Eurasien-Ticker

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Wegen Chinas Ausbildungspolitik: Tibetische Kinder lernen im indischen Exil · Kalaschnikow: Durchladen für die Marktwirtschaft · Masterstudium „EU-Integration“: Nachwuchs für Europa · Gesetz zum Schutz der russischen Sprache gescheitert? · US-Präsident Bush von der Ölindustrie gekauft? · Meinungsumfrage ergab: USA gefährlicher für den Frieden als der Irak · Milliardengeschäft der British Petroleum (BP) in Rußland in Gefahr? · Bundesrepublik Jugoslawien aufgelöst

Von EM Redaktion

EM – Jedes Jahr flüchten zwei- bis dreitausend Tibeter aus ihrer Heimat, um in Indien Exil zu suchen. Die meisten sind Jugendliche, ein Drittel davon Kinder unter 14 Jahren. Viele wurden von ihren Eltern an teuer bezahlte Fluchthelfer übergeben, die sie über die Berge des Himalaja in ein Auffanglager nach Nepal brachten. Von dort werden sie in indische Kinderdörfer, die „Tibetan Children‘s Village“, gebracht, von denen es inzwischen ein Dutzend gibt. Insgesamt leben in diesen Einrichtungen derzeit über elftausend tibetische Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen.

Grund für die gefahrvolle Flucht nach Indien ist die chinesische Ausbildungspolitik in dem von ihm annektierten Tibet. Der Unterricht wird nach Auskunft der in Indien befragten Kinder fast ausschließlich in Chinesisch von Lehrern aus China abgehalten. Die tibetische Sprache werde kaum mehr gelehrt. Auch Kultur und Religion des Landes fehlten auf dem Lehrplan. Statt dessen müßten die Kinder chinesische Geschichte lernen, in der sie dann erführen, daß das „Mutterland China Tibet von Feudalismus und Rückständigkeit befreit“ habe.

Viele Eltern in Tibet wünschen sich nach Auskunft aus dem religiösen Zentrums des selbst im indischen Exil lebenden Dalai Lama, daß ihre Kinder eines Tages gut ausgebildet in ihre Heimat zurückkehren möchten. Doch dies sei sehr riskant. Chinesische Behörden würden Tibeter, die in Indien gelebt hätten, nicht selten bei ihrer Rückkehr verhaften und über Jahre einsperren. Die meisten der geflohenen Tibeter blieben deshalb in Indien und hofften auf eine Änderung der Situation - entweder durch eine liberalere Politik der Chinesen oder die völlige Freigabe des annektierten Landes.

Kalaschnikow: Durchladen für die Marktwirtschaft

EM - Der heute 83-jährige Erfinder des sowjetischen Sturmgewehrs AK-47 hat noch einmal eine verwegene Idee: Michail Timofejewitsch Kalaschnikow will mit seinem Namen das große Geld machen. Zusammen mit der mittelständischen deutschen Firma „Marken Marketing International“ (MMI) im nordrhein-westfälischen Solingen (zehn Beschäftigte) möchte er weltweit Konsumartikel unter der Bezeichnung „Kalaschnikow“ vermarkten. Er und seine Familie sind seit kurzem zu einem Drittel als Geschäftsführer an MMI beteiligt. Die Firma ist spezialisiert auf die Schaffung von Markennamen, die weltweit einsetzbar sind. Damit hat sie im vergangenen Jahr sieben Millionen Euro Umsatz gemacht.

Bislang hatte es Michail Kalaschnikow vor allem zu Ruhm und Ehre gebracht. Er wurde für seine Erfindung zeitlebens mit Orden überhäuft. Am 10. November vergangenen Jahres hat ihm Waldimir Putin persönlich zum Geburtstag gratuliert. Doch Tantiemen aus dem Milliardengeschäft mit den weltweit rund 100 Millionen Mal verkauften Kalaschnikows hat der Erfinder des bekanntesten Gewehrs der Welt niemals gesehen .

Er lebt heute in seiner Heimatstadt Ischewsk im mittleren Ural, 20 Eisenbahnstunden nordöstlich von Moskau, von einer bescheidenen Rente. In Ischewsk wird ein Kalaschnikow-Wodka destilliert, der sich gut verkaufen läßt. Doch auch dafür bekommt der alte Herr, der 30 Jahre als Abgeordneter im Obersten Sowjet saß, keine Kopeke.

Von sich selbst sagt Michail Kalaschnikow: „Ich bin die bekannteste Visitenkarte Russlands“. Er ist weltweit in allen sozialen Schichten, vom Straßengangster bis zum Staatspräsidenten ein Begriff. Die Geschäftsidee, unter der Marke Kalaschnikow andere Produkte als Waffen zu verkaufen, aber hat einen leicht skurrilen Zug. Denn es sollen Dinge wie zum Beispiel Kalaschnikow-Rasierwasser, Kalaschnikow-Regenschirme, Kalaschnikow-Snowboards auf den Markt kommen.

Als der Träger des berühmten Namens zur Unterschrift des Vertrages nach Solingen kam, zeigte sich, daß er mit dem Schreiben Beschwerden hatte. Grund ist eine alte Verletzung aus dem Zweiten Weltkrieg. Damals trafen ihn zwei Kugeln, abgefeuert von deutschen Soldaten, eine in die rechte Schulter, eine in die linke Brust. Er überlebte und konstruierte von 1941 an im Lazarett sein berühmtes Sturmgewehr, das sechs Jahre später in Serie produziert wurde. Bis heute gilt es als der größte Exportschlager der einstigen Sowjetunion.

Michail Timofejewitsch Kalaschnikow hatte auch andere Angebote als das aus Solingen. Ein amerikanisches Unternehmen hätte ihn liebend gern eingekauft. Doch eine solche Zusammenarbeit lehnte er kategorisch ab. Das hätte er „als Betrug am Vaterland“ empfunden, erklärte er stolz.

Masterstudium „EU-Integration“: Nachwuchs für Europa

EM – Jedes Jahr im Oktober beginnt am Europa-Institut der Universität des Saarlandes der Masterstudiengang „Europäische Integration“. Die Bewerbungsfrist endet jeweils am 15. Juli. Schon nach zwei Semestern können Hochschulabsolventen den „Master of European Law“ erwerben.

Neben dem EU-Recht gehören politik- und geschichtswissenschaftliche Vorlesungen zum Lehrbetrieb. Weitere Spezialisierungen auf Wirtschaftsrecht, Medienwesen und Menschenrechtsschutz sind möglich.

Als Dozenten lehren in diesem Masterstudiengang unter anderem der Präsident des Deutschen Bundesgerichtshofes, Günter Hirsch, der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Siegbert Alber und der Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Georg Ress.

Informationen: http://europainstitut.de/euin/llm/index.html

Gesetz zum Schutz der russischen Sprache gescheitert?

EM – Am 5. Februar verabschiedete die Duma, die zweite Kammer des russischen Parlaments, in dritter und abschließender Lesung das Gesetz „Über die Staatssprache der Russischen Föderation“. 248 Abgeordnete stimmten für, 36 gegen den Gesetzesentwurf. Befürwortet wurde das Sprachenschutzgesetz hauptsächlich von der Partei Einheit, der Komunnistischen Partei und der Agrarindustriellen Abgeordnetengruppe. Es waren 226 Stimmen (absolute Mehrheit) nötig um das Gesetz zu beschließen. Ob das Gesetz jemals in Kraft tritt, ist jedoch unklar, da ihm der Föderationsrat, die erste Parlamentskammer, eine Woche später mit großer Mehrheit die Zustimmung verweigerte. Es soll nun in einem Vermittlungsausschuß überarbeitet werden.

Das Gesetz schreibt Russisch auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation als Staatssprache fest – ein Novum in der russischen Rechtsgeschichte. Zwar galt Russisch auch bisher unbestritten als Staatssprache, allerdings war dies im Russischen Reich, in der Sowjetunion und im heutigen Rußland nicht schriftlich fixiert. Der Gesetzestext zählt Bereiche des öffentlichen Lebens (Staat, Verwaltung, Öffentliche Verkehrsmittel, Werbung usw.) auf, in denen der Gebrauch des Russischen verbindlich ist. Auch der Umgang mit der Sprache wird geregelt. Wenn Russisch als Staatsprache verwendet werde, seien beleidigende, diskriminierende, unsittliche und derb-volkssprachliche Redewendungen unzulässig. Fremdwörter müßten bei Vorhandensein eines russischsprachigen Synonyms durch dieses ersetzt werden.

Aus Sicht der Senatoren des Föderationsrates ist das Gesetz nicht mit föderalem Recht zu vereinbaren und beschränkt die Möglichkeit nichtrussischer Völker in der Russischen Föderation ihre Muttersprache zu pflegen. Juri Scharandin brachte seine ablehnende Haltung besonders prägnant zum Ausdruck: „Der Begriff „Konstitution der Russischen Föderation“ [russisch: Konstituzija Rossisskoi Federazii] enthält zwei Fremdwörter. Deshalb widerspricht dieses Gesetz vor allem der Verfassung Rußlands“ (Kommersant, 13.02.2003). Der Sprecher des Föderationsrates, Sergej Mironow, entdeckte gar 30 Formulierungen in der russischen Verfassung, die dem Gesetzestext entsprechend geändert werden müßten. Generell sei das Gesetz erforderlich, es müsse aber noch daran gearbeitet werden (Interfax, 12.02.2003). Als weiteren Kritikpunkt führten die Vertreter der Föderationssubjekte an, es sei nicht oder nur sehr schwer möglich den Sprachgebrauch zu überwachen und Gesetzesverstöße zu ahnden. Aber auch zustimmende Redebeiträge gab es. Die Zeitung Kommersant zitiert den Vertreter der Region Krasnodar mit den Worten, ein solches Gesetz brauche man wie die Luft zum Atmen.

US-Präsident Bush von der Ölindustrie gekauft?

EM –Im Fernsehprogramm des Westdeutschen Rundfunks (WDR) stand kurz nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe des EURASISCHEN MAGAZINS eine Reportage über die Verbindungen des US-Präsidenten George W. Bush zu den Ölkonzernen seines Landes auf dem Programm (WDR , 24.02.03, 22.30 Uhr. Der Ankündigungstext auf der WDR-Netzseite lautete:

„Die US-amerikanische Erdölindustrie hat George W. Bush mit millionenschweren Wahlkampfspenden ins Amt gehievt. Das ist die Kernthese der WDR-Reportage unter dem Titel „Das Kartell - Die US-Regierung und das Öl“. Dafür habe sich Bush mittlerweile erkenntlich gezeigt, behaupten Kritiker. Eine ganze Reihe seiner ehemaligen Gönner und Vertrauten sind mittlerweile in hohen Positionen der US-Administration. Zufall? Alles quatsch, schließlich sind die USA eine Demokratie? Oder stimmt die Behauptung von Bill Allison vom Washingtoner Institut ‚Public Integrity‘? Der behauptet, der Präsident der Vereinigten Staaten sei gekauft worden.“

Informationen im Internet unter: http://www.wdr.de/themen/politik/international/usa/gaestebuch.jhtml;jsession

Hier ist auch das Manuskript zum Film als PDF-Datei zu erhalten.

Meinungsumfrage ergab: USA gefährlicher für den Frieden als der Irak

EM – In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts NFO-Infratest für das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wollten die Demoskopen wissen: „Von welchem Land geht ihrer Meinung nach die größte Gefahr für den Weltfrieden aus?“

Das Ergebnis:
53 Prozent antworteten: von den USA
28 Prozent sagten: vom Irak
9 Prozent meinten: von Nordkorea

Die Umfrage erfolgte vom 11. bis 13. Februar. Befragt wurden 1000 Personen in ganz Deutschland.

Milliardengeschäft der British Petroleum (BP) in Rußland in Gefahr?

EM – „Es lebe die amerikanisch-britisch-russische Energieallianz!“ schrieb am 15. Februar der Direktor der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik, Alexander Rahr, in der Tageszeitung „Die Welt“. Sarkastisch merkte er in seinem Beitrag „Europa nach dem Irak-Krieg“ an: „Während Putin in Deutschland und Paris nach außen hin den Schulterschluß mit Jacques Chirac und Gerhard Schröder demonstrierte, tätigte der britische Ölriese British Petroleum die größte ausländische Investition in der russischen Geschichte und wurde über Nacht zum drittgrößten Ölkonzern in Rußland.“

Am 19. Februar meldete „Die Welt“: „Der angloamerikanische Mineralölkonzern BP erwarb für 6,75 Mrd. Dollar 50 Prozent an einer Holding mit dem russischen Ölkonzern TNK. Das Joint Venture mit dem Arbeitstitel New-Co, in dem BP und TNK ihre Geschäftsinteressen bei der Öl- und Gasförderung in Rußland und der Ukraine bündeln und dessen Wert auf 18,1 Mrd. Dollar taxiert wird, wird zu den Top 10 der weltgrößten Ölproduzenten gehören. Diesem Milliardengeschäft droht nun Gefahr. Die ‚Moscow Times‘ sieht bereits ‚Sturmwolken über BP heraufziehen.‘“

Hintergrund: Zwei Minderheitsinvestoren beim russischen Ölkonzern Sidanco wollen beim Londoner Schiedsgericht für das Handelsrecht klagen. BP hält an Sidanco 25 Prozent Anteile. Die Kläger, Indian Ocean Petroleum Services mit Firmensitz Seychellen und Astian Group von den Virgin Islands behaupten, von Sidanco um 85 Millionen Dollar geprellt worden zu sein. In Börsenkreisen gehe man davon aus, so der russische Aktienhändler Steven Daschewski, daß noch weitere Klagen von Anteilseignern gegen BP erhoben würden. Auch das russische Ministerium für Naturressourcen hat sich inzwischen eingeschaltet, meldet das Wirtschaftsblatt „Wedomosti“. Es droht dem russischen Öl- und Gasunternehmen Russia Petroleum, an dem BP ebenfalls beteiligt ist, mit Lizenzentzug. „Wedomosti“: „Man läßt BP einfach nicht in Ruhe.

Der Chefökonom bei der Weltbank in Moskau erklärte unterdessen: „Mit einem Federstrich hat BP so viel Geld in Rußland investiert wie die kompletten Direktinvestitionen der vergangenen drei Jahre betrugen.“ Für ihn sei das Geschäft das Zeichen dafür, daß nun „richtiges Geld in die russische Wirtschaft fließt“. Bislang hätten Investoren einen weiten Bogen um Rußland gemacht.

Bei BP gibt man sich angesichts dieser Dimensionen denn auch sehr gelassen. Die Gesellschaft sehe keine Gefahr für einen Lizenzentzug durch russische Behörden, erklärten ihre Sprecher in russischen Medien. Und Klagen in London könnten an dem Geschäft auch nicht mehr rütteln.

Bundesrepublik Jugoslawien aufgelöst

EM – Den Staat Jugoslawien gibt es nicht mehr. Am 4. Februar löste sich die seit 1992 aus Serbien und Montenegro gebildete Bundesrepublik Jugoslawien auf. Beide Kammern des jugoslawischen Parlaments stimmten für die Umwandlung Jugoslawiens in den lockeren Zusammenschluß „Serbien und Montenegro“ (serbisch: Srbija i Crnogora). Zuvor hatten bereits die serbische und die montenegrische Volksvertretung für das Ende Jugoslawiens votiert. Ihren Anfang nahm die Gründung von Serbien und Montenegro mit der Unterzeichnung des Belgrader Abkommens am 14. März 2001. Unter Vermittlung des EU-Emissärs für Außenpolitik, Javier Solana, verpflichteten sich damals der jugoslawische Präsident Kostunica, der serbische Ministerpräsident Djindjic und der montenegrische Präsident Djukanovic, eine Verfassung für den Staatenbund ausarbeiten zu lassen.

Nach offizieller Lesart gilt Serbien und Montenegro als ein Gesamtstaat. Tatsächlich teilt die beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken zukünftig mehr als sie verbindet. Der Staatenbund hat keine gemeinsame Hauptstadt, sondern lediglich ein Verwaltungszentrum in Belgrad. Es gibt weder eine gemeinschaftliche Zentralbank, noch eine einheitliche Währung: In Serbien ist der Dinar, in Montenegro der Euro allgemeines Zahlungsmittel. Die beiden Republiken werden unterschiedliche Zollsysteme haben und eine eigenständige Wirtschaftspolitik führen.

Serbien und Montenegro wird ein Ein-Kammer-Parlament mit 126 Abgeordneten haben. Eine Sperrklausel verhindert, daß die serbische Mehrheit (91 Abgeordnete) die montenegrische Minderheit (35 Abgeordnete) überstimmen kann. Das Parlament wählt den Präsidenten des Staatenbundes, der zugleich auch Regierungschef ist. In den Zuständigkeitsbereich der Regierung fallen: Äußeres, Verteidigung, Außen- und Binnenwirtschaft, sowie Menschen- und Minderheitenrechte.

Vieles spricht dafür, daß mit der Konstituierung von Serbien und Montenegro nicht ein Staat, sondern zwei Staaten gegründet wurden. Jede der Teilrepubliken hat nämlich nach drei Jahren das Recht, auf dem Weg einer Volksabstimmung den Staatenbund zu verlassen. Eine Option, auf die gerade der montenegrische Präsident Milo Djukanovic seit Jahren hinarbeitet.

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