Moskauer Daumenschrauben für LukaschenkoWEIßRUSSLAND

Moskauer Daumenschrauben für Lukaschenko

Moskau will seine Energiesubventionen für Weißrussland komplett streichen. Das träfe die Wirtschaft des Bruderlandes an empfindlicher Stelle. Nach Ansicht von Fachleuten in Moskau könnte eine schwere soziale Krise die Folge sein. Hintergrund für das Vorgehen Russlands scheint die Widerspenstigkeit von Lukaschenko bei den Konditionen zur geplanten Vereinigung mit Russland zu sein.

Von Ulrich Heyden

K reml-Chef Putin legt seinem eigenwilligen Amtskollegen Aleksandr Lukaschenko jetzt die Daumenschrauben an. Wie die Moskauer Zeitung „Kommersant“ unter Berufung auf Quellen im Kreml berichtete, hat der russische Präsident am 9. Mai eine Anordnung unterzeichnet, nach der die Vergünstigungen bei den Energielieferungen nach Weißrussland komplett gestrichen werden sollen. Außerdem will Moskau in Zukunft verhindern, dass Weißrussland billiges russisches Öl weiterverarbeitet, um es dann selbst ins Ausland zu exportieren. Im letzten Jahr lieferte Russland Öl für nur 29 Dollar pro Barrel an weißrussische Raffinerien. Ins westliche Ausland exportierte man für 46 Dollar.

An dem schwunghaften weißrussischen Ölexport verdient der russische Haushalt keine Kopeke. Weil zwischen Weißrussland und Russland eine Zollunion existiert, zahlen russische Ölexporteure bei Lieferungen nach Weißrussland keinen Exportzoll. Moskau fordert von Weißrussland die Hälfte der Exporteinnahmen aus dem Ölexport in dritte Länder. Doch Minsk weigert sich beharrlich.

Das weißrussische Wirtschaftswunder basiert auf billiger russischer Energie

Eine drastische Erhöhung der Energiepreise könnte in Weißrussland zu einer schweren sozialen Krise führen und das Regime des autoritär herrschenden Aleksander Lukaschenko gefährden, meinte Kirill Koktysch vom Moskauer Institut für Auswärtige Beziehungen gegenüber „Kommersant“. Das „weißrussische Wirtschaftswunder“ basiert vor allem auf den billigen russischen Energielieferungen. Mit dem ökonomischen Druck will Moskau offenbar erreichen, dass Lukaschenko von seinen weitreichenden Forderungen beim Vereinigungsprozess mit Russland Abstand nimmt und sich dem russischen Willen unterordnet. Seit 2000 gibt es einen Unions-Vertrag zwischen  beiden Staaten. Der Vertrag ist jedoch nicht mehr als eine Absichtserklärung. Die Verhandlungen über die Angleichung der Wirtschafts- und Finanzsysteme bleiben immer wieder stecken.

Das Verhältnis zwischen den beiden slawischen Brüdern ist höchst wechselhaft. Putin verteidigt Lukaschenko gegen westliche Kritik an den Wahlfälschungen. Andererseits kennt Lukaschenko natürlich seinen Wert. Er weiß, dass Moskau eine bunte Revolution in Weißrussland verhindern will. So führt sich der eigenwillige Selbstherrscher immer wieder auf wie ein ebenbürtiger Partner und tanzt dem Kreml auf der Nase herum. Ab und zu platzt Putin dann der Kragen. Als der russische Gasprom-Konzern im Februar 2004 die Gaslieferungen an Weißrussland für einen Tag einstellte, sprach Lukaschenko von einem „terroristischen Akt“.

In Weißrussland sinkt die Zahl der Vereinigungsbefürworter von Jahr zu Jahr

Mit seiner Eigenwilligkeit riskiert Lukaschenko, dass es nie zu dem erträumten Unions-Staat kommt. In Weißrussland sinkt die Zahl der Vereinigungsbefürworter von Jahr zu Jahr. Während vor sechs Jahren noch die Hälfte aller Weißrussen für eine Vereinigung mit Russland waren, sind es heute nur noch zwischen fünf und sechs Prozent. Wenn die Moskauer Gerüchte stimmen, dass Putin nach dem Ende seiner Amtszeit als russischer Präsident das Amt des Unions-Präsidenten anstrebt, müsste der Kreml etwas für einen Stimmungsumschwung in Weißrussland tun. Hohe Energiepreise würden dagegen das nationale Selbstbewusstsein der Weißrussen stärken.

Russland will ab Anfang nächsten Jahres auch sein Gas nur noch zu Marktpreisen liefern. Gasprom-Sprecher Sergej Kuprianow erklärte Anfang Mai, der Preis werde von 46 Dollar für 1.000 Kubikmeter auf 145 Dollar steigen. Weißrussland will dagegen nicht mehr als 52 Dollar zahlen. Der Gasprom-Sprecher will nicht ausschließen, dass der Preis sogar auf 230 Dollar steigt, wenn es bei den Verhandlungen zu Problemen wie mit der Ukraine komme. Russland verlangt außerdem die Kontrolle über die weißrussischen Pipelines, eine Forderung, die Minsk nicht akzeptiert.

Im Jahr 2005 betrug das Handelsvolumen zwischen Russland und Weißrussland 15,8 Milliarden Dollar. Russland exportierte für zehn Milliarden Dollar vor allem Gas und Elektroenergie und importierte für fünf Milliarden Dollar vor allem Maschinen und landwirtschaftliche Produkte.

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