Margot Kaessmann und der Wein der evangelischen KircheEVANGELISCHE KIRCHE

Margot Käßmann und die Weinberge des Herrn

Als sie noch EKD-Ratsvorsitzende und Bischöfin in Hannover war, hat Margot Käßmann bedauert, dass es in ihrer Kirche keinen Weinberg gibt. Aber Hannover ist nun mal für den Rebenanbau nicht sonderlich geeignet. Andere Landeskirchen hätten eigene Weinlagen, beklagte die bekannteste Kirchenfrau Deutschlands. Das Eurasische Magazin ist der Frage nachgegangen, wie es um die Weinberge des Herrn wirklich bestellt ist.

Von Hans Wagner

Margot Käßmann hat ihre Sehnsucht nach Wein in die Worte gegossen: „Die  hannoversche Landeskirche ist die für mich wunderbarste in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es fehlt ihr nur ein Weinberg, wie ihn andere Landeskirchen haben.“ Der Text erschien unter dem Titel „Mein Wein“ als Namensbeitrag für die „Hannoversche Allgemeine“ (HAZ) und war gezeichnet mit „Margot Käßmann, Landesbischöfin“.

Man schrieb den 29. November 2008. Die Lese in den Weinbergen war schon eine ganze Weile beendet und landauf, landab hatte der Rebensaft begonnen in den Winzerkellern zu vergären. Es waren noch gute 20 Monate hin bis zum Rücktritt der Bischöfin und Ratsvorsitzenden der EKD im Februar 2010.

Zur Erinnerung: Der 20.02.10  war das Datum, an dem die Vorzeigefrau der evangelischen Kirche mit 1,54 Promille Alkohol im Blut von einer Polizeistreife gestellt wurde, weil sie mit ihrem Dienstwagen eine rote Ampel missachtet und volltrunken über die Kreuzung gefahren war. Ihre Auskunft gegenüber den Beamten, sie habe nur „ein Glas Wein“ getrunken, wurde oft zitiert. Geglaubt hatte ihr das natürlich niemand.

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Margot Käßmann: „Wein ist Teil des Lebens“

Margot Käßmann ist bekennende Weintrinkerin. In dem Namensbeitrag für die HAZ hatte die Bischöfin geschrieben, welche Weine ihr am besten munden: „Grauer Burgunder, Pinot Grigio, Riesling.“ Insofern war ihr Stoßseufzer mit Blick auf die Weinberge der anderen Kirchen nachvollziehbar. Ein guter Tropfen aus dem Weinberg des Herrn im eigenen Beritt, der fehlte ihr.

Für edle Weine aus fränkischem Anbau machte Margot Käßmann seinerzeit sogar Reklame. Sie führte ihre Leser in dem Zeitungsbeitrag direkt zum Lieblingswinzer: „Die Weinprobe bei einer Kollegin hat mich überzeugt von deutschen Frankenweinen. Da gibt es beispielsweise den Cyriakus Cuvée vom Weingut Paul Streng aus Sulzfeld am Main, der kommt im Bocksbeutel daher, ist aber leicht und fröhlich – auch in der Aufmachung.“

Die Bischöfin und der fröhliche Weinberg: Als sie in der HAZ von ihren Lieblingskreationen berichtete, war die Weinwelt für sie noch in Ordnung. So offenbarte sie auch, wie sie den Genuss des Weines  schätzen lernte, wie ihr die ersten Weihen des berauschenden Getränks zuteilwurden: „Bei zwei Schüleraustauschprogrammen mit Frankreich lernte ich: Wein ist Teil des Lebens, aber in Maßen zu genießen, nicht zum Betrinken. Schon die Bibel warnt ja vor Trunkenheit.“

Na ja, an die Bibel hielt sich die Weinliebhaberin Käßmann dann doch nicht – die von ihr zitierte Warnung hatte sie vor dem vollen Glas vergessen. (Quelle der Zitate und für weitere 36 Seiten zu Margot Käßmanns Frömmigkeit und Weingenuss, sowie 28 Seiten zu Luthers Einstellung zum Alkohol im Buch „Neben Ich. Wieviele sind wir wirklich? Das Buch das weiter fragt“.

Die dünne Spur des Weins in der Evangelischen Kirche

Bei dem neidvollen Hinweis auf die Weinberge der anderen Landeskirchen durch Ex-Bischöfin Käßmann war wohl vor allem die Lust Mutter des Gedankens. Denn was Rebflächen und Wein anlangt, ist die EKD in den meisten Landesteilen in Wahrheit arm wie eine Kirchenmaus. Ihr wachsen die Weinberge keineswegs in den Himmel, das ist nicht nur in Hannover so.

Von den 20 evangelischen Gliedkirchen in Deutschland haben nach eigenen Angaben 13 überhaupt keine Weinberge. Bei den verbleibenden sieben gab oder gibt es eine gewisse Beziehung zu Rebflächen. Das sind die evangelischen Kirchen von Baden, Bayern, Hessen-Nassau, der Pfalz, des Rheinlandes, von Sachsen und Württemberg. Innerhalb dieser Kirchenverbände wurden aber nur ganze zwei Gemeinden gemeldet, die auch wirklich aktiv Weinbau auf ihren Weinbergen im Kirchenbesitz betreiben: in Franken und an der Mosel. In anderen Gemeinden sind Rebflächen, die der Kirche gehören, in der Regel an weltliche Winzer verpachtet.

Mit der Säkularisation gingen auch die Weinberge verloren

Vor der Säkularisation war das anders. Die so bezeichnete staatliche Einziehung kirchlicher Besitztümer, Ländereien und Vermögen erfolgte europaweit im 16. und 17. Jahrhundert, nach Reformation, Bauernkriegen und 30jährigem Krieg in Schüben. Davor war die Kirche Großgrundbesitzerin. Bischöfe, Klöster, Domherren und Orden hatten riesige Ländereien mit Ackerflächen, Wäldern und Weinbergen, in denen leibeigene Untertanen Frondienste verrichteten.

Nach der Säkularisation blieben davon nur Reste übrig. Allerdings bekommen die Kirchen auch heute noch immer Ländereien geschenkt. Sie werden jedoch, wie auch die Weinberge, im Allgemeinen von Pächtern bewirtschaftet.

Die evangelische Kirche Sachsens legt einen neuen Weinberg an

In Sachsen gibt es zum Beispiel auf dem Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in der Kirchgemeinde Diesbar-Seußlitz einen Weinberg. Auch er wird von der Kirche nicht selbst bewirtschaftet, sondern von einem Pächter. Der erntet die Reben, keltert sie und baut die Weine in seinen Kellern aus. Auch der Verkauf obliegt den kirchlichen Angaben zufolge ausschließlich dem Pächter. Allerdings bekommt die Kirchgemeinde „als Pacht einen Anteil des Ertrages, der dann als Abendmahlwein mit verwendet wird“, so die Auskunft des kirchlichen Grundbuchamtes in Dresden.

Derzeit werden die Rebflächen in Sachsens evangelischer Kirche noch ein wenig ausgeweitet. In Meißen, einem traditionellen Weinbaugebiet, in dem schon vor tausend Jahren der Bischof Weinberge bearbeiten ließ, wird diese Tradition wieder aufgenommen. In der „Trinitatiskirchgemeinde Meißen-Zscheila wird derzeitig ein Weinberg angelegt, der aber ebenfalls verpachtet ist“, teilt das Kirchenamt mit.

In Baden betreibt ein Pfarrer Handel mit „Kirchenwein“

Weiter im Süden, im sonnenverwöhnten Baden, wachsen Grauburgunder, Weißburgunder und Spätburgunder auch auf kirchlichen Grundstücken.  Die Evangelische Landeskirche in Baden betreibt sogar einen Handel mit diesen Tropfen, die sie als „Badische Kirchenweine“ verkauft. In ihrem Prospekt, mit dem die Kirche diese Weine anbietet, heißt es: „Die Evangelische Landeskirche in Baden präsentiert stellvertretend für die vielen regionalen Weine die drei klassischen badischen Rebsorten Grau-, Weiß- und Spätburgunder als ihre Kirchenweine, um damit die Arbeit der Winzerinnen und Winzer, der Weingüter und Winzergenossenschaften zu würdigen.“  (Bezugsmöglichkeit: hermann.witter@ekiba.de).

Aber diese Kirchenweine kommen gar nicht aus den Weinbergen des Herrn. Pfarrer Hermann Witter, der das Weingeschäft von Karlsruhe aus organisiert, sagt dazu, dass die Evangelische Landeskirche in Baden „definitiv“ keinen Weinberg bewirtschaftet. In ihrem Besitz befinden sich zwar Weinberge, aber diese sind, wie auch in Sachsens evangelischer Kirche und anderen Landeskirchen, an weltliche Winzer verpachtet.

Von Pfarrer Witter ist zu erfahren, dass die Weinberge von der die Kirchenweine kommen, in Eichstetten am Kaiserstuhl liegen. Der Ort nennt sich selbst eine „der schönsten Gemeinden am Kaiserstuhl“, und  seine Weinlagen am ehemalige Vulkanberg sind ganz sicher ein begnadetes Rebenanbaugebiet.

Evangelischer Weinvertrieb aus Nächstenliebe

Die Kirche vertreibe die Weine lediglich, sagt Witter. Sie „werden von Privatwinzern und einer Winzergenossenschaft gekauft und dann als Eigenmarke angeboten“, erklärt er dazu gegenüber dem Eurasischen Magazin. Es sei „eher auszuschließen, dass der Grauburgunder und der Spätburgunder von einem verpachteten kirchlichen Weinberg stammt. Das hängt u. a. damit zusammen, dass die Kirche in Eichstetten wenig Besitz hat.“ Beim Weißburgunder sei es dagegen so, dass die „Winzergenossenschaft in Aggen (Markgräfler Land), von der der Weißburgunder stammt, ein größeres Einzugsgebiet umfasst und dort möglicherweise Winzer abliefern, die ein kirchliches Grundstück gepachtet haben. Ob aber unser Weißer Burgunder von einem solchen Weinberg stammt, entzieht sich meiner Kenntnis, weil nicht bekannt ist, welche Rebsorte auf welchem kirchlichen Grundstück angebaut wird.“

Um die Spur des evangelischen Weines zweifelsfrei verfolgen zu können, müsste man Einblick in amtliche Unterlagen nehmen. Dafür wäre es erforderlich, das staatliche Weinbaukataster heranziehen. Es ist also gar nicht so einfach, den Weinbergen des Herrn nachzuspüren, die seinerzeit die Phantasie der Bischöfin Käßmann angeregt hatten.  

In jedem Fall aber  hat die badische Landeskirche „eine eigene Kirchenweinlinie im Angebot“, wie Pfarrer Witter erklärt. „Das bedeutet, sie kauft Wein von badischen Winzern und Winzergenossenschaften auf und ediert diesen mit einem Eigenetikett.“ Dabei sei „nicht auszuschließen, dass dieser Wein auch als Abendmahlswein verwendet“ werde, meint Witter.

Die Frage, warum die evangelische Kirche in Baden eine eigene Weinlinie vertreibt, ohne von eigenen Weinbergen zu ernten, liegt nahe. Pfarrer Witter hat sie beantwortet. Die badische Landeskirche unterstütze mit dem Weinverkauf „die Winzerinnen und Winzer, bzw. die Landwirtschaft“ im Bereich der Kirche. Und diese Unterstützung sei durchaus im biblischen Sinn zu verstehen: „Zum einen drücken wir dadurch aus, dass die Kirche die Arbeit der Winzerinnen und Winzer schätzt und deren Produkt, den Wein, als Gabe Gottes würdigt. Neben dieser fast pathetisch anmutenden Begründung geht es aber auch um tatsächliche Solidarität im biblischen Sprachgebrauch: Nächstenliebe mit den Menschen, die in den Weinbergen (Gottes) arbeiten, mit den Verantwortlichen in den Winzergenossenschaften und den Weingütern.“

Erlös von 5.000 Flaschen Wein für Familien in Not

Soweit die Begründung von Pfarrer Hermann Witter für den Weinhandel seiner Kirche. Das sei allerdings noch nicht alles. Witter nennt auch Zahlen und offenbart den Verwendungszweck der Einnahmen aus dem kirchlichen Weinhandel. Jährlich würden zwischen 3.000 und 5.000 Flaschen verkauft.  „Mit dem Erlös“, so Witter, „tragen wir, außerhalb unseres Haushaltes, zur Finanzierung von ‚Familie und Betrieb‘, der landwirtschaftlichen Familienberatung der Kirche in Baden bei.“ Diese Beratungseinrichtung leiste „einen segensreichen Dienst für alle ratsuchenden Bäuerinnen und Bauern, indem sie sich der Menschen auf den Höfen annimmt, die unter Generationen-, Familien- und Ehekonflikten leiden.“

Konkret heißt das, dass die Kunden der badischen Kirchenweinlinie damit die Ausbildung von landwirtschaftlichen Familienberaterinnen ermöglichen. Für sechs solcher Helferinnen habe man durch den Weinverkauf die Ausbildung teilweise finanzieren können. Ab April nächsten Jahres versehen laut Pfarrer Witter die Frauen, nachdem sie „in einem ökumenischen Gottesdienst für ihren Dienst zugerüstet und entsandt“ sind, ihre Aufgabe. Zufrieden konstatiert Weineditor Witter: „Man sieht, mit gutem Wein kann man viel Gutes im Sinne des Evangeliums leisten.“ – Dass sich Bischöfin Käßmann seinerzeit gerade einen solchen Weinberg gewünscht hatte, der sozialen Zwecken zugutekommt, ist eher unwahrscheinlich.

Verbindung von Altar und Pokal

In der benachbarten Pfalz wird weniger Aufhebens um die Weinberge des Herrn gemacht. Dort geht es eher weltlich geschäftsmäßig zu.

Das Weinbaugebiet der Pfalz umfasst neben Rheinhessen die größte Rebfläche in Deutschland. Die meisten Gemeinden der evangelischen Landeskirche der Pfalz liegen im Weinbaugebiet, das etwa 23.000 Hektar umfasst. Die „Hauptverwaltung des Protestantischen Kirchenvermögens der Pfalz“ weist für die Kirche eine Fläche von rund 2.500 Hektar Grundbesitz aus, davon seien etwa neun Prozent weinbaulich genutzt. Das heißt, gut 220 Hektar der 23.000 Hektar Weinfläche gehören der Kirche. Auch in der Pfalz sind die Wingerte, wie man vor Ort zu den Weinlagen sagt, meistens verpachtet und werden durch Weinbaubetriebe außerhalb der Kirche genutzt.

Die evangelische Kirche im Rheinland hat ebenfalls Rebflächen in Besitz. Vor allem die südlichen Bereiche des Kirchengebietes gehören zu bekannten Weinbaugemeinden. Dennoch ist von einer Eigenbewirtschaftung durch Pfarrherren oder kirchliche Einrichtungen in der evangelischen Liegenschaftsabteilung nichts bekannt.

Und doch: Die rheinische Landeskirche dehnt sich auch über Gebiete an den Rhein-Nebenflüssen Mosel und Nahe aus. Und hier nun gibt es einige Besonderheiten historischer und personeller Art, was die Nutzung und Bewirtschaftung der Weinberge betrifft.

Im Kirchenkreis Simmern-Trarbach zum Beispiel gibt es das Kirchenweingut Wolf an der Mosel, das früher der Kirchengemeinde Wolf gehörte, mittlerweile aber auch privat bewirtschaftet wird. Gegründet wurde es einst im 15. Jahrhundert von einer Laienbruderschaft „des gemeinsamen Lebens“.  Deren Kloster lag hoch über dem Ort Wolf.

Die Brüder lebten auf dem Klosterberg von der Landwirtschaft und bauten Wein an. Ihren Keller für den Ausbau der Rebensäfte errichten sie jedoch drunten im Dorf.

Nach knapp hundert Jahren, während der Reformation, wurde die Bruderschaft aufgelöst. An ihrer Stelle übernahm nun die neu gegründete evangelische Kirchengemeinde die Rebflächen. Sie baute sich ein eigenes Gotteshaus und zwar genau über dem Gewölbe-Weinkeller der aufgelösten Bruderschaft. So kommt es, dass das Kirchengut Wolf den einzigen bekannten Weinkeller besitzt, der unter einem Sakralbau liegt. Er befindet sich direkt unter dem Chor der Kirche und stellt somit die ideale Verbindung von Altar und Pokal dar, so wie sie sich Margot Käßmann vorgestellt haben mag. Viele der evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises beziehen von dort ihren Abendmahlswein.

Seit gut einem Jahrzehnt bewirtschaftet der ortsansässige Winzer Markus Boor das traditionsreiche Kirchengut. Er hat den Betrieb auf ökologische Wirtschaftsweise ausgerichtet und sich dem Bioverband Ecovin angeschlossen. Auf den Rebflächen, die insgesamt etwas mehr als vier Hektar umfassen, gedeihen Lagen mit beziehungsreichen Namen wie Goldgrube, Klosterberg und Schatzgarten. Im alten Gewölbekeller werden Riesling, Rivaner, Weißburgunder, Merlot, Dornfelder und Spätburgunder ausgebaut. Informationen unter www.kirchengut-wolf.de.

Der Konfirmanden-Weinberg von Enkirch an der Mosel

An der Mittelmosel liegt das Weindorf Enkirch. Hier in einem milden Weinklima ist uraltes Siedlungsgebiet. Die historischen Quellen reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück. Schon die Kelten hatten sich hier angesiedelt, ehe sie germanischen Stämmen weichen mussten. Fachwerkbauten, alte Wein-Adelshöfe und eine schmucke Kirche in der Mitte prägen heute das Ortsbild. Das Kirchengebäude steht erhaben dort, wo sich in vorchristlicher Zeit ein keltisches Heiligtum befunden hatte.

„Die Pfarrei Enkirch wurde von merowingischen Frankenkönigen gegründet und mit Weinbergen und Gütern als königliches Lehen ausgegeben“, kann man in den Chroniken lesen. Kirche und Wein gehören seit Jahrhunderten zusammen. In Enkirch ist die Verbindung ganz besonders eng. Schon der Nachwuchs, der den Kindergottesdienst  besucht, wird zu „Jüngerwanderungen“ von Enkirch nach Starkenburg durch die Weinberge geführt, wobei den Kindern biblische Geschichten erzählt werden.

Ältere Kinder, die ins Konfirmandenalter kommen, bearbeiten gar Weinanlagen, die sich in kirchlichem Besitz befinden. Das Projekt nennt sich „Konfiwingert“.  (http://www.ekir.de/enkirch/index.php?id=kundk).

Die Enkircher Pfarrerin Edeltraud Lenz, verheiratet mit dem Kirchentagspastor Joachim Lenz und Mutter von vier Kindern, sagt dazu: „Die Evangelische  Kirchengemeinde Enkirch besitzt noch eigene Weinberge, die aber an Winzer verpachtet sind. Als aber 2007 für eine Steillage kein Pächter gefunden wurde, beschlossen wir…ein Konfirmandenprojekt zu starten: Konfiwingert. Unter sachkundiger Anleitung des „Weinbergskirchmeisters“ (in der Evangelischen Kirche im Rheinland der einzige!) und engagierten Gemeindegliedern, allesamt Winzer oder Winzerfamilien, bearbeitet der jeweilige Konfirmandenjahrgang den Weinberg: Schneiden, Aufbinden, Lese - eben alles, was dazu gehört.“

Etwa 400 Liter Rebensaft werden aus der Ernte im Konfiwingert pro Jahr gekeltert, berichtet die Pfarrerin. Die Ernte werde zum Großteil in Form von Traubensaft getrunken. Edeltraud Lenz: „Da wir keinen Wein, sondern Traubensaft produzieren, lassen wir das machen. In guten Jahren wird ein kleiner Teil zu „Konfiwein“ ausgebaut und ist vor der Konfirmation von den Familien der Konfirmanden zu kaufen; dieser Wein wird vom Wingertskirchmeister gekeltert und ausgebaut.“

Auf die Frage, ob der Rebensaft auch als Abendmahlswein diene, antwortete die Pfarrerin dem Eurasischen Magazin: „Unser Traubensaft wird bei den Seniorengeburtstagsbesuchen den Jubilaren geschenkt. Jede Flasche trägt ein Etikett, das das Bild des jeweiligen Konfirmandenjahrgangs zeigt. Über dieses Geschenk freuen sich die Jubilare sehr! Darüber hinaus verbrauchen wir den Saft auch beim Abendmahl; manche Gemeinden kaufen auch den Traubensaft für das Abendmahl bei uns.“

Sogar Besucher Enkirchs können evangelischen Rebensaft kaufen und sich daran laben. Aber ein Geschäft sei das nicht. Dazu die Pfarrerin: „Wir verkaufen den Traubensaft nicht im großen Stil, dazu produzieren wir zu wenig! Interessenten können gegen 2,50 Euro in der Touristinformation den Saft erwerben. Ein Gewinn in materieller Hinsicht ist dieses Projekt sicher nicht- meistens decken wir gerade unsere Kosten! Aber in unserer Konfirmandenarbeit ist es unverzichtbar geworden, da hier sowohl bibl. Inhalte(z.B. Jesaja  5:das Weinbergslied, Gen.: Noahs Weinberg, im NT :“Ich bin Worte“ Jesu) als auch die Tradition der Region und der Gemeinschaftsaspekt vermittelt werden.“

Oppenheimer Sackträger aus evangelischen Weinlagen

Auch die evangelische Gliedkirche in Hessen und Nassau hat Weinberge in einzelnen Gemeinden, zum Beispiel einige Rebflächen „in rheinhessischen Spitzenlagen um Oppenheim“, wie Dr. Joachim Schmidt von der zuständigen Kirchenverwaltung erklärt. Er ist Pfarrer, Oberkirchenrat und Leiter Stabsbereich Öffentlichkeitsarbeit. 

Wie die Kirche dazu gekommen ist, erläutert  Schmidt ebenfalls.  Demnach sind der Kirche diese Rebflächen  „Ende des 19. Jahrhunderts durch Schenkung und Erbschaft übertragen wurden“. Genaueres ließe sich leider nicht mehr feststellen, weil alle Unterlagen bei der völligen Zerstörung der Darmstädter Kirchenverwaltung 1944 vernichtet worden seien.

Schmidt führt aus, dass die Kirche „bis etwa zum Jahr 2000“ den Wein auch selbst ausgebaut habe. „Seitdem“, so der Pfarrer, „sind die Flächen an das renommierte Weingut Manz in Weinolsheim verpachtet, das in unserem Auftrag und auch unter unserem Label die Weine herstellt und vermarktet“ (www.manz-weinolsheim.de).

Martina Manz vom Weingut hat die evangelischen Rebflächen Rheinhessens näher beschrieben. Demnach liegen die Weinberge der evangelischen Kirche Hessen und Nassau in Oppenheim, Dienheim und Nierstein, also in bekannten Weinlagen, die weithin einen Ruf haben. Die einzelnen Lagen heißen Oppenheimer Herrenberg, Oppenheimer Sackträger, Dienheimer Falkenberg, Niersteiner Hipping und Oppenheimer Schloss. Die Fläche der Kirchenweinberge beträgt etwa 3,5 Hektar. Ein Hektar erbringt von Jahr zu Jahr zwischen 30 und 50 Hektoliter. Das sind in guten Jahren also rund 17.000 bis 18.000 Liter Wein. Dabei handelt es sich um Spitzenlagen. Martina Manz: „Einige Kirchengemeinden nehmen den Wein als Abendmahlswein oder statten ihn mit einem individuellem Etikett aus. Der Wein wird bei uns ab Weingut oder im Weinkeller in Darmstadt verkauft. Ein trockener Riesling Kabinett, 0,75 Liter, ist für 4,90 Euro, die Spätlese für 6,50 Euro zu haben.“

Württembergs evangelische Weinkultur ist bescheiden

In Württemberg, dem östlichen Gebiet Baden-Württembergs, wird der Landbesitz der evangelischen Kirche von der  „Pfarreistiftung“ verwaltet. In ihrer Obhut befinden sich knapp zwei Hektar landwirtschaftliche Flächen, die für den Weinbau genutzt werden. Der zuständige Oberkirchenrat Jürgen Knittel aus dem Referat „Immobilienwirtschaft und Pfarrgutsverwaltung“ teilt mit, die Reblagen seien auf mehr als zehn Grundstücke verteilt. “Sämtliche Flächen sind verpachtet. In die Vermarktung der erzeugten Weine ist ‚die Kirche‘ nicht involviert.“

Im Gegensatz zum westlichen Landesteil Baden, in dem die evangelische Kirche durch Pfarrer Hermann Witter (siehe oben) einen schwunghaften Weinhandel betreibt, ist die württembergische Schwester also vergleichsweise abstinent.

Ökumenischer Kirchenwein in Franken

Ganz anders geht es im sinnenfrohen Franken zu. In diesem Teil der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns wird Wein angebaut, genossen, verkauft, und es wird hinter der Kirche auch mal kräftig gefeiert und gebechert.

Der „Pfründestiftungsverband“ der evangelischen Kirche in Bayern, der die Kirchengrundstücke verwaltet, hat 1.886 Pfründestiftungen verzeichnet. „Die Pfründestiftungen der evangelischen Kirchengemeinden bestehen mit Schwerpunkt in den Gegenden, in denen seit der Reformation durchgängig evangelische Pfarreien vorhanden waren. Diese Pfründestiftungen hatten Äcker, Wald und Wiesen, von deren Ertrag der Pfarrer lebte. Heute verwaltet die Landeskirche das Vermögen der Pfründe vor Ort und verwendet deren Ertrag zur Besoldung der Pfarrerinnen und Pfarrer“, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Verwaltet würden momentan 119 Häuser zusammen mit rund 7.000 Hektar Wald, Wiesen und Äcker, die von knapp 3.900 Pächtern bearbeitet werden.

Und die Weinberge? Dazu ist vom zuständigen Leiter des Pfründestiftungsverbandes Jörg Heinzler zu erfahren, dass vier der 1.886 Pfründestiftungen Rebflächen ausweisen mit einer Gesamtfläche von 2,64 Hektar. Heinzler:  „Fast alle Weinlagen sind an private Weinbauern verpachtet, mit Ausnahme der Weinberge im unterfränkischen Weinort Rödelsee. Diese werden von der Kirchengemeinde selbst bewirtschaftet.“

In Rödelsee also, hier kelterte bis vor kurzem der Pfarrer noch persönlich. Wolfgang Popp von  der evangelischen Kirche in Rödelsee hatte sich als Hobbywinzer betätigt. Das „Evangelische Sonntagsblatt“ berichtete in seiner Ausgabe 39/2003:  „Einmal im Monat geht Wolfgang Popp zum Winzerstammtisch. In gemütlicher Runde fachsimpelt er mit anderen über Weinbau. Ob geänderte Vorschriften für Spritzmittel oder neue Rebsorten - für genug Gesprächsstoff ist gesorgt.“

300 Liter baute Pfarrer Popp selbst in Fässern im Pfarrhauskeller aus. „Die edlen Tropfen verwendet er abgefüllt auch als Abendmahlswein“, schrieb seinerzeit Günter Saalfrank im Sonntagsblatt.

Sein Nachfolger heißt Jan Peter Hanstein. Er erzählt über die kirchlichen Weinberge: „Wir haben drei Weinbergsgrundstücke von dem Pfründestiftungsverband zurückgepachtet. 0,5 ha mit Müller-Thurgau an der Schwanleite, zwei Mal jeweils 0,25ha  Silvaner am Küchenmeister.“

Der Rödelseer Küchenmeister ist eine recht bekannte Weinlage am Westhang des Schwanbergs, aus der ein süffiger Silvaner kommt. Der Silvaner ist die für das Land typische traditionelle Frankenrebe.

Die Trauben der Kirche werden in der Winzergemeinschaft Franken (GWF) abgeliefert, in der weit über 2.000 fränkische Winzer zusammengeschlossen sind. Pfarrer Hanstein: „Wir haben Arbeitsverträge mit Bearbeitern abgeschlossen und sind sogenannte Traubenlieferanten bei der GWF Franken.“

Über zehn Tonnen Trauben ernten die fränkischen Kirchenwinzer von den Rebflächen: 6.100 Kilo vom Müller-Thurgau und 5.200 Kilo vom Silvaner. Der Wein wird teilweise auch von der Kirche selbst vermarktet als „Erzeugerabfüllung.“ So geschehen im Jahr 2000 zur Jahrtausendwende.

Zehn Jahre später ließen sich die kirchlichen Pächter im Weinberg des Herrn etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Die Evangelen taten sich mit ihren katholischen Brüdern zusammen und kelterten den ersten ökumenischen Wein: 2.700 Bocksbeutel, die zu 4,80 Euro angeboten und im Nu weg waren.

Den ersten und bislang einzigen „ökumenischen Wein“ erzeugt und verkauft zu haben, konnten  Pfarrer Hanstein und sein katholischer Kollege Bernd Steigerwald damit für sich beanspruchen.

Die Silvaner-Trauben stammten aus den katholischen und evangelischen Kirchenweinbergen der gleichen Lage: „Rödelseer Küchenmeister“.  Sie wurden zu gleichen Teilen gemeinsam gepresst und in einem eigenen Fass abgefüllt. Die 2000 Bocksbeutel wurden als limitierte und nummerierte Erzeugerabfüllung „Erster ökumenischer Kirchenwein Silvaner Kabinett 2010“ durch die beiden Rödelseer Kirchengemeinden „ökumenisch vermarktet.“ Man verwendete den Wein bei der katholischen Eucharistie und dem  evangelischen Abendmahl. Auch bei ökumenischen Veranstaltungen und Festen, wie z.B. der 2. Nacht der Kirchen in Rödelsee, wurde der Wein verkauft und ausgeschenkt. Der Erlös kam beiden Gemeinden zu Gute.

Getauft wurde der ökumenische Tropfen auf den Namen „St. Bartholomäus-Wein“ und wurde ein großer Erfolg.

Die Weinberge von Hannover

Nein, in Hannover gibt es keine Weinberge. In Hannover gibt es zwar eine „Klosterkammer“, in deren Untergliederungen auch Wein verkauft wird, doch die hat mit der Hannoverschen Landeskirche nichts zu tun, wie versichert wird. Das seien, so teilt die Klosterkammer mit, „voneinander getrennte Institutionen“.  Die Klosterkammer in der Eichstraße 4 ist die Niedersächsische Landesbehörde zur Verwaltung von vier öffentlich-rechtlichen Stiftungen.

„Die Klosterkammer Hannover, Landesbehörde und Stiftungsorgan im Dienstbereich des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, vertreibt lediglich ungarischen Rot- und Weißwein auf dem Klostergut in Wöltingerode“, das teilt Kristina Weidelhöfer  mit, die Kommunikationsbeauftrage der Klosterkammer.

Dieses Klostergut Wöltingerode. hat einen Online-Shop eingerichtet, und in dem wäre Margot Käßmann fündig geworden, auch wenn  darin kein evangelischer Kirchenwein angeboten wird.

Der Klosterguts-Administrator hat enge Verbindung zu einem Weinbergbesitzer in Ungarn. Das hat Pressesprecher Johannes Neukirch von der evangelischen Landeskirche in Hannover immerhin auf den Gedanken gebracht, man sollte doch dort mal nachfragen, wenn man nach Kirchenweinen in Hannover suche.

Die ungarischen Rebensäfte sind fromme Tropfen, die aus frommen Lagen kommen. Erhältlich ist zum Beispiel der Rotwein „Himmelspforte Merlot“ mit dem Untertitel „Blaue Kapelle“. Dazu heißt es im Klosterladen Online-Shop: „Das Klostergut Wöltingerode hat in Südungarn, im sonnigen Donautal, einen Weinberg von 15ha gepachtet. Die blaue Kapelle steht direkt über den Weinstöcken am oberen Hang. Es wirkt so, als würde sie das Gedeihen des Weines überwachen und beschützen. Ein guter Tropfen ist also ‚von oben‘ garantiert“.

Ein standesgemäßer Wein demnach, kirchlichen Würdenträgern auch in Hannover angemessen: „Himmelspforte Merlot 2008 - 14,5% vol 0,75L - Fruchtiger, trockener Rotwein herangewachsen im sonnigen Donautal. Dieser Qualitätswein wurde von unserem Partner, dem Weingut Twickel abgefüllt.  Preis: 7,95 Euro, inkl. MwSt. zzgl. Versand“ heißt es im Online-Klosterladen.

Man sitzt nicht auf dem Trockenen in Hannover. Klostergut hin- Klostergut her. Und auch in sieben der evangelischen Gliedkirchen wird, wie gesehen, im Weinberg des Herrn gearbeitet und von seinen Gaben genossen.

Alle anderen evangelischen Kirchen haben mit Wein nichts am Talar. Es mag zwar sein, dass sich in den über 16.000 Kirchengemeinden der EKD noch der eine oder andere Weinberg befindet, von dem Pfründeverwaltungen und der liebe Gott nichts wissen. Aber was Margot Käßmann sich ersehnte, gibt es, wie nun klargeworden sein dürfte, in Wahrheit gar nicht in der Evangelischen Kirche Deutschlands. An welchen Weinberg mag sie wohl gedacht haben?

Die Gliedkirchen der EKD
Die Evangelische Kirche in Deutschland ist der Zusammenschluss der 20 weithin selbständigen lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen in der Bundesrepublik Deutschland. Von der Geamtbevölkerung gehörten Ende 2005 rd. 25,4 Millionen Christen den Landeskirchen mit ihren 16.100 rechtlich selbständigen Kirchengemeinden an.

Die Landeskirchen und Ihre Netzseiten: Quelle EKD: http://www.ekd.de/kirche/kirchen.html

Weitere Informationen:

Im Buch „Neben Ich. Wieviele sind wir wirklich? Das Buch das weiter fragt“. Eine Rezension des Buches finden Sie hier.

Im Netz: Luther-Anschlag vor 495 Jahren – der Reformator und seine Botschafterin Käßmann.

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Sechs Fragen an Margot Käßmann

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