09.08.2023 13:11:56
GRAND PRIX D'EUROVISION DE LA CHANSON
Von Hartmut Wagner
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Sertab Erener, die türkische Siegerin des Grand Prix 2003 |
EM – Der seit 1956 ausgetragene Grand Prix d'Eurovision de la Chanson ist konzipiert als ein europäischer Sängerwettstreit: Die Länder Europas wählen einen Künstler aus, der sie am Abend des Wettbewerbs vertreten soll. Veranstaltet wird der Grand Prix von der Union Europäischer Rundfunkanstalten (UER), dem weltweit größten Zusammenschluß dieser Art. In den UER-Richtlinien für den Sängerwettstreit wird es den Interpreten ausdrücklich freigestellt, in welcher Sprache sie singen.
Was zunächst als Ausdruck freiheitlicher Überzeugung begrüßenswert erscheint, stellt sich bei genauerem Hinhören als große Gefahr für den ursprünglichen Reiz des Grand Prix d'Eurovision heraus. Gedacht war einmal, daß Musiker aus vielen Ländern Europas dem europäischen Publikum Musik und Sprache ihres Heimatlandes präsentieren. Hiervon war der 48. Grand Prix am 24. Mai in Riga weit entfernt.
Everyway That I Can, Open Your Heart, We've Got The World, To Dream Again, Feeling Alive, Let's Get Happy, One More Night, Never Let You Go, I'm Not Afraid To Move On, Hello From Mars, Eighties Coming Back, Na Na Na, Hasta La Vista, Don't Break My Heart, Give Me Your Love – Das sind nicht etwa die Songs der neuesten englischen Charts, sondern die Titel von 15 der insgesamt 26 Teilnehmerstaaten des Grand Prix 2003. 15 Künstler sangen nicht in ihrer Landessprache, sondern traten mit einem englischsprachigen Stück auf. Eine solche Veranstaltung trägt die Bezeichnung europäischer Sängerwettstreit zu unrecht.
Einzig Frankreich, Großbritannien, Österreich, Rußland und Spanien schickten Lieder in ihrer eigenen Sprache ins Rennen. Polen überraschte mit einem polnisch-deutschen Stück, die belgische Gruppe Urban Trad komponierte ihren Wettbewerbsbeitrag „Sanomi“ in einer selbst erfundenen namenlosen Sprache. Die übrigen Länder entschieden sich für eine Mischung aus der eigenen und der englischen Sprache.
Worin besteht das Besondere des Grand Prix, wenn nicht in den verschiedenen Sprachen seiner Mitwirkenden? Na, in der Musik, werden viele sagen. Musik und Sprache läßt sich aber nicht trennen. Eine italienische Schmuseballade erhält ihre emotionale Tiefe gerade durch die italienische Sprache. Das Einzigartige an russischer Rockmusik sind nicht Rhythmus oder Melodie. Der russische Gesang ist es, der sie von anderer Musik unterscheidet. Ebenso verhält es sich bei Kompositionen aller anderen Länder. Die Sprache ist wesentlicher Bestandteil moderner Pop-Musik.
Der Grand Prix wäre eine Möglichkeit, die Menschen in Europa einander näherzubringen. Eine Möglichkeit zu zeigen, daß Europa nicht nur ein wirtschaftlich-politisches Projekt ist, sondern ein Zusammenschluß unterschiedlicher Völker, Sprachen und Kulturen. Der Grand Prix von Riga hat neuerlich offenbart, wie sehr sich Englisch als internationale Gesangssprache etabliert hat. Doch könnte gerade in diesem Rahmen die sprachliche Vielfalt in der Musikszene gefördert werden, den rein geldwirtschaftlichen Erwägungen zum Trotz. Sicherlich wäre die UER imstande durchzusetzen, daß jeder Musiker in der Sprache seines Landes singen muß. Aber finanzielles Kalkül hat wohl auch hier Vorrang vor kultureller Förderung.
Den diesjährigen Grand Prix d'Eurovision gewann die türkische Pop-Sängerin Sertab Erener. Gemäß Reglement findet der nächste europäische Sängerwettstreit deshalb in der Türkei statt. Das Siegerlied von Erener hieß übrigens „Everyway That I Can“. Die Türkei nahm zum 25. Mal am Grand Prix teil. Erstmals wurde ihr Wettbewerbsbeitrag nicht in türkischer, sondern in englischer Sprache gesungen. Und erstmals schaffte es die Türkei, den Grand Prix zu gewinnen. Das kann sicher nicht als rosiges Vorzeichen für die Vielsprachigkeit zukünftiger Sängerwettstreite gewertet werden.
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