Eurasien Ticker

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DIkea-Möbel sind der große Renner bei iranischen Jugendlichen · In Südamerika findet die Europäische Union Nachahmer · Neun Jahre Arbeitslager für angebliche Terroristin · Die EU sucht händeringend nach Dolmetschern und Übersetzern · Warum Europa die neue Supermacht ist · Neues Internetportal zur Ratifizierung der EU-Verfassung

Von EM Redaktion

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Ikea-Möbel sind der große Renner bei iranischen Jugendlichen

EM - Im Jam-e-Jam Einkaufszentrum in der Teheraner Vali-Asr-Straße gibt es neuerdings einen improvisierten Ikea-Laden. Er wird vor allem von jungen Iranern frequentiert, die hier Möbel und Küchengeräte des schwedischen Möbelkonzerns kaufen. Offiziell ist Ikea noch nicht im Iran vertreten. Bislang sind dem „unmöglichen Möbelhaus“, wie es sich selbst nennt, die geforderten Zölle zu hoch.

Der Teheraner Ikea-Markt hat keine Lizenz. Ein Geschäftsmann importiert auf eigene Faust Sofas, Lampen und Regale aus Deutschland und Dubai. Die Ikea-Schilder, die seinen Laden zu einer Attraktion in der iranischen Hauptstadt machen, fertigt er selbst an. Seine jungen Kunden sind bereit, für die Massenprodukte von Ikea tief in die Tasche zu greifen. Studenten und junge Aufsteiger stehen auf europäisches Design. „Es genießt hier Kultstatus“, sagt der Inhaber des Möbel-Ladens.

Die Begeisterung beschränkt sich indes nicht auf Ikea. Junge Iraner sind begierig nach Produkten aus dem westlichen Ausland. Sie gelten als Inbegriff von Qualität, Luxus und Modernität. Trotz des Atomkonflikts haben beispielsweise deutsche Exporte zwischen Januar und September 2004 im Vergleich zum Vorjahr um zweieinhalb Milliarden Euro. zugelegt. Das ist eine Steigerung um 30 Prozent. Der Iran ist damit zum wichtigsten Handelspartner der deutschen Wirtschaft in der Golf-Region geworden.

Jetzt kommen auch die europäischen Autobauer. Renault wird seinen „Logan“ künftig vor Ort montieren. VW hat schon Verträge unterschrieben, um den Golf ab der zweiten Jahreshälfte 2005 im Iran herstellen zu lassen. Und DaimlerChrysler will künftig sogar die E-Klasse in einem eigenen iranischen Werk vom Band laufen lassen.

In Südamerika findet die Europäische Union Nachahmer

EM - In der alten Inka-Hauptstadt Cusco im peruanischen Hochland vereinbarten im Dezember zwölf Staaten Südamerikas die Gründung einer südamerikanischen Gemeinschaft der Nationen (Comunidad Sudamericana de Naciones, CSN). Diese Wirtschaftsgemeinschaft wird rund 360 Millionen Einwohner haben. Damit rangiert die CSN weltweit an dritter Stelle hinter der Europäischen Union (EU) und der aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko gebildeten nordamerikanischen Freihandelszone Nafta.

Gastgeber Alejandro Toledo, der erste peruanische Staatschef indianischer Abstammung, sprach davon, daß Südamerika nun „endlich ein neues Land mit 360 Millionen Einwohnern“ geworden sei, das „eines Tages auch eine gemeinsame Währung haben wird, einen gemeinsamen Paß und ein gemeinsames Parlament.“

Neun Jahre Arbeitslager für angebliche Terroristin

EM – Eine 21jährige Tschetschenin wurde vom Moskauer Stadtgericht zu neun Jahren Arbeitslager verurteilt. Ihr wird vorgeworfen einen Anschlag auf ein Einkaufszentrum in der Moskauer Innenstadt geplant zu haben. Außerdem soll sie versucht haben, zwei russische Mädchen für Terrorakte anzuwerben (Vgl.: EM 12-04).

Die Verurteilte, Sara Murtasalijewa, mußte den Prozeß aus einer kugelsicheren Glasbox verfolgen. Schon zu Beginn des Prozesses hatten liberale Blätter in der russischen Hauptstadt starke Zweifel an der offiziellen Untersuchung geäußert. Nach Meinung der Zeitung „Russkij Kurier“ und des Polit-Magazins „Kommersant Wlast“ wurde die Anklage von Kriminalpolizei und Geheimdienst „konstruiert“. Die Verteidigung der Tschetschenin erklärte, mit dem Urteil wolle die Macht nur zeigen, daß man gegen den Terrorismus kämpfe. Der Prozeß gegen die Tschetschenin endete in der für russische Verhältnisse Rekordzeit von nur vier Wochen.

Russische Menschenrechtler sind alarmiert. Denn es ist nicht das erste Mal, daß „verdächtige“ Tschetschenen auf der Straße aufgegriffen werden. Gefälschte Anklagen gegen Tschetschenen sind zur Alltäglichkeit geworden, meint die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina. Die Mutter von Sara Murtasalijewa will das Urteil vor dem Obersten Gericht Rußlands anfechten.

Die EU sucht händeringend nach Dolmetschern und Übersetzern

EM - Acht Monate nach der Erweiterung der EU um zehn Staaten und neun Amtssprachen sucht die Kommission noch immer nach genügend Dolmetschern. Zum Beispiel sind Übersetzer für Maltesisch absolute Mangelware. Aber auch in den anderen neuen Amtssprachen ist die Situation problematisch. Es gibt viele Beschwerden über die Qualität der Dolmetscher und die langsame Übersetzung. So mußte der Ministerrat volle sieben Monate lang warten, bis der Entwurf für die EU-Richtlinie zu den Softwarepatenten in alle 20 Amtssprachen übersetzt war.

Ministerrat und Parlament können erst über ein Gesetzeswerk entscheiden, wenn es in in allen Sprachen der EU vorliegt. Zunächst wird zwar in der Kommission in den drei Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Französisch verhandelt. Anschließend jedoch muß es vom Übersetzerdienst in alle Sprachen der Mitgliedsländer übertragen werden. An diesem Prinzip, jeden Text in jede Amtssprache zu übersetzen und jedem Europa-Abgeordneten zu erlauben, in seiner Muttersprache zu sprechen, wurde auch nach der Erweiterung vom 1. Mai 2004 nicht gerüttelt.

Für den Beitritt der Türkei ist die EU besser gerüstet. Vor rund zwanzig Jahren wurde bereits damit begonnen, sich sprachlich darauf vorzubereiten. Es gebe sogar einen Überschuß an Dolmetschern für Türkisch, sagt Ian Andersen, Abteilungsleiter beim „Gemeinsamen Dolmetscher- und Konferenzdienst der EU“. Die meisten dieser Übersetzer seien inzwischen an türkischen Universitäten beschäftigt. Wenn es zu einem EU-Beitritt des türkischen Teils Zyperns kommen sollte und man dadurch auf Türkischdolmetscher angewiesen sei, gebe es jedenfalls damit kein Problem. Man verfüge über eine große Reserve, aus der man schöpfen könne.

Warum Europa die neue Supermacht ist

EM – Europa ist das erste funktionierende, transnationale Netzwerk auf Erden. Geboren aus vielen Kriegen und Konflikten. Eine neue Supermacht, die dabei ist, den ehrgeizigsten Traum der Geschichte zu verwirklichen: Eine Gemeinschaft, die auf Vertrauen und Kooperation beruhe, auf persönlicher Entfaltung seiner Menschen, auf kultureller Vielfalt, universellen Menschenrechten und globaler Zusammenarbeit. Der das sagt ist Amerikaner. Jeremy Rifkin, Gründer und Präsident einer Stiftung zur Erforschung wirtschaftlicher Entwicklungen („Foundation of Economic Trends“) in Washington. Vor kurzem erschien bereits ein einschlägiges Buch von ihm mit dem Titel: „Der europäische Traum – die Vision einer leisen Supermacht“. In einem Interview mit dem in Potsdam erscheinenden Monatsmagazin „Cicero“ faßt er nun seine Thesen griffig zusammen: Europa sei die mächtigste Exportmacht der Welt. Sein Bruttoinlandsprodukt konkurriere bereits mit dem der USA. Die EU verfüge über wichtige Schlüsselindustrien. Es habe eine Verfassung, die auf gemeinsamen Ideen und Wertvorstellungen der Staaten beruhe. Das Netzwerk Europa sei viel moderner und passe besser in eine globale Welt, als die USA.

Rifkin prophezeit: Der europäische Traum von der großen Gemeinschaft werde den amerikanischen Traum von der grenzenlosen Freiheit des auf sich allein gestellten Einzelindividuums ablösen. Die Stärke des europäischen Traums liege in der kollektiven Verantwortlichkeit. Amerikaner dagegen setzten auf Macht und darauf andere unter Kontrolle zu halten.

Wer Amerikaner mit diesen Fakten konfrontiere, werde jedoch für einen Spinner gehalten. Die Menschen in den Vereinigten Staaten verbänden mit Europa lediglich veraltete Institutionen, aufgeblähte Bürokratie und eine alternde Bevölkerung. Fazit: „Amerika leidet an einem Überlegenheitskomplex, Europa an einem Minderwertigkeitskomplex.“ In Wahrheit basiere der amerikanische Wohlstand auf Schulden und nicht darauf, „daß wir bessere Fähigkeiten haben“.

Leise entsteht also die neue Supermacht Europa, wenn man dem Autor Rifkin glauben darf. Wie kann es geschehen, daß diese gigantische Entwicklung weder in Amerika noch in Europa so richtig beachtet wird? Rifkins Begründung: Die Amerikaner glauben es nicht und die Europäer haben es noch nicht gemerkt

Neues Internetportal zur Ratifizierung der EU-Verfassung

EM – Unter der Adresse www.eu-ratifikation.de hat das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) in München ein Internetportal eingerichtet, das Informationen und Analysen zum Stand der Ratifizierung der EU-Verfassung bietet. Zu jedem der 25 EU-Mitgliedstaaten werden Details des Ratifizierungsverfahrens und Meinungsumfragen dokumentiert, sowie die Erfolgschancen der Ratifizierung bewertet.

Am 29. Oktober 2004 hatten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten in Rom den Vertrag über eine europäische Verfassung unterzeichnet. Seitdem durchläuft die Verfassung die nationalen Ratifizierungsverfahren. Der Ausgang ist ungewiß: Die Verfassung kann nur in Kraft treten, wenn alle 25 Mitgliedstaaten sie ratifizieren. In wichtigen Mitgliedstaaten wie Frankreich und Großbritannien stehen Volksabstimmungen an, auch in kleinen Ländern wie Tschechien oder Malta ist der Ausgang der nationalen Debatte noch offen. Geplant ist, daß die EU-Verfassung am 1. November 2006 in Kraft tritt.

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