Duterte ist ein Rauhbein mit harten SprüchenPHILIPPINEN

Machtwechsel in Manila

Duterte ist ein Rauhbein mit harten Sprüchen

Rodrigo Duterte (71) wird neuer Präsident der Philippinen. Er ist kein Vertreter des politischen Establishments und kein Freund diplomatischer Rhetorik. Ein Rauhbein mit harten Sprüchen. Wer ist dieser Mann und was will er politisch?

Von Wilfried Arz | 31.05.2016

Auf den Philippinen waren im Mai 54 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen einen neuen Präsidenten und (in getrennter Wahl) einen Vizepräsidenten zu wählen. Gleichzeitig ging es um Neubesetzungen politischer Ämter in Senat und Kongress, sowie von Gouverneuren und Bürgermeistern in den 80 Provinzen des Landes. Das Wahlergebnis fiel (überraschend) eindeutig aus: Rodrigo Duterte (71) Bürgermeister von Davao, Hauptstadt der Insel Mindanao, errang mit  39 Prozent Stimmenanteil einen haushohen Sieg. Massive Zustimmung aus der Mittelklasse sicherten Duterte sechs Millionen Stimmen Vorsprung vor seinem nächsten Konkurrenten. Dutertes populistisches Wahlversprechen: Kriminalität, Drogen und Korruption den gnadenlosen Kampf anzusagen - Schlagworte, die bei Millionen Filipinos Resonanz fanden.

Gründe für Dutertes Wahlsieg

Dutertes Erfolg reflektiert die aktuelle Stimmungslage in weiten Teilen der philippinischen Bevölkerung: Frustration über die Wirtschaftslage, grassierende Korruption und Kriminalität. Die hohe Wahlbeteiligung von 81 Prozent (2010: 71 Prozent) erweckte den Eindruck einer lebendigen Demokratie und unterstrich Erwartungen vieler Wähler nach Veränderungen. Dutertes Wahlsieg beruhte auch auf der zersplitterten Opposition: Dutertes Konkurrenten im Wettlauf um die Präsidentschaft  - Ex-Innenminister Manuel Roxas (59) und Senatorin Grace Poe (48), Tochter eines populären Filmschauspielers - brachten es zusammen zwar auf 44 Prozent der Stimmen, zogen jedoch wegen ihres getrennt geführten Wahlkampfes den Kürzeren.

Magere Leistungsbilanz der Aquino-Regierung 

Trotz konstant hoher Wachstumsraten von über sechs Prozent/Jahr präsentiert sich die Wirtschaftslage unter dem scheidenden Präsidenten Benigno Aquino (seit 2010) weiterhin als labil. Hohe Arbeitslosigkeit (offiziell rund sechs Prozent, tatsächlich vermutlich bei weit über zehn Prozent), prekäre Beschäftigungsverhältnisse und 25 Prozent der Bevölkerung (100 Millionen), die in Armut leben. Über zehn Millionen Filipinos arbeiten im Ausland (als Hausangestellte, Krankenschwestern, Bauarbeiter) und überwiesen 25 Milliarden US-Dollar (2015) in ihr Heimatland. Das Entwicklungsgefälle zwischen Metro Manila und Provinzen bleibt krass. Bislang hat Duterte kein konkretes Wirtschaftsprogramm vorgelegt. Innenpolitisch war die Leistungsbilanz der Aquino-Regierung ebenfalls enttäuschend: kein positiver Beitrag zur Armutsbekämpfung, Stagnation bei der politischen Konfliktlösung auf der Insel Mindanao.    

Sozialpolitische Stagnation

Seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos (1965-1986) hat sich die sozialpolitische Matrix des Inselstaates im Kern nicht verändert. Politik ist auf den Philippinen Familienangelegenheit geblieben. Korrupte Familienclans regieren oft als Großgrundbesitzer ganze Provinzen. Das Parlament in Manila wird zu 70 Prozent von politischen Familiendynastien beherrscht, die Blutsverwandte sind oder durch Einheirat in die oligarchische Herrschaftselite aufgerückt sind. Auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene blockieren diese Familienclans hartnäckig überfällige Sozial- und Landreformen. So auch die Familie des scheidenden Präsidenten Benigno Aquino mit ihrer Hacienda Luisita: ein Landbesitz mit über 7.000 Hektar Fläche, rund 6.000 Arbeitern, Golfplatz und Pferderennbahn.

Politischer Widerstand

Gewaltsamer Widerstand gegen soziale Missstände zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Philippinen. Politische Konflikte werden nicht im Parlament, sondern im Untergrund ausgetragen. Die maoistisch ausgerichtete Kommunistische Partei führt mit ihrem bewaffneten Flügel einen Guerillakampf gegen etablierte Regierungen in Manila. Auf der Insel Luzon kämpft eine militante Bauernbewegung für Gerechtigkeit und politische Partizipation. Insgesamt präsentiert sich die philippinische Linke ideologisch gespalten und verhindert damit eine Umsetzung ihrer politischen Agenda.

Besonders unübersichtlich und verfahren ist die Lage auf der konfliktbeladenen Insel Mindanao im Süden der philippinischen Inselwelt. Ein seit Jahrzehnten schwelender Bürgerkrieg soll mehr als 120.000 Opfer gefordert haben. Im Wahlkampf bekundete Duterte seine Entschlossenheit, das Autonomieabkommen für Mindanao (2014) in die Praxis umzusetzen. Ein tragfähiger Frieden dort gilt als Voraussetzung um das Wirtschaftspotential der rohstoffreichen Insel in Angriff nehmen zu können. Investoren aus China, Japan und USA stehen bereits Schlange. 

Geopolitischer Kontext

Rodrigo Dutertes außenpolitische Stellungnahmen werden in Washington und Beijing aufmerksam verfolgt. Duterte könnte neue Akzente setzen und den anti-chinesischen Konfrontationskurs von Benigno Aquino durch eine pragmatische China-Politik ersetzen. So signalisierte der frischgewählte Staatspräsident seine Bereitschaft zum politischen Dialog mit Beijing. Souveränitätskonflikte im Südchinesischen Meer überschatten die Beziehungen zwischen ASEAN-Anrainerstaaten und China. Besonders Manila und Hanoi haben sich mit Unterstützung Washingtons gegen Beijing in Stellung gebracht und Chinas maritime Gebietsansprüche auf die Inselgruppen Spratley und Paracelsus mit (vermutlich) immensen Erdölvorkommen energisch zurückgewiesen.

Neue China-Politik?

Dutertes Amtsvorgänger Benigno Aquino positionierte die Philippinen zu einem geopolitischen Brückenkopf im Konflikt gegen China - begleitet von lautstarker Rhetorik. Zwei Jahrzehnte nach Räumung der Militärbasen Clark und Subic Bay ist amerikanisches Militär wieder auf den Philippinen präsent. Dutertes Motiv einer pragmatischen Chinapolitik geschieht nicht ohne Hintergedanken. Jenseits maritimer Souveränitätskonflikte rangiert China nach Japan, USA und EU als viertgrößter Handelspartner der Philippinen. Dutertes Werben um Chinas Investitionen für Infrastruktur-Projekte und verstärkte Handelsbeziehungen könnte auch ein Gegengewicht zum wachsenden Einfluss der USA bewirken.

Washington wird sich auf neue diplomatische Töne in Manila einstellen müssen. Die antichinesische Hysterie von Amtsvorgänger Aquino wird Duterte womöglich nicht übernehmen. Eine Einladung von US-Botschafter Philip Goldberg (fließend Spanisch sprechend) schlug Duterte im Wahlkampf aus. Nach seinem Wahlsieg erfolgte hingegen ein Gespräch mit Chinas Botschafter in Manila. Das Ostasien-Gipfeltreffen in Vientiane/Laos im September 2016 und der ASEAN-Vorsitz, den Manila 2017 übernimmt, werden offenbaren ob Duterte als Elefant im Porzellanladen auftritt oder sich als Pragmatiker in Szene setzt.

Aufstieg eines Außenseiters

Mit Rodrigo Dutertes Wahlsieg 2016 rückt in Südostasien nach Joko Widodo in Indonesien (2014) nun ein zweiter Lokalpolitiker als Außenseiter in ein Präsidentenamt. Zwei Politiker mit einer ähnlichen politischen Karriere: der Sprung vom Bürgermeisteramt (Widodo in Surakarta und Jakarta, Duterte in Davao) ins höchste Staatsamt. Beide waren bei Amtsantritt ohne politische Erfahrungen auf nationaler Ebene. Eine dritte Gemeinsamkeit wird zwischen Duterte und Widodo offenbar werden: ohne Unterstützung von Teilen des Establishments ihrer Länder werden populistische Wahlversprechen in der politischen Praxis nicht umzusetzen sein.

Der neue Präsident der Philipinnen, Rodrigo DuterteIst der neue Präsident der Philipinnen, Rodrigo Duterte, ein neuer Autokrat? (Foto: Keith Kristoffer Bacongco, CC BY 2.0)

Ein neuer Autokrat?

Politische Kommentare zeichnen Duterte bereits als neuen Autokraten, der in die Fußstapfen des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos (1965-1986) treten könnte. Duterte will wieder die Todesstrafe einführen und im Kampf gegen Drogenhandel und Kriminalität mit eiserner Faust  durchgreifen. Kriminalität gehört auf den Philippinen seit Jahrzehnten zum Alltag. Menschenrechtsverletzungen, Ermordungen regimekritischer Journalisten und Gewerkschafter ebenso. Dutertes harter Kurs mag in der breiten Bevölkerung Applaus finden, seine angedrohte Verfassungsreform wird auf Widerstand der politischen Eliten stoßen. Nach den Wahlen haben sich wieder Vertreter etablierter Familiendynastien in Senat, Kongress und Provinzparlamenten positioniert. Dort sitzen Dutertes innenpolitische Widersacher. 

Machtpolitische Stolpersteine

Dutertes angedrohte Verfassungsreform könnte seine Karriere als 16. Präsident der Philippinen vorzeitig beenden. Eine bundesstaatliche Verwaltungsstruktur soll Macht und Finanzmittel von Manila in die Provinzen verlagern. Hier erweist sich Duterte als naiv. Dezentralisierung wird politische Macht lokaler und regionaler Politikdynastien konsolidieren, nicht schwächen. Dutertes Drohung einer Auflösung des Parlaments (Kongress) wird zudem auf massiven Widerstand betroffener Abgeordneten stoßen, die gesamte politische Elite des Landes rebellieren und alle Register ziehen, um ihre Entmachtung zu verhindern.

Machtverlust durch Amtsenthebung

Duterte selbst könnte dann politisch entmachtet werden: durch ein Amtsenthebungsverfahren. Nach der Verfassung ist das Parlament die Anklageinstanz. Sollte Duterte abgesetzt werden, würde Vizepräsidentin Maria Robredo (52) ins Präsidentenamt aufrücken. Die Sozialaktivistin ohne Hausmacht in Manila wäre damit eine Wunschkandidatin herrschender Oligarchien im Inselstaat. Schon einmal ereilte einem philippinischen Präsidenten die erzwungene Entmachtung: der Außenseiter und Ex-Filmschauspieler Joseph Estrada (damals 64) wurde wegen massiver Korruptionsvorwürfe mit einem Amtsenthebungsverfahren 2001 aus dem Präsidentenamt gejagt und durch Vizepräsidentin Gloria Arroyo als Staatsoberhaupt ersetzt.

Machtpolitische Realitäten

Radikaler Wandel? Der ist jenseits markanter Duterte-Sprüche nicht erkennbar. Dutertes  personalpolitische Entscheidungen - soweit bekannt - lassen noch keine fundamentalen Veränderungen der sich über Jahrzehnte verfestigten Machtkonstellation auf den Philippinen erkennen. Neben ehemaligen Mitstreitern aus Mindanao sollen auch Vertreter der
Linken Regierungsposten übernehmen. Daneben tauchen auch Namen aus der Administration  von Gloria Arroyo (Staatspräsidentin 2001-2010) auf. Arroyo stammt selbst aus einer politischen Dynastie, ihre erfolglose Regierungszeit wurde von Korruptionsskandalen begleitet. Und somit sitzen sie 2016 wieder gemeinsam in einem Boot: Mitglieder der alten Oligarchien und Familiendynastien mit einem lautstarken Außenseiter aus der Provinz, dessen populistische Wahlkampfversprechen an den machtpolitischen Realitäten scheitern werden.               

Wilfried Arz ist Politikwissenschaftler in Bangkok/Thailand.

Philippinen Asien

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