzten Städte mit Duldung russicher Militärs Plünderer und Vergewaltiger aus dem russischen Nordkaukasus ihr Unwesen treiben, sei ein ernstes Signal. Auf die gleiche Weise hätten die von den USA in den 1970er Jahren unterstützten Mujahedin in Afghanistan die Bevölkerung terrorisiert.

Dialog mit Russland nötig

Der Oppositiospolitiker tritt dafür ein, dass Georgien mit Russland wieder in direkte Verhandlungen tritt. „Solange es keinen Dialog mit Russland gibt, ist Georgien in Gefahr“, meint Kukava. Um Verhandlungen mit dem großen Nachbarn komme man einfach nicht herum. „Da kann noch soviel humanitäre Hilfe aus dem Westen kommen.“

Auf den Straßen von Tiflis ist die Opposition nicht mehr zu sehen. Im Herbst letzten Jahres hatte das Bündnis von neun Oppositionsparteien Demonstrationen gegen Wahlfälschungen, Korruption und autoritären Regierungsstil organisiert, an denen bis zu 100.000 Menschen teilnahmen. Im November hatte Saakaschwili dann eine Demonstration der Opposition gewaltsam auflösen lassen und danach für zwei Wochen den Ausnahmezustand verhängt. Die Begründung: Die georgische Opposition plane einen Umsturz, der in Moskau ausgeheckt worden sei. Das Argument erinnert an diverse von der russischen Regierung angezettelte Kampagnen gegen britische und estnische Diplomaten in Moskau. Im Kalten Krieg hat es der gesunde Menschenverstand schwer.

Kaukasus Russland

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