„Putins Rußland – ein vertrauenswürdiger Partner?“ von Christian WipperfürthGELESEN

„Putins Rußland – ein vertrauenswürdiger Partner?“ von Christian Wipperfürth

‚Putin-Literatur’ hat schon seit längerer Zeit in Deutschland Konjunktur. Der vorliegende Band fällt jedoch durch eine besondere Perspektive auf: Autor Christian Wipperfürth wirbt darin vor allem für ein besseres Verständnis des russischen Präsidenten und mahnt ein Überdenken der westlichen Positionen gegenüber Rußland an.

Von Katharina Spielmann

„Putins Rußland – ein vertrauenswürdiger Partner?“ von Christian Wipperfürth  
„Putins Rußland – ein vertrauenswürdiger Partner?“ von Christian Wipperfürth  

Die Russische Föderation ist noch immer ein Land auf der Suche nach Orientierung und mit vielen ungelösten, dringenden Problemen. Das Land befindet sich unter Putin aber grundsätzlich auf dem richtigen Weg – so konstatiert Christian Wipperfürth bereits im Eingangskapitel seines neuen Buches. Vor diesem Hintergrund zeichnet der Autor die innen- und außenpolitischen Entwicklungen Rußlands im Zeitraum 2002 bis 2004 nach. Dabei beleuchtet er die wirtschaftliche Entwicklung ebenso, wie Werteinstellungen innerhalb der breiten Bevölkerung und den Kampf gegen die Oligarchen. Auf dem Feld der Außenpolitik werden die Beziehungen im GUS-Raum, das Verhältnis zu den USA und Europa und vor allem die deutsch-russischen Beziehungen betrachtet.

Wipperfürths Hauptanliegen besteht darin, bei westlichen Lesern Verständnis zu wecken für die besonderen Herausforderungen, mit denen sich Präsident Putin konfrontiert sieht, und die Beweggründe für die Entscheidungen seiner Politik zu erklären. Es wird deutlich, daß die Putin-Administration auf vielen Politikfeldern nur sehr geringe Handlungsspielräume hatte und hat. Außerdem seien Kritik und Forderungen des Westens gegenüber Rußland häufig überzogen und von Unverständnis oder sogar Ignoranz gegenüber den komplexen russischen innen- und außenpolitischen Zwangslagen gekennzeichnet.

Dem Westen fehlt es an Gelassenheit

Die Schwierigkeiten zwischen Rußland und den westlichen Verhandlungspartnern basieren, folgt man dem Autor weiter, in vielen Fällen auf Kommunikationsproblemen. Eine kritische Überprüfung der Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Abbau von Stereotypen und vor allem „mehr Gelassenheit“ auf Seiten des Westens könnten demnach entscheidend zu einer besseren Kooperation beitragen.

Die Stärken dieses Buches liegen zweifellos in den detaillierten Kenntnissen des Autors über das politische und öffentliche Leben in der Russischen Föderation. Bisher im Westen kaum wahrgenommene Hintergründe und Motivationen für das politische Verhalten des Kremls werden plausibel dargelegt. Wipperfürth liefert damit wertvolle Kontextualisierungen, deren Kenntnis bei den politisch Handelnden in Deutschland sicher wünschenswert wäre.

Die Titelfrage bleibt unbeantwortet

Den vom Autor in der Einleitung postulierten wissenschaftlichen Anspruch kann das Buch indes nicht einlösen. Ein analytischer und systematischer Zugriff auf den Untersuchungsgegenstand der russischen Außenpolitik erfolgt nicht. Die teilweise überraschenden Bewertungen und Schlußfolgerungen Wipperfürths entbehren oft einer fundierten Argumentation oder am empirischen Material erarbeiteten Grundlagen.

Auch die Frage aus dem Titel, ob das Rußland Wladimir Putins ein vertrauenswürdiger Partner ist, bleibt letztlich unbeantwortet. Wipperfürths Fazit besteht vor allem aus wiederholter Kritik an den Haltungen des Westens gegenüber Rußland und weniger aus einer Analyse der russischen Politik der letzten Jahre.

Trotz dieser Kritikpunkte bietet das Buch einen wertvollen Einblick in die aktuelle russische Politik und vermittelt wichtiges Hintergrundwissen, um das Handeln des Kremls auf dem internationalen Parkett nachvollziehbar zu machen. Die komprimierte Zusammenfassung der außenpolitischen Entwicklung der letzten beiden Jahre ist ein lohnenswerter Einstieg für den Zugang zum Thema.

Nicht unerwähnt bleiben sollen die ausgesprochen interessanten Übersetzungen verschiedener Originaldokumente aus der russischen politischen Öffentlichkeit und der Presse (u.a. vom inhaftierten Unternehmer Chodorkowskij und dem „Reforma“-Vizepräsident Migranjan), die bisher nur in russischer Sprache zugänglich waren und nun im Anhang dieses Buches zur Verfügung stehen.

*

Rezension zu „Putins Rußland – ein vertrauenswürdiger Partner?“ von Christian Wipperfürth, Ibidem Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 389821401X, broschiert, 210 Seiten, 24,90 EUR.

Rezension Russland

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene Artikel

  1. Die Coronakrise aus der Sicht einer russischen Psychiaterin
  2. Kurden - Geschichte, Kultur und Hintergründe
  3. Die Perser - Geschichte und Kultur
  4. Putin: Russland ist kein Land sondern eine eigenständige Ziviisation
  5. Chinesische Frauen: Erotisch, anschmiegsam und sehr erfolgreich

Eurasien-Ticker