Offener Brief zum sogenannten Professor Goran JurisicOFFENER BRIEF II

In Sachen Goran Jurišic, „Professor“ aus Kroatien

Von Wolf Oschlies

Liebe Kolleginnen und Kollegen der EM-Redaktion,

V ielen Dank für die Zusendung des Leserbriefs von Goran Jurišić aus Zagreb. Ich teile Ihre Freude, aus dieser Weltecke einmal eine Reaktion zu bekommen, die nicht anonym ist. Zudem ist dem Autor zu seinem exzellenten Deutsch aufrichtig zu gratulieren. Eine Freude ist es dennoch nicht, seinen Brief zu lesen.

Im Grunde tut mir der Mann leid, denn er ist der geborene Verlierer, dem alles misslingt, was er anfasst. Er hat 14 Jahre in Deutschland gelebt, kam dann nach Kroatien zurück, wo er sich – „Professor für Deutsch“, also nach kroatischem Sprachgebrauch Mittelschullehrer – über Jahre hinweg an mehreren Zagreber Gymnasien bewarb und abgelehnt wurde. 2004 kandidierte er für eine Führungsposition im Kroatischen Fernsehen, wo man ihn nicht einmal zu einer Vorstellung einlud, weil er „keine einzige Bedingung erfüllte“. Und ähnliche Fehlschläge mehr, die mein Mitleid wecken könnten.
  
Tun sie aber nicht, weil Goran Jurišić Pressesprecher der „Kroatischen Rechtspartei von 1861“ (HSP-1861) ist. Tiefer geht’s kaum, denn das ist eine jener parlamentarisch bedeutungslosen extremistischen Bewegungen, die der Milošević-Zwilling und Kriegsverbrecher Franjo Tudjman gründen und wirken ließ, um den Ustaša-Boden­satz im souveränen Kroatien besser kontrollieren zu können. Die HSP-1861 führt unter ihren Ikonen Ante Starčević (1823-1896) auf, einen Polit-Clown und Erfinder eines „kroatischen Staatsrechts“, der heute als pathologischer Hasser der Serben („Völkerkehricht“) verehrt wird. 1937 rühmte der HSP-Ideologe Stjepan Buć, „Starčević hat vor 70 Jahren jene Rassenideologie begründet, auf die Adolf Hitler sein Programm für die Wiedergeburt und Organisation des deutschen Nationallebens begründete“.

Der Mann vertritt im Grunde die alte Ustascha-Ideologie

So direkt sagt es die heutige HSP-1861 nicht mehr, feiert auf ihren Web-sites aber Danijel Crljen, den „Goebbels“ des faschistischen „Unabhängigen Staats Kroatien“ (NDH) und hält an der alten Ustaša-Ideologie fest, die Starčević begründete. Goran Jurišić bezeugt es mit allem, was er über Jasenovac schreibt. In den ersten Nachkriegsjahren hat eine jugoslawische Kommission das unvorstellbare Grauen dieses „Balkan-Auschwitz“, das Kroaten vom August 1941 bis April 1945 betrieben, in allen Details dokumentiert. Ich habe diese Dokumentation in großen Teilen übersetzt und veröffentlicht und stütze auf sie alles, was ich über Jasenovac sage. Zudem greife ich zur „Encyclopedia of the Holocaust“ und anderen internationalen Standard­werken, in denen mit akribischer Begründung konstatiert wird, „some six hundred thousand people were murdered at Jasenovac“.

Liebe Kollegen des EM, ich schreibe diese Zeilen nicht, um einen tumben Polit-Zwerg aus Kroatien zu „erledigen“, sondern um unseren Lesern zu demonstrieren, was für eine demagogische Hetze im gegenwärtigen EU-Beitrittskandidatenland Kroatien möglich ist. Dass Goran Jurišić Opferzahlen von Jasenovac auf ein Zehntel, Zwanzigstel der von der internationalen Wissenschaft bestätigten realen Zahlen „herunterrechnet“, ist kroatischer Standard – von Tudjman in seinem unsäglichen antisemitischen Pamphlet „Irrwege historischer Wirklichkeit“ vor 15 Jahren erstmals vorgeführt. Die freche Behauptung von Goran Jurišić, noch niemand habe herausgefunden, wo die Jasenovac-Opfer „begraben“ seien, passt ebenfalls hierher: Dieser Klippschul-„Professor“ will davon ablenken, dass auf dem Gelände von Jasenovac mehrere Ziegeleien arbeiteten, in deren Öfen die Opfer verschwanden – viele bei lebendigem Leibe!

In Kroatien sind Jasenovac-Lügen Teil der Staatsphilosophie

Seit über anderthalb Jahrzehnten sind in Kroatien ungezählte „Experten“ am Werk, über Jasenovac Lügen zu verbreiten, die Pendants der deutschen „Auschwitz-Lüge“ sind. Nominell kann man bei uns für diese bestraft werden, wird es aber so gut wie nie. In Kroatien sind Jasenovac-Lügen Teil der Staatsphilosophie, und eine Strafe riskiert eher der, der diese Lügen „Lügen“ nennt. Es gibt in Europa Staaten – leider immer mehr -, in denen rechtsradikale Idioten ihre Parolen ungestraft herausbrüllen können, aber aus meiner Kenntnis des kroatischen Schrifttums bin ich langsam überzeugt, dass dort die Idioten die überwiegende Mehrheit bilden.
 
Als ich noch in der deutschen Osteuropa-Forschung aktiv war, hat man mir gelegentlich einen „antikroatischen Affekt“ unterstellt. Das stimmte damals nicht und ist bis heute falsch! Ich liebe Kroatien, kenne es sehr gut, bin stolzer Absolvent von Sommerschulen der „Zagreber Slavistischen Schule“ – mit solchem Erfolg, dass mir  Direktor Mladen Kuzmanović (1940-2001) einmal coram publico sagte, ich könne jedes Jahr kommen, Kroatien habe immer Stipendien für Leute wie mich – und ich komme gern in dieses schöne Land bei jeder Gelegenheit zurück.

Darum habe ich frühere Ausfälle von Goran Jurišić gegen mich auch überhört. Er und seine Geistesgenossen vom „Hrvatsko pravo“ (Kroatisches Recht) und anderen kroatischen Pendants des „Stürmer“ hatten mir meine kurze Bemerkung, im EM über Balkansprachen getan, übel genommen, dass Serbisch, Kroatisch, Bosnisch etc. strukturell ein und dieselbe Sprache seien. Kennen diese Halbanalphabeten nicht die Arbeiten ihres großen Landsmanns, des Linguisten Ljudevit Jonke (1907-1979)? Ich bin mit ihnen wissenschaftlich aufgewachsen und habe aus ihnen gelernt, dass sie dieselbe Sprache sind – deren regionale Varietäten minimale, wiewohl charmante Unterschiede aufweisen. Wer (wie ich) die Erkenntnisse Jonkes heute wiederholt, hat den gesamten rechtsradikalen Sumpf Kroatiens gegen sich. Wunderbar!

Die kroatische Meisterschaft zum Selbstbetrug erregt meinen Zorn

Laut einer Repräsentativumfrage von Anfang 2007 kennen „50 Prozent aller Kroaten keine Fremdsprache“. Was ich als nationale Ablehnung der politischen Doktrin von der „grundsätzlichen Verschiedenheit des Kroatischen vom Serbischen“ lese: Würden die Kroaten dem glauben, müssten sie sich kollektiv als drei- oder mehrsprachig deklarieren, weil sie ja problemlos „Serbisch“, „Bosnisch“, „Montenegrinisch“ etc. verstehen, lesen und schreiben können. Aber auf solchen Blödsinn kommen die Kroaten gar nicht, was mich für sie einnimmt.

Was aber meinen Zorn erregt, worüber mit mir nie zu reden war oder sein wird, ist die kroatische Meisterschaft zum Selbstbetrug. Die Kroaten haben die Serben immer gehasst, ausgenommen die Jahre 1918 und 1945, als sie – bis 1918 liebedienerische Untertanen Habsburgs und bis 1945 treue Bürger des faschistischen NDH – durch Serben vor dem Schicksal gerettet wurden, von den Siegern der Weltkriege als herrenloses Gut der Kriegsverlierer behandelt zu werden. Tito machte den „Fehler“, ihnen nichts nachzutragen – was ihm Hetzer wie Goran Jurišić seit Jahren mit Tiraden gegen den „Kriegsverbrecher Tito“ vergelten: „Kroaten sind nicht deshalb gefährlich, weil sie vor nichts zurückschrecken“, sagte der serbische Lyriker Jovan Dučić (1872-1943), „sie sind gefährlich, weil sie sich vor nichts schämen!“ Goran Jurišić ist ein echter Kroate.
 
Und ein sehr dummer Kroate! Er will mir und anderen erzählen, Tito habe „von 1948 bis 1987 das jugoslawische KZ Goli Otok in Betrieb“ gehalten. Tito starb 1980, konnte also nichts „bis 1987 in Betrieb“ halten. Auf der Adriainsel „Goli Otok“ bestand bis 1955 ein Umerziehungs-Lager für jene störrischen Parteimitglieder, die Titos rigorose Abkehr von Stalin nicht mitmachen wollten, abgezählte 35.000 Stalinisten, von denen die meisten vorzeitig – und bekehrt (wie ich aus späteren Gesprächen mit ehemaligen Gefangenen weiß) – entlassen wurden. Wer nicht in der Partei war, hatte von Goli Otok nichts zu befürchten, die überwiegende Mehrheit der Parteimitglieder, die Titos Konfliktkurs gegen Stalin begeistert folgten, auch nicht. Das Lager wurde aufgelöst, als die Sowjets 1955/56 vor Tito zu Kreuze krochen. „Jugoslawisches KZ“ war Goli Otok niemals, bis 1988 bestand es als Hochsicherheitsgefängnis für kroatische Schwerverbrecher.

Nota bene: Ich bin in der DDR aufgewachsen, weiß also, wie „richtiger“ Kommunismus aussieht. Einen solchen gab es in Jugoslawien nie! Was am besten die DDR-Behörden wussten, wenn sie drei Pässe ausgaben – für SW (Sozialistisches Wirtschaftsgebiet), NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) und für Jugoslawien. Letzterer war von allen Pässen am schwersten zu erlangen: Leichter bekam ein DDR-Bürger ein Visum für Washington D.C. als für das „sozialistische Bruderland Jugoslawien“!

Die Lüge von den Bleiburg-Opfern

Die Kroaten wissen, welche himmelschreienden Verbrechen von Jasenovac an ihrem Namen „kleben“, sie suchen krampfhaft Gelegenheiten, Jasenovac gegen anderes „aufzurechnen“, finden sie natürlich nicht, versteigen sich aber in abstruseste Behauptungen. Goli Otok ist eine davon, Bleiburg die schwerere. Ich bewundere die Behörden des Kärntner Städtchens Bleiburg, dass sie seit Jahrzehnten den idiotischen Mummenschanz kroatischer Polit-Narren tolerieren, die in dem Örtchen Monumente errichten, Aufmärsche abhalten und Jahr für Jahr das Blaue vom Himmel herablügen: In Bleiburg sollen im Mai 1945 Tausende, Zehntausende, Hunderttausende „wehrlose Kroaten, vor allem alte Frauen und Kinder“ von Tito-Partisanen umgebracht worden sein. Dieses Märchen erdachte eingangs der 1950-er Jahre der Ustaša-Emigrant Nikica Martinović, der es mit ein paar gleichgesinnten Jugoslawien-Hassern mühevoll in Umlauf setzte. Erfolg hatten sie erst, als der „Staatsgründer“ Tudjman Ende der 1980-er Jahre Kontakt zu dieser Emigration fand und mit deren Millionen den Bürgerkrieg in Jugoslawien mit auslöste, an dessen Ende er mit der Monotonie einer Gebetsmühle erklärte: „Wir haben unser Kroatien“.

Was hatten die Kroaten unter Tito? Eine Goldgrube, aus der sie mit Tourismus, Schiffsbau etc. Milliarden scheffelten. Heute haben sie ein wirtschaftlich ruiniertes, im Ausland mit über 30 Milliarden Dollar verschuldetes, politisch zerrissenes Kroatien, dem Brüssel die kalte Schulter zeigt. Und eben darum haben Grüppchen wie HSP-1861 derzeit eine gewisse Konjunktur.

Details in der fast 50-teiligen Serie über die kroatische Polit-Emigration, die der Zagreber „Vjesnik“ im zweiten Halbjahr 2004 veröffentlichte. Wer Kroatien wirklich übel wollte, würde diese Serie übersetzen und völlig unverändert veröffentlichen – der Effekt für Kroatien wäre verheerend! Ein wahrer Bosnickel könnte sogar prüfen, ob Herr „Professor“ Goran Jurišić eventuell deutscher Staatsbürger ist und ihn dann wegen Volksverhetzung anzeigen. 

Die Forschung hat längst Klarheit geschaffen

Ich werde das nicht tun, auch die antisemitischen Ausfälle von Goran Jurišić gegen die Zagreber Juden bringen mich nicht dazu. Und schon gar nicht sein bei Tudjman abgeschriebenes Geschwätz über Bleiburg. Nicht einmal die schärfsten kroatischen Gegner Titos, Miko Tripalo und andere, wussten etwas von dem angeblich „kroatischen Golgatha Bleiburg“, weil dieses eine Propagandalüge faschistischer Emigranten aus Kroatien war! Als solche längst von der Forschung entlarvt: Kärnten war damals von den Briten besetzt, die mit Titos Partisanen in bestem Einvernehmen standen. Als ein paar Zehntausend Ustaše ins Kärntner Bleibug kamen, hat man sie entwaffnet und den Partisanen übergeben. Die erschossen ein paar Häuptlinge, ließen den Rest unter Bewachung abmarschieren – und das war’s dann auch schon mit dem „kroatischen Golgatha“.

P.S.  Während ich dieses schreibe, denke ich an meinen kroatischen Freund P. der in meiner Heimatregion ein gut gehendes kroatisches Restaurant betreibt. Wie wohl jeder Kroate in Deutschland hat auch er sich nach 1991 von Tudjman ausrauben lassen – enorme „Spenden“ für dessen „Heimatkrieg“ locker gemacht. Inzwischen weiß er, wie er damals betrogen wurde, geht nicht mehr zur kroatischen Botschaft, um zu wählen und macht sich über kroatische „Idioten“ lustig, die vor Jahren begeistert nach Kroatien zurückkehrten, dort ihre Ersparnisse verloren, aber keinen Anschluss fanden. Kommt Ihnen das bekannt vor, Herr „Professor“ Goran Jurišić?   

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Lesen Sie auch „Offener Brief I “ von Goran Jurišić

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