Eurasien-Ticker

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Zu viele Wissenschaftler verlassen die EU · „Rußland im Aufwind“ · 70 getötete Journalisten im Jahr 2002 · Hochtechnologie-Standort Europa · Abstimmung auf Malta über EU-Beitritt · Westliche Logistikunternehmen kämpfen um den schnell wachsenden chinesischen Markt · Der russische Rubel soll ab 2005 auch in Weißrußland gelten · In Ungarn bildet das US-Militär Exil-Iraker für den Einsatz in ihrer Heimat aus · Endlich Frieden in Sri Lanka? · Argentinische Einwanderer zieht es in die alte Heimat zurück

Von EM Redaktion

Eu-Kommissionspräsident Prodi warnt: Zu viele Wissenschaftler verlassen die EU

EM – Der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, zeigt sich alarmiert über die anhaltende Abwanderung von Wissenschaftlern aus der EU. Die großen europäischen Unternehmen betrieben heute mehr als 40 Prozent ihrer Forschungstätigkeit außerhalb der Union, sagte er Mitte Januar vor dem Europaparlament in Straßburg. Damit würden auch viele junge Forscher aus dem EU-Raum abgezogen. Eine große Zahl davon bekäme schließlich lukrative Angebote aus den USA. Jedes Jahr ginge Europa dadurch ein riesiges Potential an Geist und Innovationskraft verloren. Diese Entwicklung sei ein "Alarmsignal", auf das die EU-Staaten reagieren müßten.

Ohne Investitionen in die Forschung habe Europa keine Zukunft, warnte Prodi. Der Kontinent brauche hervorragende Fachzentren, um für Wissenschaftler wieder interessant zu werden. Nur so könne Europa eine weltweite Spitzenstellung in Forschung und Wissenschaft einnehmen.
An die EU-Staaten appellierte der Italiener, selbst in Zeiten knapper Haushaltsmittel in Bildung, in Wissen und Innovation zu investieren. Auf diesem Gebiet zu sparen, wäre „genau der falsche Weg“, mahnte er. Ziel müsse es sein, rund drei Prozent des Bruttosozialprodukts in Bildung in Forschung zu stecken. Derzeit liege Europa dabei weit hinter den USA und Japan zurück.

„Rußland im Aufwind“

EM – So lautet der Titel des im Dezember 2002 vom Verband der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation (VDW) veröffentlichten Jahresberichts. Er stellt der russischen Wirtschaftspolitik im letzten Jahr ein rundum positives Zeugnis aus: das Bruttoinlandsprodukt sei im Jahr 2002 um vier Prozent gewachsen, die russische Zentralbank habe es geschafft den Rubel stabil zu halten, von der Duma seien wichtige Reformgesetze verabschiedet worden und für die Königsberger Frage im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung konnte „ein für beide Seiten tolerierbarer Kompromiß“ gefunden werden. Deutschland ist seit 1972 wichtigster Außenhandelspartner Rußlands.

Der Verband der Deutschen Wirtschaft in der Russischen Föderation wurde im März 1995 gegründet. Inzwischen vertritt er über 360 deutsche Unternehmen, die in Rußland tätig sind. Der VDW mit Sitz in Moskau finanziert sich allein durch Mitgliederbeiträge. Als seine Hauptaufgabe betrachtet es der Verband kleinen und mittleren Unternehmen, mittels Informationsbeschaffung und Lobbyarbeit beim Eintritt in den russischen Markt zu unterstützen.
Im Wortlaut: VDW-Jahresbericht

Internationale Journalisten-Föderation meldet 70 getötete Journalisten im Jahr 2002

EM – Weltweit sind im Jahr 2002 siebzig Mitarbeiter von Druck-, Funk- und Fernsehmedien umgebracht worden. Dies dokumentiert ein am 18. Dezember letzten Jahres veröffentlichter Bericht der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF). Die Föderation mit Hauptsitz in Brüssel ist die größte Organisation ihrer Art. Nach eigenen Angaben verfügt sie über rund 500.000 Mitglieder aus mehr als 100 Ländern.

Dem 31 Seiten umfassenden Bericht zufolge sind in Kolumbien zehn Journalisten bei Ausübung ihres Berufes getötet worden. Auf Platz zwei und drei dieser traurigen Rangliste stehen Rußland mit neun und Pakistan mit sechs ermordeten Reportern.

Allerdings muß die Aussagekraft des IJF-Berichts aufgrund handwerklicher Unzulänglichkeiten angezweifelt werden. Die aufgeführten Fälle beziehen sich nämlich sowohl auf Todesopfer von Auftragsmorden, als auch auf Journalisten, die bei Verkehrsunfällen verunglückten. Zweifelsohne liegt es in der Absicht der Verfasser, auf Staaten mit medienfeindlichen Regimen aufmerksam zu machen. Ob Verkehrsunfälle hierfür als adäquates Beweismaterial dienen können, ist jedoch mehr als fraglich. Ähnlich verhält es sich mit dem Fall der ermordeten Beata Pawlack von der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Sie war im Oktober 2002 unter den 192 Opfern des Bombenanschlages auf der indonesischen Ferieninsel Bali. Von einer gezielten Gewaltanwendung gegen eine Journalistin, wie dies der IJF-Bericht suggeriert, kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.
Im Wortlaut: IJF-Bericht

Hochtechnologie-Standort Europa – neue Statistik

EM – Jeder dritte Erwerbstätige in der EU arbeitet an einem „wissensintensiven Arbeitsplatz“. Dies geht aus einer neuen Statistik der europäischen Datenbank „Eurostat“ hervor. Im Kernbereich der Hochtechnologie sind knapp acht Prozent aller Erwerbstätigen in der Europäischen Union beschäftigt.

Mit einem Anteil der Erwerbstätigen in der Hochtechnologie von 11,2 Prozent verzeichnete Deutschland laut dieser Statistik wie schon in den Jahren zuvor die EU-weit höchste Spezialisierung in diesem Bereich. Auf Platz zwei folgt Schweden mit 7,9 Prozent. Am unteren Ende der Skala rangiert Luxemburg mit 1,2 Prozent.
Mehr: http://europa.eu.int/comm/eurostat

Abstimmung auf Malta über EU-Beitritt

EM – Parteien und Bevölkerung auf der Mittelmeerinsel Malta sind in der Frage eines möglichen Beitritts zur Europäischen Union noch gespalten. Die Beitrittsverhandlungen wurden zwar im Dezember 2002 beim Europäischen Gipfel in Kopenhagen abgeschlossen. Malta würde demnach mit den anderen neun Beitrittskandidaten im Jahr 2004 in die EU aufgenommen werden. Die endgültige Entscheidung darüber soll nun aber die maltesische Bevölkerung treffen. Sie selbst, und nicht die Politiker, soll über ihre Zukunft befinden. In einer Volksabstimmung Anfang März sind die Einwohner der Insel nun aufgerufen, ihr Votum für oder gegen Europa abzugeben.

Westliche Logistikunternehmen kämpfen um den schnell wachsenden chinesischen Markt

EM – Chinas größter Logistikkonzern, die staatliche Sinotrans, sucht leistungsstarke Partner für den rasch wachsenden Markt des Transportgeschäfts in der Volksrepublik. Die chinesische Führung habe bereits signalisiert, noch im Frühjahr dieses Jahres 38,5 Prozent von Sinotrans an ausländische Unternehmen zu verkaufen, meldete Mitte Januar die „Financial Times Deutschland“.

Interesse an einem Einstieg bei Sinotrans hätten die Deutsche Post, der niederländische Expreßdienst TNT sowie der US-Paketzusteller UPS angemeldet. Den Deutschen werden dem Bericht zufolge die besten Chancen eingeräumt, den Zuschlag für das begehrte Joint-Venture zu bekommen.

Die Ausgangsposition der Deutschen wird deshalb so günstig beurteilt, weil die Tochterfirma DHL der Post bereits seit 1986 ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer Sinotranstochter betreibt. Außerdem verhandelt die Post mit den chinesischen Behörden auch seit längerem über den Auftrag, offizieller Logistikpartner bei der Olympiade 2008 in China zu werden. Die Post plant, langfristig Milliarden Euro in das chinesische Transportnetz zu investieren. (Eurasien-Ticker EM 02/02).

Die Investitionsmöglichkeiten ausländischer Logistikkonzerne waren bisher stark eingeschränkt. Sie durften nur einen Minderheitenanteil von höchstens 49 Prozent an einem chinesischen Partnerunternehmen erwerben, so daß die Kontrolle stets in dessen Händen blieb.

Seit Anfang Januar 2003 hat es hier eine gravierende Veränderung gegeben. Das chinesische Außenhandelsministerium MOFTEC erhöhte die Obergrenze für Beteiligungen auf 75 Prozent, so daß ausländische Investoren künftig auch die Kontrollmehrheit erwerben können. Damit erfüllt Peking seine Verpflichtung gegenüber der Welthandelsorganisation WTO zur Liberalisierung seines Logistikmarktes.

Das starke ausländische Interesse am Logistikmarkt der Volksrepublik hat seinen Grund in den enormen Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft. Das Außenhandelsvolumen beispielsweise nahm im vergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent auf über 620 Milliarden Euro zu. Dadurch stieg auch die Nachfrage nach Transportdienstleistungen entsprechend. Das US-Unternehmen UPS konnte dadurch z.B. seinen Umsatz nach eigenen Angaben seit April 2001 mehr als verdoppeln.

Der russische Rubel soll ab 2005 auch in Weißrußland gelten

EM – Vom 1. Januar 2005 an soll die russische Währung auch in Weißrußland gelten. Das haben die Präsidenten beider Länder, Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko am 20. Januar bei einem Treffen in Minsk bekanntgegeben.

Beide Präsidenten gaben außerdem bekannt, ein Gemeinschaftsunternehmen beider Länder gründen zu wollen, das den Transport von Erdgas und Erdöl nach Westeuropa übernimmt. Bereits in diesem Sommer soll es seine Tätigkeit aufnehmen.

In Ungarn bildet das US-Militär Exil-Iraker für den Einsatz in ihrer Heimat aus

EM – Auf dem ungarischen Luftwaffenstützpunkt Taszár, 200 Kilometer südlich von Budapest, sollen rund 3 000 Exil-Iraker für den Krieg gegen Saddam Hussein ausgebildet werden. Wie die FAZ-Korrespondentin Carola Kamps am 22. Januar 2003 unter dem Titel „Mysteriöse Vorgänge hinter Stacheldraht“ berichtete, stehen dafür 1 500 Ausbilder der US-Streitkräfte bereit. Mitte Januar 2003 seien bereits die ersten 150 Iraker in Taszár eingetroffen. Jeweils 90 Tage sollen die irakischen Regimegegner hinter den hohen Stacheldrahtzäunen des Stützpunktes ausgebildet werden. Zur Zeit würden beheizbare Zelte errichtet und Baracken hochgezogen.

Über die mögliche Verwendung der Iraker in einem Krieg gegen ihr Land, schreibt Carola Kaps: „Wo und wann sie zum Einsatz kommen werden ist ebenso unbekannt wie die Art ihrer Bewaffnung.“

Nachdem in der Bevölkerung von Taszár Unruhe aufgekommen war und die Angst vor Anschlägen umgeht, haben die amerikanischen Militärs Journalisten zu einem Informationsgespräch eingeladen. Dabei wurde versichert, die Exil-Iraker würden nicht für eine militärische Invasion ausgebildet, sondern als Vermittler zwischen der irakischen Gesellschaft und den US-Truppen. Laut FAZ-Bericht konnte dieses Gespräch die Zweifel in der Bevölkerung jedoch nicht ausräumen.

Endlich Frieden in Sri Lanka?

EM – Die Regierung von Sri Lanka und die tamilische Befreiungsorganisation „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) haben sich offenbar auf ein Ende des seit zwanzig Jahren währenden Krieges im Norden Sri Lankas geeinigt. Das meldet die tageszeitung in ihrer Ausgabe vom 07. Januar 2003. Die Regierung in Colombo sei nun bereit, die eigene Kultur der Tamilen zu respektieren. Die „Befreiungstiger“ würden im Gegenzug auf die Forderung nach Unabhängigkeit vom Staat Sri Lanka verzichten.

Seit 1983 hatte die LTTE dafür gekämpft, im Norden und Osten des Landes einen eigenen Staat zu errichten, der den Namen „Tamil Eelam“ tragen sollte. Etwa 18 Prozent der knapp 19 Millionen Einwohner des südostasiatischen Inselstaates, des früheren Ceylons, sind Tamilen, die weitgehend dem Hinduismus anhängen. Sie fühlen sich von der buddhistischen Mehrheit des Landes, den Singhalesen. unterdrückt.

Nach einem Attentat der LTTE im Juli 1983 kam es zum Bürgerkrieg in Sri Lanka, dem seither rund 70.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, darunter rund 20.000 Soldaten. Zeitweilig waren über eine Million Menschen auf der Flucht. Nun sollen die Kämpfe in dem einstigen Urlaubsparadies im Indischen Ozean ein Ende haben.

Der ausgehandelte Kompromiß sieht laut taz die Erhaltung der Einheit des Staates Sri Lanka in einer Föderation vor. Die LTTE soll im Norden die Verwaltung übernehmen. Vorbild für das neue Staatswesen sei die Schweiz.

Heimkehr nach Eurasien: Argentinische Einwanderer zieht es in die alte Heimat zurück

EM – Seit die Osterweiterung der EU beschlossen ist, werden osteuropäische Botschaften in Buenos Aires von den Nachfahren früherer Einwanderer mit Paßgesuchen für die alte Heimat bombardiert. Der Einwanderernation Argentinien laufen die Enkel der einst voll Hoffnung aus allen Teilen Eurasiens ins Land gekommenen Menschen buchstäblich davon.

Die argentinische Zeitung „La Nación“ schätzt die Zahl der in Argentinien lebenden Nachfahren von Einwanderern aus den EU-Beitrittsländern auf bis zu einer halben Million. Viele kamen auch aus Rußland, China und Indien. Die Osteuropäer sind jedoch derzeit die am stärksten zurückdrängenden Einwandererenkel. Etwa 300 000 kommen beispielsweise allein aus Polen und immer mehr von ihnen beantragen jetzt zusätzlich zu ihrem argentinischen einen polnischen Paß. „Sobald die ihre Papiere haben, hauen sie ab“, sagt ein Sprecher der polnischen Botschaft in Buenos Aires.

Ähnliche Erfahrungen haben in letzter Zeit auch die Vertretungen der Tschechischen Republik, Litauens und anderer osteuropäischer Länder gemacht. Die Botschaften sind schon dazu übergegangen, die Ausgabe von Pässen erst nach ausgiebigen Gesprächen zu ermöglichen. Dadurch verzögert sich der Termin für viele, und der momentane Ansturm wird etwas gebremst.

Viele der zurück nach Eurasien drängenden Nachkommen wollen nicht unbedingt im Land ihrer Vorfahren Fuß fassen. Manche spielen mit dem Gedanken, weiter nach Spanien, Italien oder Deutschland zu ziehen. Die Freizügigkeit in der EU eröffnet ihnen viele Möglichkeiten. Auch eine Übersiedlung nach den USA wird von manchen erwogen.

Als Gründe für den Exodus aus Argentinien geben fast alle die schwere Wirtschaftskrise im Land an. Für über 60 Prozent der 30- bis 45jährigen sei dies der Grund für ihren Drang nach Übersee, haben die Paßbehörden in den Botschaften festgestellt.

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