Joschka Fischer im Fadenkreuz - Rußlands Präsident Putin als RomanheldGELESEN

Joschka Fischer im Fadenkreuz - Rußlands Präsident Putin als Romanheld

Olenin Terek: „Der Mann aus Grosny“. Ein Polit-Thriller zum Thema Eurasien

Von Eberhart Wagenknecht

Erst liquidiert er US-Agenten in Rußland, dann macht er Jagd auf den deutschen Außenminister Joschka Fischer. In ihm sieht der Russe Igor Rassow den willfährigsten Handlanger des US-Imperialismus in Europa (wenn nicht gerade Wahlkampf ist) und den Totengräber der deutsch-russischen Beziehungen.

Rassow selbst ist glühender Verfechter einer engen Bindung zwischen Moskau und Berlin. Dieses Ziel verfolgt auch die eurasische Intellektuellenbewegung „Organisation Taurage“ (OT), deren Vollstrecker Igor Rassow ist. Er landet als blinder Passagier an Bord eines Ausflugsschiffes in Mukran auf der Insel Rügen. Bei einem ehemaligen Frontkameraden, mit dem er lange in Tschetschenien gekämpft hatte, findet er Unterschlupf. Die Schwester wird seine Geliebte. Es ist Frühjahr 2000, und die Grünen bereiten in Bonn einen Parteitag vor.

Rassow spürt sein Opfer, den deutschen Außenminister auf und lauert auf die Chance zum Attentat. Er hat in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny das Handwerk des Tötens gelernt. Sein engster Freund ist Politiker und macht inzwischen im Kreml Karriere, bringt es sogar bis zum Präsidenten Rußlands.

Der Roman schildert die Entstehung der OT und geht ausführlich auf ihre Ziele ein.
Die geheime Organisation bekämpft die Ausbreitung des amerikanischen Einflusses auf Politik und Kultur der eurasischen Gliedstaaten. Ihr Ziel ist es, den Großkontinent zu einigen und aus seinem weltpolitischen Dornröschenschlaf zu erwecken. Aus dem fremdbestimmten und vielerorts von Krieg und Feindschaft zerrütteten Kontinent soll ein in kultureller Vielfalt erblühender, weltpolitischer Akteur erwachsen.

Die Handlung beginnt im Jahr 1990 zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung und des Zerfalls der Sowjetunion. Sie endet wenige Tage vor Putins Wahl zum russischen Präsidenten im März 2000. Der Mann aus Grosny, ein entschlossener Kämpfer und Antiwestler, ist Putins „zweites Ich“. Doch in dem Thriller wird bereits die Annäherung sichtbar, die er inzwischen gegenüber dem Westen vollzogen hat: Putin wird zum umsichtig kalkulierenden Schachspieler auf dem internationalen Parkett. In diese Strategie paßt das Attentat auf Fischer, das der Feuerkopf Igor plant, nicht mehr hinein. So werden der Moskauer Kremlchef und sein Freund schließlich zu Gegenspielern. - Der Präsident Rußlands muß den Plan Rassows unter allen Umständen verhindern. Das internationale Ansehen seines Landes steht auf dem Spiel.

Wladimir Putin und Joschka Fischer agieren als prominenteste Romanfiguren in dem Polit-Thriller „Der Mann aus Grosny“ von Olenin Terek. Minutiös erlebt der Leser mit, wie der deutsche Außenminister Fischer ins Visier des Attentäters gerät.

Wladimir Putin heißt in dem Thriller „Poßtanowschtschik“ – zu deutsch Regisseur. In dieser Rolle macht er seinem Namen alle Ehre. Man erlebt ihn in St. Petersburg und im Moskauer Kreml. Er tritt auf als Wahlkampfmanager und Judokämpfer, als politischer Stratege und als Männerfreund.

Als der illegal nach Deutschland eingedrungene Attentäter Igor Rassow dem deutschen Außenminister Fischer während eines Parteikonvents in Bonn auflauert, bemerkt er, daß ihm jemand aus Rußland auf den Fersen ist. Es ist Tarakan - die Kakerlake. Ihm haftet der Geruch des Leichenhauses Grosny an seinen russischen Filzstiefeln, den Walenki. Rassow, dem ehemaligen Tschetschenienkämpfer, sticht dieser Pesthauch sofort in die Nase. Der Gestank ist unverkennbar und verrät ihm die Nähe seines Todfeindes.

Die Schauplätze des Romans sind St. Petersburg, Moskau, Grosny, Berlin und Bonn. Im Bonner Prominentenlokal Da Pedro auf der Cäcilienhöhe erfüllt sich das Schicksal. Fischer tafelt mit Parteifreunden und feiert das Ende der sogenannten Fundamentalisten in der grünen Partei. Rassow steht ihm in diesem Augenblick nach 350 Seiten Hochspannung mit seiner Heckler & Koch auf acht Metern Distanz gegenüber.... Über die spannungsgeladene Handlung hinaus überzeugen auch solche Passagen, wie der Vergleich zwischen Rhein und Wolga mit den Hauptfiguren aus Iwan Gontscharows Roman Oblomow - dem umtriebigen deutschen Unternehmer Stolz und dem trägen russischen Fürsten.

Auch eine Inszenierung der Salome im Stile des revolutionären Theaters von Antonin Artaud, aufgeführt in St. Petersburg zu Solnzeworod, der russischen Sommersonnenwende, ist ein literarischer Leckerbissen. Im Anschluß an diese Aufführung kommt es zum schicksalhaften Aufeinandertreffen von Poßtanowschtschik, also Putin, und Igor Rassow, dem Mann der Untergrundorganisation auf einer schummrig beleuchteten Straßenbahnhaltestelle. Rassow rettet bei dieser ersten Begegnung dem späteren Moskauer Kremlchef das Leben. „Den sicheren Freund erkennt man in unsicherer Sache“, zitiert Poßtanowschtschik damals den römischen Staatsmann Marcus Tullis Cicero. Ein Satz, der in dem Thriller Tereks eine Schlüsselrolle spielt.

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Olenin Terek: Der Mann aus Grosny – seine Spur führt nach Berlin,
Eurasischer Verlag, 2002, 348 S. € 20,90, ISBN 3-935162-01-4, 348 S., € 20.90 www.eurasischerverlag.de

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Olenin Terek, Jahrgang 1943, ist politischer Journalist. 1999 veröffentlichte er den Political-Fiction-Thriller „Von Wladiwostok bis zur Estremadura“. Letztes Jahr stellte er für seinen jüngsten Thriller mit dem Titel „Der Mann aus Grosny“ umfangreiche Recherchen in St. Petersburg und Moskau an. Terek ist überzeugt, daß auf Dauer nur eine eurasische Allianz Frieden in der Welt garantieren kann. Amerikas Rolle als einzige Weltmacht hält er für eine Fehlentwicklung. Und Europa, so sein Urteil, ist zu kurz gedacht.

Eurasien Rezension Russland

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