09.08.2023 13:11:56
DOLLAR
Von Hans Wagner
s geht international längst nicht mehr um eine Strategie zur Rettung des Dollars als Weltwährung. Im Gegenteil: die Überlegungen sind inzwischen weit gediehen, ein neues System zu finden. Erstmals seitdem die späteren Siegermächte des Zweiten Weltkriegs 1944 in Bretton Woods den Dollar als Leitwährung vereinbart haben, steht diese Rolle ernsthaft zur Disposition.
Schon im März wurden die USA von Forderungen nach einer neuen Leitwährung überrascht. Es waren vor allem die Chinesen, die am bisherigen System zweifelten. Der Chef der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, erregte weltweit Aufsehen, als er die Abkehr vom Dollar als Leitwährung forderte und stattdessen vorschlug, die Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer supranationalen Reservewährung auszubauen.
In dieses Horn stieß man nun auch auf dem UN-Finanzgipfel in New York, wo kürzlich 140 Staaten einen Plan zur Bewältigung der Finanzkrise festlegten. Er könnte die erste Stufe zum Sturz des Dollars sein. Als Vorsitzender der internationalen Expertenkommission für die Vereinten Nationen stellte Nobelpreisträger Joseph Stiglitz den Umbau des Finanzsystems in Aussicht. Der US-Ökonom und ehemalige Vizepräsident der Weltbank erklärte ungeschminkt, der Dollar habe sich selbst diskreditiert und müsse als Leitwährung abgelöst werden.
Seine Kommission legte Vorschläge für ein neues Währungssystem auf den Tisch. Darin heißt es: „Es ist klar, dass eine Leitwährung nicht auf einer nationalen Währung basieren solle, denn das führt dazu, dass die Disziplin im Finanzsystem verloren geht - mit desaströsen Folgen“. Die Idee von Stiglitz, die er schon früher propagierte, lautet: „Eine globale Wirtschaft braucht globales Geld.“
Für China und Russland ist der Dollar wegen der Finanzkrise nur noch ein Risikopapier. Ihre Sorge: Washington könnte versuchen, die explodierenden Staatsschulden der USA durch Inflation zu entwerten, also ungebremst Geld zu drucken mit der Folge, dass der Greenback weiter drastisch an Wert verliert. Das wäre derzeit für die beiden größten eurasischen Länder katastrophal. Der Wert der chinesischen und russischen Devisenreserven würde dahin schmelzen wie Butter in der Sonne. China wäre besonders hart betroffen. Denn in Peking lagern mit rund zwei Billionen Dollar die größten Dollar-Reserven der Welt. 1,5 Billionen davon stecken in US-Staatsanleihen.
Dass die Sorgen der Chinesen und Russen nicht aus der Luft gegriffen sind, bestätigen Währungsexperten auf der ganzen Welt. Zum Beispiel Wirtschaftswissenschaftler und Börsenfachmann Dr. Marc Faber, Hongkong. Er prophezeite dem Dollar schon lange den Niedergang. Siehe das viel beachtete EM-Interview vom Februar 2003: „Der Anfang vom Ende des amerikanischen Imperiums“.
Nachdem US-Finanzminister Timothy Geithner kürzlich in Peking von Studenten ausgelacht wurde, als er behauptete, die chinesischen Dollar-Anlagen seien sicher, erklärte Faber in der „Wirtschaftswoche“: „Es ist schon erstaunlich, dass man heute einen US-Finanzminister auslacht. Das wäre vor 30 Jahren nicht passiert. Dass sich alle Länder auf eine neue Währung einigen können, ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Die Welt konnte sich bisher ja nicht mal auf einen einheitlichen elektrischen Stecker einigen. Ich gehe davon aus, dass der Dollar noch einige Zeit Leitwährung bleiben wird – bis es dann zu einem gewaltigen Kollaps kommt.“
Und was kommt dann? Zunächst einmal haben die Schwadroneure jenseits des großen Teichs noch ihren Spaß. Gregory Mankiw, ehemaliger Wirtschaftsberater von George W. Bush, und Kenneth Rogoff, Ex-Chefvolkswirt des IWF, haben – man höre und staune - eine höhere Inflation zur Krisenbewältigung vorgeschlagen. Die Teuerungsrate soll diesen Experten zufolge für mehrere Jahre auf sechs Prozent steigen, um „die Schuldenbombe zu entschärfen“, wie Rogoff es formuliert.
Bei SPIEGEL ONLINE hieß es dazu kürzlich: „Mit demselben Feuereifer, mit dem Bush seinen Krieg gegen den Terror führte - und dafür die Regeln von Völkerrecht und Rechtsstaat brach - führt Obama seinen Feldzug gegen die Finanzkrise. Seine Waffe ist die Gelddruckmaschine. Die Regeln, die er verletzt, sind die der Ökonomie. Niemand wird getötet, aber der Preis, den die Weltmacht USA für diesen Exzess zahlt, ist womöglich die Weltmachtstellung selbst.“ Oberster Wirtschaftsberater des Präsidenten ist laut SPIEGEL ONLINE Larry Summers, „ein Überzeugungstäter“. Über ihn heißt es: „Die Finanzkrise mag groß sein, sein Selbstbewusstsein ist größer. Wichtiger noch: Obama folgt ihm wie der Hund dem Herr.“
Also was kommt? Der Euro als neue Leitwährung? Er ist keine nationale Währung und erfüllt daher die Bedingung, die Stiglitz stellt, dass eine Leitwährung nicht auf einer solchen basieren sollte. Doch der Ablöseprozess ist schmerzhaft. In vielen Ländern der Erde wurde schon am Dollar gezweifelt und doch an ihm festgehalten, weil man die Risiken des großen Schnitts scheut. In Moskau beispielsweise wird mal der Rubel für einen Währungskorb, dann der Euro als neue Leitwährung empfohlen. Dann wieder nicht. Dann kommt der Renminbi Yuan ins Spiel. Die Aussagen sind schwankend wie die Wasserstandsmeldungen der Wolga.
Kürzlich hat der russische Präsident Dmitri Medwedew in den Chor jener eingestimmt, die den Dollar als zentrale Reservewährung anzweifeln. Er kritisierte auf einer Konferenz von Vertretern der sogenannten Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) die Währungsrisiken durch den Dollarverfall.
Vorerst letzte Position von Russlands Vizepremier und Finanzminister Alexej Kudrin: „Der US-Dollar bleibt mindestens die nächsten zehn Jahre ‚die wichtigste Leitwährung’ der Welt“, was immer das heißen mag. Danach komme der Euro, „der natürlich weit hinter dem Dollar“ liege. „Danach folgen der Yen und das Pfund. Es ist nicht leicht, diese Struktur zu ändern.“ Und das sagt Kudrin angesichts der Tatsache, dass der Dollar in wenigen Jahren über 40 Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro eingebüßt hat. Aus seinen Worten spricht, so scheint es, eine gewisse Ratlosigkeit. Das erinnert ein wenig daran, dass auch mit dem Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems keiner der für die Währungen zuständigen Minister gerechnet hatte, wo auch immer er seinen Posten bekleidete. Nicht einmal die Notenbanken, die es vor allem hätten wissen müssen, sahen den sintflutartigen, brutal schnellen und dramatischen Niedergang kommen.
Auch die Russen sitzen in der Dollarfalle. Moskau hat derzeit Dollar-Devisenreserven von rund 400 Milliarden. (China sitzt bekanntlich auf mehr als 2000 Milliarden Dollar). Diese gigantischen Summen verlieren rasant an Wert. Russland und China müssen zusehen, wie ihr Vermögen dahin schmilzt. Die Angst geht um bei den Notenbanken, die sich in Dollars einst so sicher wähnten.
Angesichts des Besuchs von Kanzlerin Merkel bei US-Präsident Obama gab es einen Kommentar in der Frankfurter Rundschau online von Gabor Steingart. Titel: „Der Irrweg des Schuldenpräsidenten.“ Darin hieß es: „Barack Obama will die Wirtschaft stimulieren und beschleunigt so Amerikas Abstieg. Die benötigten Milliarden werden nicht geliehen, sondern gedruckt. Kanzlerin Merkel sollte bei ihrem Washington-Besuch das tun, was Vorgänger Schröder im Irak-Krieg getan hat: Nein zum Irrweg der US-Regierung sagen.
Der Präsident hat gewechselt, das Exzessive in der amerikanischen Politik ist geblieben. Barack Obama und George W. Bush sind sich ähnlicher als es auf den ersten Blick scheinen mag.“
Aber wo ist die Alternative zum Dollar? Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter hat in einer Analyse kühl und sachlich dargelegt (Quelle: Deutsche Bank Research):
„Die Etablierung einer Reservewährung erfordert umfangreiche technische Voraussetzungen sowie letztlich internationales Vertrauen. Jede Reservewährung muss Liquidität im globalen Maßstab gewährleisten und niedrige Transaktionskosten ermöglichen, um Transparenz und Berechenbarkeit zu sichern. Sie muss als verlässliche Recheneinheit, effizientes Transaktionsmittel im Zahlungsverkehr und stabiles Wertaufbewahrungsmittel einsetzbar sein. Für kaum eine ökonomische Funktion spielt das Argument ‚Akzeptanz der Vielen’ eine so große Rolle wie bei der Wahl der Reservewährung.“
Dafür, dass eine asiatische Währung zunehmende Bedeutung als Reservewährung erhalten werde, sei „die Zeit noch nicht reif“. Walter: „Der Yuan (Renminbi) ist noch keine konvertible Währung am Kapitalmarkt und deshalb nicht für die internationale Verwendung geeignet.“
Aber die künftige Reservewährung kommt dem Chefvolkswirt Walter zufolge in jedem Fall aus Eurasien. Nachdem der Renminbi dafür noch nicht die erforderliche Statur hat, kommt der hochrangige Experte der Deutschen Bank zu dem Ergebnis: „Vorerst ist der Euro die einzige geeignete Alternative zum USD unter Berücksichtigung aller erwähnten Voraussetzungen für eine Reservewährung.“
Das ist deutlich: „Im Sinne einer gewünschten Währungsdiversifizierung wäre deshalb eine Umschichtung vom USD in den Euro die richtige Strategie“, erklärt Norbert Walter.
Er gibt allerdings zu bedenken: „Obwohl diese Konsequenz logisch scheint, sollte nicht übersehen werden, dass die Wechselkursauswirkungen auf den Euro größere neue Probleme für Europa schaffen. Eine weitere Aufwertung des bereits überbewerteten Euro, während Europa von einer starken Rezession getroffen wird, würde in Berlin und Paris sicherlich nicht mit Enthusiasmus aufgenommen. Die EZB müsste ihre Zinsen noch weiter senken.“
Wie auch immer. Die Gedanken und Überlegungen der Finanzexperten in Eurasien und darüber hinaus laufen auf einen Punkt zu: Der Dollar muss weg. Er hat als Leitwährung ausgespielt. Aber ihn loszuwerden wird schwer genug.
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Dazu: EM 11-07 „Weltwirtschaft im Dollarsumpf“ mit vielen weiteren Verweisen
Dazu: EM 11-08 „Die Weltmacht stürzt“
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