„Die Sprachforschung hätte mehr Aufmerksamkeit verdient“EURASISCHE URSPRACHE

„Die Sprachforschung hätte mehr Aufmerksamkeit verdient“

Interview mit PD Dr. Peter-Arnold Mumm vom Zentrum fur historische Sprachwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München uber nostratische Forschungsansätze zur Entdeckung einer gemeinsamen Ursprache auf dem Kontinent Eurasien.

Von Hans Wagner

Eurasisches Magazin: In der Ausgabe 07/02 des EURASISCHEN MAGAZINS haben wir über Arbeiten russischer Wissenschaftler berichtet, die behaupten, eine gemeinsame Ursprache Eurasiens entdeckt zu haben. Sie soll Basis für die sich später daraus entwickelnden Sprachen Urindogermanisch, Ururalisch und Urafroasiatisch gewesen sein. Für eine solche gemeinsame Ursprache werden Begriffe wie meroitisch, boreisch oder nostratisch verwendet. Was verbirgt sich hinter diesen Bezeichnungen?

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Dr. Peter-Arnold Mumm 

Peter-Arnold Mumm: Das sind Verlegenheitsbezeichnungen für eine halb wissenschaftliche, halb romantische Idee. Schon das Urindogermanische (so wie die anderen mit Ur- beginnenden Sprachen) ist nicht mehr direkt überliefert, sondern ist eine von der Wissenschaft rekonstruierte Sprache. Sie ist nicht nur schon lange tot, es gibt auch keine Inschriften oder Papyri. Wir wissen nur deshalb von ihr, weil die Tatsache unübersehbar ist, daß die indogermanischen Sprachen in Wortschatz und Grammatik so systematisch miteinander übereinstimmen, daß sie auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen müssen. Hier ein Beispiel: dem deutschen ist / sind entspricht lateinisch est / sunt, altgriechisch (dialektal) esti / enti, altindisch asti / santi, hethitisch eszi / asanzi. Es gibt viele weitere Entsprechungen dieser Art. Das kann kaum auf Zufall oder Entlehnung beruhen, sondern nur auf gemeinsamer Abstammung. Diese Idee von einer gemeinsamen indogermanischen Ursprache hat auch etwas Romantisches an sich, und es ist kein Zufall, daß die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft um 1800 in der Zeit der Romantik entstanden ist. Aber es hat sich eine wirkliche Wissenschaft daraus entwickelt.

Manche wollen nun noch ein Stockwerk tiefer graben und einen gemeinsamen Vorfahren auch der rekonstruierten Grundsprachen Urindogermanisch, Ururalisch, Urafroasiatisch u.a. finden. Diesen vermeintlichen Vorfahren taufen sie nach Belieben. „Nostratisch“ wurde z.B. 1903 von Holger Pedersen geprägt. Es ist von lateinisch nostras „Landsmann“ abgeleitet und enthält insofern eine völkerverbindende Idee. „Boreisch“ ist zu altgriechisch Boréas „Nordwind“ gebildet und heißt einfach „nördlich“. Vom Standpunkt der antiken Geographen aus war der Norden eine eher unbekannte und sagenumwobene Gegend. Diesen Beiklang hat die moderne Terminologie sich zunutze gemacht. „Meroitisch“ ist der Name einer durch spärliche Inschriften in der Gegend von Meroe (Marawi, Sudan) aus der Zeit um Christi Geburt bezeugten, bis heute wenig verstandenen Sprache. Sie soll phantasiebegabten Menschen zufolge ein direktes Überbleibsel der eurasischen Ursprache sein.

EM: Ist demnach alles was über eurasische Ursprachen gesagt und publiziert wurde nur Spekulation und Phantasterei oder gibt es in diesen Arbeiten auch respektable Forschungsansätze?

Mumm: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Phantasten, die nie zur Kenntnis genommen haben, wie ein sprachwissenschaftlicher Beweis aussieht – und die das nicht als Mangel, sondern als kreativen Vorzug empfinden. Es gibt aber auch respektable Forschungsansätze. Man findet nämlich tatsächlich Ähnlichkeiten zwischen einigen großen Sprachfamilien, die zwar sehr rudimentär sind, aber doch auffallen. So kommt es in vielen Sprachfamilien vor, daß die Wörter für „ich/mich“ mit m gebildet sind, die Wörter für „du/dich“ mit t; das Wort für „7“ klingt in vielen Sprachfamilien ähnlich. Das sind möglicherweise „devonian rocks“, Fossilien einer sehr, sehr alten gemeinsamen Herkunft. Aber das Forschungsmaterial ist – im Gegensatz zum ziemlich reichen innerindogermanischen, inneruralischen Material – sehr spärlich. Und die immer noch offene Frage ist, was man aus ihm eigentlich schließen kann. Grundsätzlich gilt: Je mehr Sprachfamilien von vornherein in die Verwandtschaftsvermutung eingeschlossen sind, um so ärmer ist die Schnittmenge, um so pauschaler und spekulativer werden die Ergebnisse. Stringenz gewinnt man, wenn man im besagten tieferen Stockwerk graben will, durch Beschränkung auf zwei oder wenige Sprachfamilien. Und da ist Gutes geleistet worden. Das mögliche Ergebnis ist zwar weniger spektakulär, aber auch weniger spekulativ.

„Als öffentlichkeitswirksam gilt erbärmlicherweise das Spektakuläre“

EM: Warum sind gerade die bekanntesten Veröffentlichungen, wie die von Siegbert Hummel in seinen diversen Taschenbüchern und von Aron Dolgopolski im Magazin „Bild der Wissenschaft“ so zweifelhaft?

Mumm: Als öffentlichkeitswirksam gilt erbärmlicherweise das Spektakuläre – das in unserem Fall eben auch spekulativ ist. Da treten Leute auf, die gar keine Sprachwissenschaftler sind, wie Hummel, und daneben Sprachwissenschaftler wie Dolgopolski, die sich von ihrem eigenen Optimismus überzeugen lassen. Die Darstellung folgt dann der verbreiteten Unsitte, in populärwissenschaftlichen Medien nur die Ergebnisse mitzuteilen, zu denen man gekommen sein will, nicht aber – oder nur in unkenntlicher Verstümmelung – die dazu führenden Argumente. Als ob die Wissenschaft ein Privatschatz von Experten wäre, den der Laie bestenfalls respektvoll anglotzen könnte. Aber auch der Laie hat einen Kopf, und Wissenschaftler täten gut daran, diesen nicht zu mißachten, sondern ihm Argumente zu liefern, die am besonders strengen Maßstab der allgemeinen Verständlichkeit ausgerichtet sind.

EM: Sind mit solchen Publikationen wie denen von Hummel oder Dolgopolski die Grenzen der Erkenntnis bereits erreicht - lohnt es sich gar nicht, weiter nach Vorläufern unserer eurasischen Sprachen zu forschen?

„Es lohnt sich, weiter zu forschen“

Mumm: Es lohnt sich, weiter zu forschen. Aber nicht in einer selbstgekochten sprachlichen Ursuppe, sondern dort, wo die Erforschung der einzelnen Sprachen und Sprachfamilien Stück für Stück genauere und reichhaltigere Anknüpfungspunkte für weitere Rekonstruktion bereitstellt. Im Sommersemester werden wir hier an der Universität München ein fachübergreifendes Forschungsseminar über Hattisch, Hurritisch und Urartäisch haben – drei lückenhaft belegte Sprachen des alten Vorderen Orients. Leitende Frage wird deren mögliche Verwandtschaft untereinander und mit modernen Sprachen und Sprachfamilien im Kaukasusgebiet sein. In solcher Detailarbeit liegt die Bedingung für wissenschaftlichen Fortschritt. Und hier gibt es noch eine Menge herauszufinden.

EM: Ist es überhaupt denkbar, daß eine eurasische Ursprache vorhanden war und eines Tages auch entdeckt werden kann?

Mumm: Das ist aus drei Gründen unwahrscheinlich. Erstens kommen wir mit unseren sicheren sprachwissenschaftlichen Rekonstruktionen kaum bis über das 5. Jt. v. Chr., sicher nie bis über das Ende der letzten Eiszeit hinaus. Die Besiedlungsspuren Eurasiens weisen aber in noch viel ältere Zeiten zurück. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß in diesen älteren Zeiten in Eurasien überall dieselbe Sprache gesprochen wurde. Selbst wer das nicht behaupten will, müsste doch annehmen, daß von allen damals gesprochenen Sprachen alle ausgestorben wären bis auf eine, die dann die Mutter aller späteren eurasischen Sprachen geworden wäre. Warum sollte so etwas passieren?
Zweitens fächert sich die Frage nach einer eurasischen Ursprache bei genauerem Hinsehen in die Frage nach vielen Zwischenursprachen auf: vielleicht sind ja Indogermanisch und Uralisch oder Uralisch und Altaisch enger miteinander verwandt als, wenn überhaupt, alle drei etwa mit Afroasiatisch. Und es kann sein, daß man nur ein paar Schritt weit kommt und nicht bis zum vorgestellten allumfassenden Ziel.
Drittens ist das, was man in dieser Rekonstruktionstiefe finden kann, bestenfalls eine kleine Kollektion einzelner Wurzeln oder Wurzeltrümmer, „devonian rocks“ eben. Eine komplette Sprache ist da nicht mehr zu entdecken.

EM: Sollten die Forschungen nach einer gemeinsamen Ursprache Eurasiens unter den strengen Kriterien der Sprachwissenschaft dennoch vertieft werden?

Mumm: Ja, im genannten Sinn.

EM: Gibt es neuere und auch ernst zu nehmende Untersuchungen zu einer eurasischen Ursprache?

Mumm: Wenn Sie damit auch Untersuchungen zu Zwischengrundsprachen meinen (z.B. ural-altaisch) – dann ja. Hier gibt es immer wieder beachtenswerte Detailuntersuchungen von Forschern, die in ein oder zwei Sprachfamilien sehr gute Kenntnisse haben und sich von da aus vorwärts tasten: z.B. der Uralist Eugen Helimski in Hamburg oder der Indogermanist Don Ringe in Philadelphia. Auf der anderen Seite gibt es auch auffällige Details, die sogar noch über den eurasischen Bereich hinaus reichen. Hans-Jürgen Sasse (Köln) hat einmal zum „weltweiten Hundewort“ kut/kut' u.ä., das im Indogermanischen, Finnougrischen, Austronesischen, in Australien, in der Subsahara, in Nordamerika und andernorts verbreitet ist, Erklärungen gesucht und die entsprechenden Teilerklärungen bei den Einzellinguistiken angemahnt. Für ernstzunehmende übergreifende nostratische Untersuchungen nenne ich stellvertretend zwei Titel
Nostratic. Sifting the Evidence. Ed. by Joseph C. Salmons and Brian D. Joseph. Amsterdam / Philadelphia 1998; Time Depth in Historical Linguistics. 2 Vols. Ed. by Colin Renfrew, April McMahon & Larry Trask. Cambridge 2000.

„Vertreter etablierter Schulen fühlen sich über alles tendenziell Nostratische erhaben“

EM: Werden die von Ihnen genannten Forschungsansätze eigentlich weiter vertieft?

Mumm: Sie werden schon hier und dort vertieft. Einige Beispiele habe ich ja genannt. Allerdings fühlen sich viele Vertreter etablierter Schulen über alles tendenziell Nostratische grundsätzlich erhaben – was selbst auch nicht besonders wissenschaftlich ist. Echte Skepsis heißt, daß man die Sachen zur Kenntnis nimmt und prüft und nicht ein ganzes Forschungsfeld von vornherein verwirft, nur weil sich auf ihm besonders viele Phantasten tummeln. Dann gibt es aber noch einen ganz einfachen Grund. Ein Indogermanist, Uralist usw. hat schon innerhalb seiner eigenen Sprachfamilie mit enorm vielen Sprachen zu tun, deren jede ihre eigenen Probleme hat. Kaum ein Indogermanist kann die ganzen Teilbereiche seines Fachs voll überschauen. Da verzagt er schon leicht, wenn er auch noch ‚schnell‘ afroasiatisch oder dravidisch dazunehmen muß. Das trauen sich eher Leute zu, die sich nirgends gründlich auskennen. Trotzdem – ordentliche Arbeit ist auch hier nicht unmöglich.

EM: Wo sollte mit entsprechenden Nachforschungen zu eurasischen Ursprachen angesetzt werden?

Mumm: Aus dem gesamten Wortschatzmaterial, das bislang für nostratische Urverwandtschaft beigebracht worden ist, müssen zunächst die wirklich auffälligen Entsprechungen herausgefiltert werden. Das sind vielleicht fünf Prozent. Die muß man dann erklären. Ein Beispiel aus dem genannten Sammelband Nostratic. Sifting the Evidence (Beitrag von Brent Vine, Los Angeles): Das urindogermanische Wort für „5“ ist nach allem, was man über die Lautentwicklungen weiß, zweifelsfrei als *pénkwe zu rekonstruieren. Nun ist in vielen Sprachen der Welt das Wort für „5“ aus naheliegenden Gründen mit dem Wort für „Hand“ verwandt. Daher glaubte man auch indogermanisch *pénkwe an eine Wurzel anschließen zu können, die in deutsch Finger, Faust, fangen, fügen fortgesetzt ist. Aber Finger, Faust, fangen, fügen gehören ihrerseits sehr wahrscheinlich zu einer anderen Wurzel, die in lateinisch pax „Friede“, vielleicht auch in altindisch pasa- „Fessel“ fortgesetzt ist. Diese andere Wurzel, so wie wir sie rekonstruieren müssen, paßt lautgesetzlich nicht zum 5er-Wort. Sie ähnelt ihm, aber sie ist von ihm unterschieden. Hier gibt vielleicht das Nostratische einen Fingerzeig. Für das Nostratische ist eine Wurzel *p'aynga „Hand“ rekonstruiert worden. Der indogermanische Fortsetzer davon könnte noch in Finger, Faust vorliegen, und *pénkwe könnte aus dieser Wurzel plus hinten angefügtem *kwe „und“ entstanden sein. „5“ wäre dann wörtlich „und Hand“, was in der Zählreihe nach 4 ganz natürlich wäre.
Das ist zwar auch ohne Zuhilfenahme des Nostratischen schon vermutet worden. Aber das nostratische Rekonstrukt – wenn es von den anderen Sprachfamilien her stimmt – bietet doch zusätzliche Sicherheit. Und dadurch bekommt es selber Sicherheit. Es ist wie in einem Puzzle, wo die Teile sich gegenseitig stützen.
Dann ist noch zu klären, ob hier wirklich altes Erbe vorliegt oder sehr alte Entlehnung. Das ist noch vollkommen unklar. In ganz Eurasien hat es zu allen Zeiten intensive Sprachkontakte gegeben.

EM: Mangelt es in unserer Zeit an ausreichendem Interesse für die Sprachforschung?

Mumm: Ein Sprachforscher beantwortet diese Frage natürlich mit ja. Die Sprachforschung hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.

EM: Woher kommt das geringe Interesse?

„Die Moden in der Kulturpflege und in den Wissenschaften wechseln“

Mumm: Die Moden in der Kulturpflege und in den Wissenschaften wechseln. Im 19. Jh. war Sprachwissenschaft selbstverständlich historisch ausgerichtet. Im letzten Drittel des 20. Jh. hat sich das geändert. Das hängt auch damit zusammen, daß das kulturelle Erscheinungsbild, das Staaten gerne von sich geben, heute mehr von Zukunftsideen als von Vergangenheitsideen geprägt ist. Da sind dann auch in der Sprachwissenschaft Themen zu Chancen und Problemen von xy beliebter als detaillierte Sprachbeschreibungen und Erklärungen historischer Zusammenhänge.

EM: Hielten Sie es für angemessen, wenn die EU ein entsprechendes Forschungsprogramm auflegen und möglichst viele Länder von Sibirien bis Portugal zu diesen Forschungen einladen würde?

Mumm: Die European Science Foundation hat im März 2001 ein ehrgeiziges Programm mit dem Titel The Origin of Man, Language and Languages gestartet. Das Programm ist allerdings so groß und so interdisziplinär – außer der historischen Sprachwissenschaft sollen Sprachtypologie, Tierkommunikationsforschung, Archäologie, Hirnforschung, Genetik und Computermodellierung beteiligt sein –, daß man abwarten muß, was wirklich dabei herauskommt. Weitere, weniger globale und vielleicht stärker auf den wirklichen Stand der Sprachwissenschaft bezogene Programme zur Sprachenwelt Eurasiens wären nach wie vor angemessen und gerade heute sehr nützlich.

EM: Warum gerade heute?

Mumm: Der russische Nostratiker Illic(-Svityc), auf den sich auch Dolgopolski bezieht, hat in den 60er Jahren natürlich mit den damaligen indogermanistischen Rekonstrukten gearbeitet. Die Indogermanistik hat in den letzten dreißig Jahren aber ihre Ergebnisse stark verfeinert und revidiert. Einige Nostratiker benützen noch heute die veralteten Rekonstrukte. Damit schlagen sie sich selber k.o. Mit den verbesserten Rekonstrukten kann man außerdem eher entscheiden, wo alte Entlehnung und wo wirkliches Erbe vorliegt.

„Erfordert der Faustkeil Sprache?“

EM: Könnte es sein, daß der Mensch einst auf dem Kontinent Eurasien zu sprechen begonnen hat, daß hier die Sprache erfunden wurde?

Mumm: Wo, wann und wie die Menschen zu sprechen angefangen haben, werden wir wohl nicht mehr erfahren. Wo und wann bleibt im Dunkeln, weil die Menschen selber nicht Buch geführt haben und weil es auch in der sozioökonomischen Entwicklung keinen Punkt gibt, ab dem man zwingend auf das Vorhandensein von Sprache schließen kann (erfordert der Faustkeil Sprache? Die Jagd? Die Gemüsesuppe?). Und auch das Wie bleibt unklar, weil keine einzige gegenwärtig gesprochene oder in der Vergangenheit bezeugte Sprache einen primitiven Sprachcharakter aufweist, den man sich als Zwischenglied zwischen Grunzen und Sprechen vorstellen könnte. Alle Sprachen, die wir kennen, sind voll entwickelt. So ist jede Antwort auf die Frage nach dem – einheitlichen oder vielfältigen? – Ursprung der menschlichen Sprache bloße Spekulation.

EM: Wenn nicht völlig auszuschließen ist, daß die frühen Bewohner Eurasiens einmal mit einer Zunge gesprochen haben, wie ist letztlich das sprachliche Auseinandertriften und die Herausbildung verschiedener Sprachfamilien zu erklären?

Mumm: Immer durch Abbruch der Verkehrsgemeinschaft – bewirkt durch Krieg, Kolonisierung, Verschleppung, durch Flucht nach Naturkatastrophen, durch Verlagerungen nomadischer Bewegungen, oder was man sonst noch unter "Wanderung" zusammenfaßt. Nach wie vor gilt der Lehrsatz, daß, sobald eine Sprechergemeinschaft sich teilt, sich auch ihre Sprache früher oder später auseinanderentwickelt. Das liegt teils daran, daß die Sprache ohnehin immer in zufallsgesteuerter Bewegung ist und sich nach Auflösung der Sprechergemeinschaft die Zufälle nicht mehr decken; teils daran, daß die Sprecher auf Sprecher anderer Sprachen stoßen und ihr Idiom dadurch neu einfärben. Zu den Gründen der Sprachtrennung gehört also auch neuer Sprachkontakt.

EM: Vielen Dank für dieses Gespräch

Eurasien Interview Sprache

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