Pendler keine Bedrohung fürs deutsche HandwerkPOLEN

Pendler keine Bedrohung fürs deutsche Handwerk

In Deutschland geht die Angst vor polnischen Handwerkern um. Seit dem EU-Beitritt Polens dürfen sie hier legal ihre Dienste anbieten. Sechs Jahre nach dem Beitritt stellt sich heraus, dass diese Furcht unbegründet ist. Zwar kommen immer mehr Handwerker aus dem Nachbarland nach Deutschland, doch meist nur in zulassungsfreien Sparten wie Trockenbau oder Fliesenlegen. Nur wenige arbeiten in Ostdeutschland. Problematischer ist dagegen, dass viele Polen nicht nach Deutschland umziehen, sondern nur zum Arbeiten ins Nachbarland kommen.

Von Sebastian Becker

A ntoni Wojtkowiak schuftet zur Zeit auf einer Baustelle in Nordrhein-Westfalen. „Ich habe in Deutschland ein Gewerbe als Ein-Mann-Firma angemeldet“, sagt er. Der Trockenbauer aus Niederschlesien arbeitet sechs Tage pro Woche und meist zehn Stunden pro Tag. Kaum einer seiner deutschen Kollegen würde eine solche Arbeitsbelastung auf sich nehmen. „Ich bezahle hier regulär meine deutsche Krankenkasse“, betont er.

Wojtkowiak gehört zu den polnischen Handwerkern, die seit dem Beitritt Polens zur EU regelmäßig nach Deutschland kommen und hier ihre Dienste anbieten - zum Verdruss vieler deutscher Kollegen, die befürchten, die Polen würden in Scharen kommen, mit niedrigeren Löhnen Aufträge an sich reißen und die Deutschen verdrängen.

Den Fachkräften entsteht kaum Konkurarenz

Doch jetzt – über sechs Jahre  nach dem EU-Beitritt Polens – zeigt sich, dass diese Ängste unbegründet sind. Es kommen zwar immer mehr polnische Handwerker nach Deutschland, doch die meisten arbeiten in zulassungsfreien Berufen wie Trockenbauer oder Fliesenleger. Den Fachkräften machen sie dagegen kaum Konkurrenz. In Branchen, in denen ein Meisterbrief nötig ist, sind die Polen nach wie vor kaum vertreten. Das geht aus der neuesten Statistik des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) hervor. So stieg die Zahl der Betriebsinhaber mit polnischer Staatsangehörigkeit im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent auf rund 28.000. Dabei machen die zulassungsfreien Berufe 70 Prozent aus.

In das grenznahe Ostdeutschland gehen die polnischen Handwerker kaum, obwohl es am schnellsten zu erreichen ist. Laut den Zahlen des ZDH interessieren sie vor allem die Industriezentren im Westen, also Nordrhein-Westfalen, das Rhein-Main-Gebiet, aber auch München. Denn dort gibt es die lukrativsten Aufträge.

Eine Arbeitsstunde kostet bei Antoni Wojtkowiak zwischen 13 und 15 Euro. Seine deutschen Kollegen verlangen etwa 40 Euro. Damit kann der Pole binnen vier Wochen bis zu 3.600 Euro brutto verdienen. Nach allen regulären Abzügen ist diese Summe in Polen, wo er den Großteil seines Gehaltes ausgibt, sehr viel Geld. Ein Bauarbeiter verdient in Polen monatlich gerade einmal 300 Euro netto.

Arbeiten in Deutschland – wohnen in Polen

Wojtkowiaks kann zu seinem niedrigen Stundenlohn nur wirtschaftlich arbeiten, indem zwar in Deutschland arbeitet, aber in Polen wohnt. „Ich halte mich vier bis fünf Wochen am Stück in Deutschland auf, zu Hause muss ich meine Familie ernähren“, sagt er. Zöge der Familienvater nach Deutschland um, hätte er die gleichen Lebenshaltungskosten wie seine deutschen Kollegen und müsste deren Preise verlangen.

Den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ärgern diese Praktiken. „Polnische Handwerker melden in Deutschland ein Gewerbe an, um dann als Scheinselbständige auf Baustellen unter selbstausbeuterischen Bedingungen zu arbeiten“, sagt der Präsident des ZDH, Otto Kentzler. Er fordert eine effektivere Überprüfung durch die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“  und eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden.

Der polnische Handwerksverband wirft den Deutschen hingegen vor, sie blockierten die Polen, wenn es um die Anerkennung der Meister- und Gesellenbriefe gehe: „Die deutschen Behörden errichten für die Polen mit dem Beginn einer legalen Tätigkeit oder Selbstständigkeit immer neue Hürden“, so Maciej Proszynski, Direktor beim Verband des polnischen Handwerkes (ZRP).

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Der Autor ist Korrespondent von n-ost. Das Netzwerk besteht aus über 50 Journalisten in ganz Osteuropa und berichtet regelmäßig für deutschsprachige Medien aus erster Hand zu allen Themenbereichen. Ziel von n-ost ist es, die Wahrnehmung der Länder Mittel- und Osteuropas in der deutschsprachigen Öffentlichkeit zu verbessern. Weitere Informationen unter www.n-ost.de.

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