09.08.2023 13:11:56
ASTRONOMIE
Von Johann von Arnsberg
ie Sterne auf der Himmelsscheibe zeigen das Siebengestirn, das Sternbild der Pleijaden. Dieses Geheimnis hat der Astronom Prof. Dr. Wolfhard Schlosser von der Ruhr-Universität Bochum gelüftet. Die Pleijaden waren in der Antike für Ackerbau und Schifffahrt von außerordentlicher Bedeutung. Der griechische Dichter Hesiod, der in über tausend Hexametern die Entstehung der Welt und der Götter schildert, hat deren Einfluss eindringlich beschrieben.
In Homers Ilias wird berichtet, wie der Schild des griechischen Helden Achilles angefertigt wurde. Die Darstellung liest sich laut Prof. Schlosser wie eine Beschreibung für die Herstellung der Himmelsscheibe von Nebra. Auch hierin wird wieder der weiträumige Bezug dieser kosmischen Darstellung evident, die in Sachsen-Anhalt entdeckt wurde.
Die Pleijaden auf der Himmelsscheibe stehen in einer Konstellation zum Halbmond, die zwangsläufig sieben Tage später zu einer Mondfinsternis führt. Dass die Gesetze des Himmels den Menschen in der Bronzezeit in einem derartigen Umfang bekannt waren, ruft heute Erstaunen hervor.
Und diese Vorhersagemöglichkeit funktioniert auch heute noch: Am 14. Februar 2008 wurde eine solche Konstellation beobachtet. Damals stand der Halbmond am Himmel über den Plejaden und genau eine Woche später, am 21. Februar 2008, kam es gegen 4.00 Uhr bis circa 4.53 Uhr zu einer totalen Mondfinsternis über Deutschland.
Die Himmelsscheibe, weltweit die älteste konkrete Darstellung des Kosmos, lag zusammen mit wertvollen Waffen, Schmuck und Gerät auf dem Gipfel des Mittelbergs bei Nebra in Sachsen-Anhalt in der Erde. Sie wurde von Dieben bei einer Raubgrabung entdeckt und konnte nach einigen Irrfahrten auf spektakuläre Weise durch die Schweizer Polizei sichergestellt werden. Heute befindet sich das Original dieses einmaligen Kulturguts im Landesmuseum für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt in Halle an der Saale.
In der Frankfurter Sonderausstellung wird das Zeitalter der Himmelsscheibe mit Masterkopien der Nebrafunde, weiteren archäologischen Objekten sowie mit exzellenten Modellen und atemberaubenden Fotografien wieder zum Leben erweckt. Präsentiert werden völlig neue Erkenntnisse zu Astronomie, Religion und den gesellschaftlichen Eliten dieser Zeit.
Da es sich bei der frühbronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra um die erste konkrete, wissenschaftlich unbestrittene Darstellung des Kosmos handelt, kann man von einem absoluten Schlüsselfund des letzten Jahrhunderts für Archäologie, Archäoastronomie und Religionsgeschichte sprechen. Im Gegensatz zu den bis dahin (z.B. im Alten Ägypten) vorherrschenden grafischen Darstellungen - gleichfalls eines symbolischen Himmels mit geometrisch aneinander gereihten Sternen - ermöglicht die Scheibe von Nebra erstmalig einen Blick auf die wirklichen astronomischen Kenntnisse vor 3.600 Jahren. Durch diesen Fund ergeben sich neue Deutungen über die astronomische Relevanz der Ringgrabenanlagen des Neolithikums und der Bronzezeit (z.B. Stonehenge). Es entsteht ein überraschend differenziertes Bild bronzezeitlicher Technik, Kunst, Kultur und Religion.
Der Fundort der Himmelsscheibe zeigt auch selbst astronomische Bezüge in der Darstellung des kosmischen Geschehens. Die Stelle an der die Scheibe gefunden wurde liegt auf der Spitze des Mittelberges bei Nebra. Von dort aus sichtbar geht am 21. Juni hinter dem Brocken, dem bedeutendsten Berg des Harzes, und am ersten Mai hinter dem Kulpenberg, dem höchsten Berg des Kyffhäusers, die Sonne unter.
Als der Künstler die goldenen Horizontbögen auf der Himmelsscheibe anbrachte, markierte er damit also nicht nur die Sonnwendpunkte, sondern auch die beiden vom Mittelberg aus sichtbaren Geländemarken: Wenn er die Himmelsscheibe auf dem Plateau nach Norden ausrichtete, zeigte der obere Abschluss des westlichen Horizontbogens zum Brocken, dem höchsten Berg des Harzmassivs. Genau hier verschwindet unser Tagesgestirn am Abend der Sommersonnenwende.
Eine weitere markante Erhebung am Horizont ist der Kyffhäuser mit dem Kulpenberg. Hier wird die Sonne am ersten Mai vom Berg verschluckt. Dieses Datum ist zwar nicht auf der Himmelsscheibe verschlüsselt, aber von anderen Kulturen her als „Beltaine“ oder Frühlingsfest bekannt. Auch Lücken in den Palisaden des nicht weit entfernten 7000 Jahre alten jungsteinzeitlichen Sonnenobservatoriums von Goseck (zwischen Naumburg und Weißenfels) kennzeichnen diesen Termin.
Seit dem 20. August 2002 werden am Fundort der Himmelsscheibe, einer Ringwallanlage, deren zeitliche Einordnung noch unklar ist, Ausgrabungen durchgeführt. Dabei wurde im Übrigen dann auch der ein paar Jahre zurückliegende Eingriff der Raubgräber entdeckt, die sich der in einer Steinkammer gelegenen Himmelsscheibe bemächtigt hatten.
Wegen des weltweiten Interesses an der Himmelsscheibe von Nebra, wurde am 20. Juni 2007 beim Ort Wangen, etwa 3,5 Kilometer vom Fundort der Himmelsscheibe entfernt, ein multimediales Besucherzentrum eröffnet: die „Arche Nebra“. Untergebracht ist es in einem futuristisch anmutenden Ausstellungshaus in Gestalt einer goldenen Barke, wie sie auch auf der Himmelsscheibe zu sehen ist. Darin ist ein Planetarium untergebracht, das in aufwendigen Inszenierungen über das astronomische Wissen der Bronzezeit und die religiösen Vorstellungen der damaligen Menschen unterrichtet.
Ähnliches bietet nun auch die Frankfurter Sonderausstellung. Auch sie entführt den Besucher in die Welt der Astronomie und in den bronzezeitlichen Himmel. Es sind Fotografien, Modelle und Ausstellungsstücke rund um die Himmelsscheibe zu sehen, die jeden Besucher in ihren Bann schlagen dürften.
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