Moskau-Peking: Europa und Asien in einem Zug kennenlernen

Moskau-Peking: Europa und Asien in einem Zug kennenlernen

Dr. Bodo Thöns über die einzigartige Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Zusammen mit Hans Engberding veröffentlichte er das „Transsib-Handbuch“ und in diesem Jahr auch das „Transsib-Lesebuch“. Das Interview führte Hartmut Wagner.

Von Hartmut Wagner

Eurasisches Magazin: Mit der Eisenbahn in einer Woche von Berlin über Moskau nach Peking? Ist das eine endlose Ochsentour oder ein einzigartiges Erlebnis?

Bodo Thöns: Sicherlich findet sich jemand, der eine solche Reise als „Ochsentour“ bezeichnen wird, aber die große Mehrheit ist begeistert und nicht wenige schildern sie als die schönste Urlaubsreise ihres Lebens. Insbesondere die Route Moskau – Peking bietet sowohl auf der Strecke durch die Mongolei über Ulan Baator, als auch auf der Strecke durch die Mandschurei über Harbin die Möglichkeit, Europa und Asien in einem Zug kennenzulernen.

EM: Ist die Reise gefährlich?

Thöns: Organisierte Gruppenreisen deutscher Reiseveranstalter sind in etwa so gefährlich wie eine Kaffeefahrt in die Lüneburger Heide. Da allerdings eine Transsib-Reise länger dauert als ein Ausflug in die Lüneburger Heide, ist sie unter Berücksichtigung des Faktors Zeit natürlich gefährlicher. Wer allein oder in Kleingruppen reist, sollte einfach alle Vorsichtsregeln beherzigen, die er auch auf einer Bahnreise nach Paris oder Warschau im Hinterkopf hat.

EM: Kommt man ohne Russisch- und Chinesischkenntnisse zurecht?

Thöns: In organisierten Gruppenreisen ja, bei individuelleren Touren jein. Reiseführer und Wörterbücher als Orientierungshilfe leisten da aber gute Dienste. Wer sich vorher zumindest ein bißchen mit dem russischen Alphabet beschäftigt - der längere Teil der Reise führt ja meist durch Rußland - hat einfach mehr von der Reise.

EM: Die Strecke der Transsibirischen Eisenbahn Moskau – Wladiwostok ist weit über 9000 Kilometer lang. In welcher Stadt sollte man auf jeden Fall einen Zwischenstopp einlegen?

Thöns: Spitzenreiter des touristischen Interesses ist natürlich Irkutsk samt einem Ausflug zum einzigartigen Baikalsee. Auf Platz zwei und drei folgen Novosibirsk, die Hauptstadt Sibiriens, und die Millionenstadt Ekaterinburg im Uralgebirge. Sehr interessant ist ohne Zweifel Omsk mit seiner malerischen Altstadt. Auch Krasnojarsk am Jenissey, dem wasserreichsten Strom der Erde, sowie Ulan-Ude als eines der Zentren des Buddhismus in Rußland sind einen Besuch wert.

„Die schönste Transsib-Strecke ist mit Sicherheit die Trasse entlang des Baikalufers“

EM: Welcher Schienenabschnitt ist für Leute empfehlenswert, die nur einen Teil der Transsib-Strecke abfahren möchten?

Thöns: Heute assoziiert man mit der Transsib die Strecke von Moskau nach Wladiwostok oder Peking. Abzweigungen von dieser Route, besonders zwischen Wladiwostok und Harbin bzw. Dalian im Nordosten Chinas, sind unter diesem Blickwinkel in Vergessenheit geraten. Ich war kürzlich selbst in dieser Gegend unterwegs und kann nur empfehlen, auch mal diesen unbekannteren Abschnitt der Transsib zu erkunden. Die schönste Transsib-Strecke aber ist mit Sicherheit die Trasse entlang des Baikalufers, insbesondere die historische Nebenstrecke am Nordufer zur Angaramündung.

EM: Was ist die Besonderheit im Vergleich zu gewöhnlichen Zugfahrten?

Thöns: Sie dauert ganz einfach viel viel länger. Von Moskau nach Wladiwostok ist man ohne Aufenthalte sieben Tage unterwegs! Beeindruckende Metropolen wie Moskau und Peking, unterschiedliche Länder und Leute entlang des Schienstranges machen die Fahrt zu etwas Einzigartigem. Phantastische Landschaften wie Taiga, Steppe, der Baikalsee und nicht zuletzt die bunt zusammengewürfelte Reisegemeinschaft im Zug übertreffen meistens alle Erwartungen.

„Derzeit hat man auf dem Landweg noch keine Alternative zur Transsib“

EM: Ist der Osten Rußlands auf dem Landwege überhaupt mit anderen Verkehrsmitteln außer der Transsib zu bereisen?

Thöns: Rußland hat keine durchgängige Straßenverbindung auf seiner Ost-West-Achse. Im Gebiet nördlich des Amurs muß noch eine Verbindungsstraße von etwa 400 Kilometern Länge gebaut werden. Die Arbeiten laufen zwar seit zwei Jahren auf Hochtouren, derzeit hat man aber auf dem Landweg noch keine Alternative zur Transsib.

EM: Wer hat das „Abenteuer Transsib“ Ihrer Meinung nach am besten beschrieben?

Thöns: Diese bis heute längste, durchgängige Bahnreise der Welt wurde bereits mit ihrer Inbetriebnahme zu einem Mythos, der viele Reisende veranlaßte, ihre Erlebnisse und Empfindungen während der Fahrt zu Papier zu bringen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können, sind mir bis heute über 60 Bücher bekannt, die sich dem Thema Reisen mit der transsibirischen Eisenbahn entweder ganz oder mit einzelnen, abgeschlossenen Kapiteln zuwenden. Die Vielfalt der persönlichen Eindrücke und die Beständigkeit des Interesses über das gesamte Jahrhundert ungeachtet der Höhen und Tiefen der Zeitgeschichte brachten Hans Engberding und mich auf die Idee, einige ausgewählte Texte zu einem „Transsib-Lesebuch“ zusammenstellen. Meine Favoriten unter den dort vorgestellten Autoren sind Eugen Zabel (1903) und Peter Fleming (1933). Der deutsche Reiseschriftsteller Eugen Zabel war einer der ersten, der die Route direkt nach der Inbetriebnahme des Regelzugverkehrs befuhr und sie sehr anschaulich beschrieb. Der britische Weltenbummler Peter Fleming, der seinem Bruder Ian übrigens als Vorbild für dessen Romanhelden James Bond diente, schilderte seine einsame Reise durch Rußland nach China mit viel feinsinniger britscher Ironie.

EM: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Eurasien Interview Russland

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