13.01.2023 14:10:35
POLEN
Von Johann von Arnsberg
EM – Im Nordosten Polens liegt ein lange vergessenes Sumpfgebiet, das neuerdings von einer steigenden Zahl westeuropäischer Urlauber besucht wird. In den geradezu exotisch anmutenden Flußauen an dem windungsreichen Gewässer der Biebrza hausen Biber, treiben sich Wolfrudel herum, röhren zur Brunftzeit die Hirsche in großer Zahl. Rund 500 Elche und 270 Vogelarten sollen in dem rund 60 000 Hektar großen Feuchtgebiet heimisch sein, einem der schmetterlings- und vogelreichsten Gebiete Eurasiens. Hier finden sich so seltene Exemplare wie der Schelladler, die Doppelschnepfe und die Weißflügel-Seeschwalbe. Allenthalben waten Störche durch die nassen Wiesen.In dem Gebiet südlich von Masuren, an der Grenze zu Weißrußland (Belarus), befinden sich Naturräume von unvorstellbarer Vielfalt: die Urwälder von Bialowieza und Knyszin und die riesigen Biebrza-Sümpfe. Das einmalige Auen- und Sumpfgebiet bedeckt eine Fläche von insgesamt 1.270 qkm und wird von den natürlich mäandrierenden Flüssen Biebrza und Narew durchzogen.
1989, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems, wurde das Biebrza-Gebiet zum Nationalpark erklärt. Die Umweltorganisation World Wild Fund (WWF) machte den Nationalpark zu einem Vorzeigeprojekt.
Lange wußten die Bauern der Gegend, die noch in traditioneller Manier viele Flußwiesen von Hand mähen, mit dem Naturschutz nichts anzufangen. Doch jetzt wittern viele, aufgeweckt durch rührige Kommunalpolitiker, lukrative Geschäfte. Am Rande der geschützten Flächen eröffnen immer mehr Pensionen. Die Parkverwaltung legt Rad- und Wanderwege an, damit die Ökotouristen möglichst dicht an die Sehenswürdigkeiten des Naturreservates herankommen.
Die Sümpfe an der Biebrza sind indes nicht nur das größte Sumpfgebiet Europas, sondern auch eine geschichtsträchtige Region. Sie bildete lange die Grenze zwischen Rußland und Preußen. Jahrhunderte lagen die Sumpfgebiete in einer Art Dornröschenschlaf. Die Zarenfestung Osowiecz am Biebrzaufer war während der beiden Weltkriege hart umkämpft. Polnische Partisanen zogen sich in die Biebrzasümpfe zurück. Doch dann geriet der Landstrich wieder in Vergessenheit.
Jetzt kommen jährlich schon über 30 000 Besucher, vor allem aus England, Deutschland und Holland. Die Bauern verkaufen Milch von Kühen, die im Naturpark weiden. Andere bieten verrostete deutsche und russische Stahlhelme, Bajonette und Gewehre als Souvenirs an.
Nach dem EU-Beitritt Polens will Brüssel nun eine Autostraße fördern, die sich als Teil der „Via Baltica“ von Warschau über Bialystok ins Baltikum erstrecken soll. Ihre Route führt nach den bisherigen Plänen mitten durch den Biebrza-Naturpark. Die Menschen der Region freuen sich bereits auf die Anbindung an das europäische Straßennetz. Wölfe und Elche werden selbstredend nicht gefragt. Zum erstenmal seit Jahrhunderten wird ihr Lebensraum seinem Dornröschenschlaf entrissen.
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