Konkurrenz für die Transsib: Transeurasische EisenbahnEURASIEN

Konkurrenz für die Transsib: Transeurasische Eisenbahn

Konkurrenz für die Transsib: Transeurasische Eisenbahn

Kasachstan und China planen eine Eisenbahnlinie vom Gelben Meer bis zum Hamburger Hafen – 2010 soll die Strecke durchgängig befahrbar sein. In Istanbul wurde der ersten Spatenstich fur den Bosporustunnel gesetzt.

Von Hans Wagner

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Jerlan Atamkulow, Präsident der kasachischenEisenbahn 

EM – So manch einer bekommt eine Gänsehaut, wenn er von ihr hört – der Transsibirischen Eisenbahn. Die Bahn also, die sich in siebentägiger Fahrt von St. Petersburg an der Ostsee durch das Uralgebirge und die sibirische Taiga bis nach Wladiwostok kämpft. Was man im verkehrstechnisch gut erschlossenen Westen Europas als selbstverständlich wahrnimmt, ist für den weiten Osten Eurasiens etwas Einzigartiges. Die Transsib ist die bislang einzige durchgehende Eisenbahnverbindung zwischen dem Osten und dem Westen des eurasischen Kontinents. Jetzt soll sie Konkurrenz bekommen.

Kasachstan und China planen den Bau einer transkontinentalen Eisenbahnlinie. Sie soll über eine Strecke von mehr als 8.000 Kilometern China und andere Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum mit den wichtigsten Handelsmärkten Europas verbinden. Zwischen fünf und sieben Milliarden US-Dollar wird das Bauprojekt voraussichtlich kosten. Der endgültige Finanzierungsplan sei noch nicht vollständig abgeschlossen, bekundet Jerlan Atamkulow, der Präsident der staatlichen kasachischen Eisenbahngesellschaft „ Kazakhstan Temir Zholy“, in einer offiziellen Stellungnahme. Dennoch habe der Bauder Eisenbahnlinie mit einem 320 Kilometer langen Streckenabschnitt von Dostyknach Aktogai bereits begonnen.

Lianyungang – Hamburg

Als Ausgangspunkt der transkontinentalen Eisenbahnlinie ist die Fünf-Millionen-Einwohnerstadt Lianyungang im Osten Chinas vorgesehen. Von hier aus soll die Bahnlinie durch China, Kasachstan, Turkmenistan und den Iran bis in die Türkei führen. Weiter läuft die geplante Verbindung durch mehrere osteuropäische Länder bis zum Hamburger Hafen.

Im Westen der Türkei standen die Streckenplaner bis kürzlich noch vor einem 1,4 Kilometer breiten Problem: dem Bosporus. Die Meerenge zwischendem westlichen und dem östlichen Teil Istanbuls ist bislang nur mit dem Auto über eine der beiden Hängebrücken oder natürlich mit dem Schiff zu überqueren. Eine Eisenbahnverbindung über die Meerenge gibt es nicht. Das soll sich aber bald ändern.

Mitte Mai wurden unter großem Presserummel die Bauarbeiten für einen 13,7 Kilometer langen Tunnel begonnen, der ab dem Jahr 2008 den sogenannten europäischen Teil Istanbuls mit dem „asiatischen“ verbinden soll. Das Projekt kostet rund zwei Milliarden Euro und wird vom japanisch-türkischen Konsortium Taisei-Kumagaigumi-Gama-Nurol geleitet.

Im Tauchgang durch den Bosporus

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Die geplante Steckenführung der neuen Transeurasischen Eisenbahn 

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der an der Eröffnungszeremonie der Bauarbeiten teilnahm, war sich der großen Bedeutung des Ereignisses natürlich bewußt. „Dieses Projekt ist nicht nur für die Türkei wichtig, sondern zur gleichen Zeit ein Projekt des Jahrhunderts“, frohlockte der Politiker. Nicht auszuschließen, daß er dabei auch an die geplante Bahnlinie zwischen China und Deutschland dachte. Denn die könnte den Bosporus ab dem Jahr 2008 sozusagen im Tauchgang nehmen.

Die Fertigstellung der Eisenbahnlinie ist allerdings erst zwei Jahre später geplant, im Jahr 2010. Dann sollen jährlich bis zu 35 Millionen Tonnen Frachtgut über die Gleise transportiert werden. Zur Zeit wird ein Großteil des Warenverkehrs zwischen China und Europa auf der Transsibirischen Eisenbahn durch Rußland befördert. Transporte zwischen Peking und Moskau benötigen etwa zehn Tage. Die geplante Alternativverbindung von China nach Europa würde Dauer und Kosten von Warenlieferungen erheblich reduzieren. Und diese Einsparmöglichkeiten werden zukünftig immer wichtiger. Schätzungen des Internationalen Währungsfonds zufolge, beträgt das jährliche Handelsvolumen zwischen Europa und Asien rund 600 Milliarden US Dollar, bis zum Jahr 2010 wird ein Anstieg von 150 Prozent erwartet. Der geplante Schienenstrang wird die in Europa übliche Breite haben, so daß auf einer Fahrt von China nach Hamburg die Räder der Waggons nicht ausgetauscht werden müssen, wie das bei Zugverkehr zwischen Westeuropa und Rußland wegen der unterschiedlichen Spurbreiten notwendig ist.

Mit der neuen eurasischen Zugverbindung erwächst der russischen Transsib starke Konkurrenz. Und es sind nicht allein die genannten wirtschaftlichen und technischen Vorteile, die die teilnehmenden Länder zu dem Mammut-Unternehmen anspornt. Zweifellos haben die partizipierenden Staaten auch ein großes Interesse daran, die politische Abhängigkeit von der Russischen Föderationzu verringern. Besonders für Kasachstan ist die Bahnlinie von großem Vorteil, da sie die Exportmöglichkeiten seiner großen Erdölvorkommenam Kaspischen Meer beträchtlich verbessern würde. Die Abhängigkeit von russischer Infrastruktur und politischem Wohlwollen ginge erheblich zurück, während die eigenen Gewinne aus dem Erdölhandel enorm zunähmen. Auch der Iran und Turkmenistan werden eine neue Transportroute für ihre Erdölgeschäfte mit europäischen Staaten zu nutzen wissen.

Die Transeura als Parallele zur Transsib

Der kasachische Eisenbahn-Präsident Atamkulow ist indes bemüht, dem Zugprojekt die politische Brisanz zu nehmen. „Wir sollten meiner Ansicht nach das Thema nicht überpolitisieren,“ erklärt er betont zurückhaltend. Es stünde außer Zweifel, daß der über Rußland abgewickelte Frachtverkehr nach Fertigstellung der geplanten Bahnlinie nicht eingestellt werde. Die Nachfrage nach transasiatischem Güterverkehrauf dem Landweg sei ohnehin so stark, daß sie selbst nach Inbetriebnahme der neuen Zugverbindung kaum vollständig zu befriedigen sein werde. Daß der Kreml dem Bau der konkurrierenden Eisenbahnverbindung ebenso gleichmütig begegnet wie der kasachische Chef-Eisenbahner, ist mehr als fraglich.

Bis 2010 könnte der eurasische Kontinent also eine zweite Zugverbindung von Ost nach West bekommen. Die Transsibirische Eisenbahn im Norden erhält dann eine Parallelstrecke im Süden: die Transeurasische Eisenbahn, um dem Kind endlich einen Namen zu geben.

Foto und Karten: KAZAKHSTAN TEMIR ZHOLY

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