Ehemaliger Bahnhofspolizist soll Tschetschenien regierenKAUKASUS

Ehemaliger Bahnhofspolizist soll Tschetschenien regieren

Die tschetschenischen Präsidentschaftswahlen sind bereits anberaumt, während man in Grosny noch die Trummer wegräumt, die der tödliche Anschlag auf Achmed Kadyrow hinterließ.

Von Ulrich Heyden

EM – Anfang der Woche empfing Wladimir Putin im Kreml den tschetschenischen Innenminister Alu Alchanow. Beobachter deuteten dieses Ereignis, über das im russischen Fernsehen ausführlich berichtet wurde, übereinstimmend als Zeichen dafür, daß Putin den 47jährigen General-Major der Polizei zum neuen Präsidenten in Tschetschenien machen will. Sein Amtsvorgänger Achmed Kadyrow war am 9. Mai, der in Rußland als „Tag des Sieges“ begangen wird, durch eine Bombe getötet worden. Ende August sollen in Tschetschenien deshalb vorgezogene Präsidentschaftswahlen stattfinden. (Vgl. EM 05/04 „Die Tschetschenien-Politik des Kremls ist gescheitert.“ und „In Tschetschenien droht ein Bürgerkrieg“)

Die Netzseite „chechenpress.com“, des von russischen Truppen vertriebenen tschetschenischen Präsidenten, Aslan Maschadow, warnte unterdessen, das Präsidentenamt sei „tödlich“, Alchanow ein „Opferlamm“ und „eine Geisel der Kreml-Politik“. Das Attentat auf den tschetschenischen Präsidenten hatte Alchanow wie durch ein Wunder überlebt. Er stand nur einen Meter neben Kadyrow, als die Bombe explodierte.

Der Führer des radikalen Separatistenflügels in Tschetschenien, Schamil Basajew, übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Auf einer Versammlung von tschetschenischen Kämpfern soll Basajew die „Genauigkeit“ und „filigrane Ausführung“ des Attentats gelobt haben. Das berichtete die Netzseite „Kavkazcenter.com“. Basajew, dem 1999 nach der Überquerung eines russischen Minenfeldes ein Bein amputiert werden mußte, kündigte weitere „überraschende“, „schmerzhafte Schläge“ gegen das „Putin-Regime“ an.

Putin setzt weiter auf den Kadyrow-Clan

Alu Alchanow wurde 1957 in Kasachstan geboren. Dort lebte seine Familie in der von Stalin angeordneten Verbannung. 1995, nach der Eroberung von Grosny durch russische Truppen, wurde Alchanow stellvertretender Leiter der Eisenbahnpolizei. Doch schon ein Jahr später war er gezwungen seinen Posten wieder zu räumen. Acht Stunden verteidigte er mit einer Polizeieinheit den Bahnhof von Grosny gegen anrückende Separatisten, mußte aber schließlich abziehen. 1997 bis 2000 lebte Alchanow außerhalb Tschetscheniens.

Nach dem tödlichen Anschlag auf Kadyrow hatte man zunächst vermutet, Ramsan Kadyrow, der Sohn des Getöteten werde vom Kreml als neuer Statthalter in Tschetschenien eingesetzt. Doch das Alter des Präsidentensohnes genügt den Bestimmungen für eine Kandidatur nicht. Ramsan Kadyrow, der die wegen Folter und Entführungen berüchtigte Präsidentengarde leitet, ist erst 27 Jahre alt. Laut der erst 2003 verabschiedeten Verfassung der Tschetschenischen Republik müssen Bewerber um das Präsidentenamt mindestens 30 Jahre alt sein.

Der tschetschenische Innenminister Alchanow gilt als geeigneter Kandidat, weil er zum Kadyrow-Clan gehört. Durch seine Ernennung bleibt damit die dem Kreml gefügige Machtstruktur in der Kaukasusrepublik erhalten. Gegenüber den Separatisten gilt Alchanow als standhaft. Die stundenlange Verteidigung des Bahnhofs in Grosny vor acht Jahren spielt hierbei sicherlich eine wichtige Rolle. Als Präsident Kadyrow, Tschetschenen, die noch vor kurzem in den Bergen gekämpft hatten, in die Präsidentengarde aufnahm, geschah dies mit widerwilliger Duldung des Innenministers. Die Popularität von Alchanow, den Putin im April letzten Jahres auf Vorschlag von Kadyrow zum Innenminister der Kaukasusrepublik ernannt hatte, ist jedoch äußerst gering. Laut einer von der „Nesawisimaja Gaseta“ veröffentlichten Umfrage wird Alchanow nur von drei Prozent der tschetschenischen Bevölkerung unterstützt.

Der Wiederaufbau Grosnys stockt

Unter den insgesamt elf Kandidaten ist der Moskauer Unternehmer Malik Saidulajew der einzige ernsthafte Herausforderer von Alchanow. Der Moskauer „Lotto-König“ Saidulajew kandidierte schon bei der letzten tschetschenischen Präsidentschaftswahl im Oktober vergangenen Jahres. Er lag in den Meinungsumfragen vor Kadyrow. Kurz vor der Wahl wurde Saidulajew unter fadenscheinigen Gründen von der Kandidatenliste gestrichen. Angeblich waren einige Unterschriftenlisten nicht korrekt ausgefüllt worden.

Zynisch ist die Kandidatur von Marat Sajnalabow, Kandidat von Schirinowskis ultranationalistischen Liberaldemokraten. Schirinowski war immer gegen den Wiederaufbau der Trümmerstadt Grosny. Den Liberaldemokraten, so Sajnalabow, komme es nicht auf einen Sieg an. Man wolle die Wahl für den Aufbau einer Parteiorganisation in der Kaukasusrepublik nutzen. Schirinowskis Empfehlung, Grosny nicht wieder aufzubauen, erfüllt sich unterdessen auf andere Weise. Der Aufbau der verwüsteten Stadt kommt nicht voran, weil sich korrupte russische und tschetschenische Beamte an den Instandsetzungsgeldern bereichern. Von 42.000 Tschetschenen, die einen Antrag auf Entschädigung für zerstörten Wohnraum stellten, bekamen erst 1.880 Geld ausgezahlt. Ende Mai besuchte der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, German Gref, die tschetschenische Hauptstadt. Als er einige der neuen Wohnblöcke besichtigen wollte, stellte er fest, daß die Objekte, für welche die vollen Baukosten bereits ausgezahlt worden waren, entweder nicht existierten oder nur zur Hälfte fertig waren.

Kaukasus Russland

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